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Serviceroboter für Senioren

Foto: Bernd Müller
Foto: Bernd Müller

Das Forschungsprojekt "Multi-Role Shadow Robotic System for Independent Living (SRS)" läuft seit Februar 2010. Worum geht es dabei?

Burmester: Der Grundgedanke ist, älteren Menschen die Möglichkeit zu geben, länger selbstständig im Haushalt leben zu können. Dass das der Wunsch vieler älterer Menschen ist, zeigen Studien. Da Menschen im Alter mehr Unterstützung brauchen und Service-Agenturen sehr teuer sind, bleiben oft nur spezielle Umgebungen, wie etwa Altenwohnanlagen. Der Wunsch in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben, lässt sich dann aber nicht mehr erfüllen. Die Idee war es deshalb, mit einem Roboter ältere Menschen bei alltäglichen Aktivitäten zu unterstützen. Dies ist eine spezielle Herausforderung. Robotertechnologie ist zwar schon sehr weit, allerdings vor allem auf der Ebene der Industrieroboter, die vorgegebene Handlungsabläufe autonom abarbeiten können. Das Problem für einen Roboter, der in einer Wohnung unterwegs ist, ist, dass die Wohnung sich permanent ändert, die älteren Menschen wechselnde Bedürfnisse haben und der Roboter sich diesen anpassen muss. Wenn der Roboter an seine Grenzen kommt, muss er sich Hilfe holen können, das ist die Grundidee. Wenn der Roboter zum Beispiel ein Objekt, das er der älteren Person bringen soll, nicht findet, kann er sich Hilfe holen.

Wie kann der Roboter dazulernen?

Burmester: Der Serviceroboter verfügt über ein gestuftes Konzept. Es gibt insgesamt drei Interfaces: Ältere Person und Roboter, Angehörige und Roboter und der 24-Stunden-Service und Roboter. Wir arbeiten hier gerade an der HdM an den Konzepten für alle drei Interfaces. Erster Ansprechpartner sind die Angehörigen der älteren Person. Sucht der Roboter beispielsweise eine Wasserflasche und findet sie nicht, wird beispielsweise der Sohn der Seniorin über Internet kontaktiert. Dieser verfügt über einen speziellen Zugang, der momentan auf einem Tablet-PC beruht. Damit kann er dem Roboter helfen, diese Flasche zu finden. Gleichzeitig kann es auch passieren, dass neue Bedürfnisse von älteren Personen entstehen. Denkbar wäre, dass ein Roboter einfache Gerichte zubereitet und auf den Tisch bringt. Hierfür gibt es eine zweite Hilfsinstanz, einen sogenannten 24-Stunden-Service, ähnlich einem Call-Center, das 24 Stunden von diesem Roboter angerufen werden kann. Dieser Service hat den vollen Zugriff auf den Roboter und kann ihn in allen Details steuern und programmieren. Soll also ein neuer Ablauf im Roboter programmiert werden, schaltet sich der 24-Stunden-Service ein und etabliert diesen neuen Handlungsablauf. Alle Aktionen werden von dem Roboter aufgezeichnet. Im Idealfall kann der Roboter sie dann beim zweiten Mal schon selbstständig ausführen. Dieses lernende System bringt eine neue Herausforderung mit sich, weil sich der Roboter für alle Beteiligten verändert. Er kann plötzlich mehr Dinge und diese Veränderungen müssen wiederum allen Beteiligten mitgeteilt werden.

Was sind denkbare Aufgaben, die der Roboter übernehmen könnte?

Burmester: Ein wichtiges Szenario ist das Bringen von Gegenständen, da ältere Personen oft nicht mehr mobil sind. Hinzu kommt, dass Objekte schwer zu greifen sind, weil sie zum Beispiel zu hoch oder tief gelegen oder zu schwer sind. Unseren Studien zufolge fängt Schwer schon ab zwei Kilo an. Der Roboter hingegen kann bis zu fünf Kilo tragen. Er kann also ein schweres Objekt bringen oder es für die Person transportieren. Zusätzlich ist geplant, dass der Roboter in Notsituationen eingreifen kann, zum Beispiel Medikamente holen oder die Verbindung zum 24-Stunden-Service aufbauen, der einen Arzt rufen kann.

Gibt es eine „Technikangst", die erst einmal abgebaut werden muss? Sollte der Roboter beispielsweise menschliche Züge haben?

Burmester: Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass menschlich aussehende Roboter erst einmal positiver ankommen. Wir sind allerdings noch nicht davon überzeugt, ob das wirklich so ist. Der Roboter „Care-O-Bot 3" vom Fraunhofer Institut, mit welchem wir arbeiten, sieht nicht menschlich aus. Das Design ist zwar einem Butler nachempfunden, aber hoch abstrahiert. In Japan wird hingegen die Strategie verfolgt, anthropomorphe Roboter zu entwickeln, also äußerst menschenähnliche. Das Fraunhofer Institut verfolgt explizit die Strategie, dass es eine Maschine ist, die zur Unterstützung dient. Trotzdem gibt es in der Forschung momentan die Frage, ob Menschen in einem Roboter ein soziales Gegenüber oder eine Maschine sehen. Studien weisen darauf hin, dass es etwas dazwischen sein könnte. Man hat herausgefunden, dass Maschinen, die soziale und menschliche Funktionen, wie zum Beispiel Guten Morgen sagen oder mit Namen begrüßen, übernehmen, bei einigen Menschen Sympathien wecken. Diese steigen dann darauf ein und verhalten sich durchaus so, als ob der Roboter ein richtiges Gegenüber wäre. Ein großer Anteil der Personen reagiert aber ambivalent, nach dem Motto: Da ist eine Maschine, die verhält sich so, als ob sie ein Lebewesen wäre und ich steig jetzt mal drauf ein. Hier sind wir an einem offenen Punkt momentan. Diskutiert wird, ob Roboter als eine Zwischenform zwischen Lebewesen und Technik wahrgenommen werden. Wie so eine Zwischen genau gestaltet werden soll, ist aber noch eine Forschungsfrage.

