Die Wettbewerbskraft von Unternehmen liegt in den Prozessen 

Voraussetzungen für Business Process Management

Prozessoptimierung ist heute für viele Unternehmen zur notwendigen Selbstverständlichkeit geworden. Integrationstechnologien eröffnen vielfältige, neue Gestaltungsmöglichkeiten und Chancen. Brennpunkt der heutigen Entwicklungslinien bilden Geschäftsprozesse, IT-Systeme und deren übergreifende Integration (Enterprise Application Integration). Lesen Sie einen Auszug aus dem Interview SAP INFO online mit dem Vorsitzenden des EAI-Forums, Dr. Wolfgang Martin, und dem Forumsleiter Prof. Klaus Thaler zu Business Process Management und Integration.

Herr Thaler, welche Voraussetzungen müssen für BPM in einem Unternehmen gegeben sein?

Thaler: Kurzfristige Erfolge mit “lokalen” Optimierungslösungen dürfen nicht den Blick auf das Ziel einer möglichst effizienten Integration und Durchgängigkeit aller relevanten betrieblichen Leistungsprozesse verwehren. Es geht bei BPR um eine strategische Umgestaltung. Daher müssen Strategien und Geschäftsmodelle, Leistungsprozesse und Organisation, Informationsversorgung und Informationstechnologie in einem Gesamtzusammenhang betrachtet werden. In der ersten Phase eines BPM-Projekts geht es darum, eine Vision für die Gestaltung der Business Prozesse zu erarbeiten und die Machbarkeit des Zukunftskonzepts zu untersuchen. In der zweiten und dritten Phase ist es wichtig detailliert zu erarbeiten, von welchen Prozess-Leistungskennzahlen in den Ist-Abläufen ausgegangen werden muss und wie sich ausgewählte Key Performance Indicators verbessern lassen. Hierfür sind Benchmarks und Schwachstellenanalysen das geeignete Instrumentarium. Die Transformation der Prozesse sollte in Phase vier möglichst mit Referenzmodellen fundiert umgesetzt werden. Die Mitarbeiter sollen einbezogen und nicht ausgegrenzt werden. In Phase fünf muss der Anstoß zu einer kontinuierlichen Verbesserung gegeben werden. Abschluss eines vorbildhaften BPR-Projekts bildet der Nachweis, dass die gesteckten Ziele erreicht wurden.

Wo machen “Standard-Geschäftsprozesse” einen Sinn?

Thaler: Mit “Standard-Geschäftsprozessen” lassen sich Kosteneinsparungen in denjenigen Unternehmensbereichen erzielen, in denen bewährte fach- oder branchenbezogene Leistungsmodule als Defakto-Standard übertragbar oder replizierbar sind. Dies senkt vor allem in den Phasen zwei, drei und vier den Gesamtaufwand und die Durchführungsdauer. Die Zahlungsabwicklung, die Auftragsgewinnung über das Web oder eine Statusabfrage des Auftragsstands sind beispielsweise heute sehr nachgefragte Standard-Geschäftsprozesse, für die viele IT-Anbieter passende Referenzmodelle und Module liefern. Der Vorteil von Standard-Geschäftsprozessen liegt ganz wesentlich in der schnelleren Umsetzung hin zur lauffähigen Lösungen, denn das Rad muss ja nicht immer neu erfunden werden. Mit Hilfe von Standard-Geschäftsprozessen ließ sich in einzelnen Projekten die Durchführungsdauer nahezu halbieren und der Gesamtaufwand um bis zu 40 Prozent reduzieren.

Wo liegen Stolpersteine, wenn Geschäftsprozesse über Unternehmensgrenzen hinweg integriert werden?

Thaler: Der größte Stolperstein liegt eigentlich häufig noch in den Köpfen. Oft wird verkannt, dass eine Supply Chain aus unterschiedlicher Unternehmen und Akteuren eigentlich nur so gut sein kann wie es das schwächste Glied in der Kette erlaubt. Potenziale übergreifend und gemeinschaftlich zu erschließen erfordert zunächst vor allem Vertrauen und ein partnerschaftliches Projektkonzept. Externe Projektbegleitung kann helfen, die sensiblen Phasen zielorientiert zu bewältigen und die gemeinsam erreichbaren Potentiale aus neutraler Sicht zu beziffern. Erfahrungen aus Projekten zeigen, dass gerade trotz oder wegen des Anspruchs an eine “Seamless Integration” dabei noch genügend Störgrößen – sowohl technologisch als auch organisatorisch – zu optimieren sind. Die Potenziale, die durch Elimination von Doppelarbeiten, Redundanz oder Abstimmungsproblemen in kollaborativen Anwendungen entfallen, werden noch vielfach unterschätzt, wie aktuelle Studien zeigen. Bull-whip Effekte, also Mehrkosten durch Aufschaukelungseffekte, Auftragsspitzen und resultiernde hohe Bestände werden häufig noch hingenommen und “verschwinden” in “geschützen” Gemeinkostensätzen. Neue integrative Verfahren über Unternehmensgrenzen einzuführen löst allerdings nicht das Problem, dass sich Organisationen anpassen müssen: ein Gedanke, der einigen Traditionalisten in fachbezogenen “Fürstentümern” oft wenig behagt. Maßnahmen zu einem durchgängigen Process Ownership unterstützten dabei die Abkehr von suboptimalen Bereichstrukturen hin zur tatsächlichen Prozessintegration.

Weiterführende Informationen/Links

Interview sapinfo
Quelle: sapinfo.net v. 3.5.2004, Dr. Martin, Prof. Thaler
Originalartikel: http://de.sap.info/die-wettbewerbskraft-von-unternehmen-liegt-in-den-prozessen/3092
Der Beitrag wurde veröffentlicht in