Wie sieht die Forschungsarbeit konkret aus, gibt es zum Beispiel ältere Testpersonen?

Burmester: Die erste Phase der Gestaltungsarbeiten für die Interfaces war es erst einmal, grundlegend die Steuerung dieses Systems zu entwerfen. Hierbei handelt es sich um eine klassische Mensch-Computer-Interaktion. Die älteren Personen haben ein mobiles Gerät, aktuell einen iPod-Touch, um den Roboter rufen zu können. Dies ist nötig, da die direkte Kommunikation beispielsweise dann versagt, wenn der Roboter in einem anderen Raum ist. Die Verwandten haben momentan ein iPad. Hiermit können sie den Roboter durch die Wohnung navigieren. Die Benutzungsoberfläche wurde von uns entworfen. In Studien haben wir außerdem herausgefunden, dass viele Leute mit dem Grundkonzept des Roboters zunächst wenig anfangen können. Die Menschen sind der Meinung, eine solche High-Tech-Maschine müsste eigentlich alles können. Dass man dieser etwas bebringen muss, ist für sie noch schwer vorstellbar. Das dritte Interface für den 24-Stunden-Service ist viel komplexer. Es besteht aus einem 24-Zoll-Monitor, der 3-D-fähig ist, Tastatur, Maus und weiteren Steuergeräten.

Wie sehen die nächsten Schritte aus?

Burmester: In der nächsten Phase beschäftigen wir uns mit dem Roboterverhalten gegenüber der älteren Person, dabei gibt es natürlich einige Herausforderungen. Wichtig ist zum Beispiel die Möglichkeit, sich von außen auf den Roboter aufschalten zu können, um in die Wohnung der älteren Person zu schauen. Dabei haben wir eine Privatheitsproblematik. Momentan ist es so, dass die ältere Person immer ihr Einverständnis geben muss, um einen Verwandten oder den Service die Kameraaugen des Roboters nutzen lassen zu dürfen. Hier stehen wir noch vor einem ungelösten Problem: Was ist in einem Notfall, wenn die Person ihr Einverständnis nicht mehr geben kann? Es gibt im Projekt mehrere Arbeitsgruppen, die sich aktuell mit Sicherheitsfragen beschäftigen.

Jetzt sind es noch knapp zwei Jahre bis zum Ende des Projekts. Was ist das Ziel, soll der Roboter im Idealfall den gesamten Haushalt erledigen oder ist er als Ergänzung zu einer Pflegekraft gedacht?

Burmester: Es ist auf jeden Fall als Unterstützung für die älteren Menschen gedacht. Die Europäische Union, die das Projekt fördert, hat aber hohes Interesse daran, dass es mittelfristig wirklich einen Roboter gibt, der in einer Wohnung von älteren Menschen einsetzbar ist. Dieses Projekt hat zunächst das Ziel, zu zeigen, dass dieses Konzept funktioniert. Die letzten eineinhalb Jahre des Projekts dienen vor allem dazu, eine umfassende Studie zu machen, wo der Roboter tatsächlich in einer Wohnung zusammen mit einem älteren Menschen eingesetzt werden kann. Gleichzeitig gilt es aufzudecken, wo es noch Probleme gibt. Das ist eine sehr umfangreiche und komplexe Studie. Im ersten Schritt wird sich der Roboter im Rahmen eines Vortests in einer realen Wohnung in Stuttgart bewegen. Im zweiten Schritt wird der Roboter in Italien in einer Laborwohnung im Zusammenleben mit echten Menschen getestet und überwacht.


Weiterführende Links:
HdM erforscht Mensch-Roboter-Interaktion
Forschungsteam
http://www.srs-project.eu


Autoren

Name:
Prof. Dr. Michael Burmester  Elektronische Visitenkarte
Forschungsgebiet:
1. Design for positive User Experience and Design for Wellbeing in leisure and work contexts 2. Further development of Human-Centered Design approaches for better innovation and design for humans. Designing technologies such as AR/VR, Human-robot interaction, Artificial Intelligence etc. with regard to utility, usability, positive experience, and wellbeing 3. Implementation of human-centered design approaches in small and medium-sized enterprises
Funktion:
Professor
Lehrgebiet:
Human-Computer-Interaction, Usability, User Experience, Human-centered Design
Studiengang:
Informationsdesign (Bachelor, 7 Semester)
Fakultät:
Fakultät Information und Kommunikation
Raum:
I221, Nobelstraße 8 (Nobelstraße 8)
Telefon:
0711 8923-3101
Telefax:
0711 8923-3300
E-Mail:
burmester@hdm-stuttgart.de
Homepage:
http://www.hdm-stuttgart.de/ixd/mb
Michael Burmester

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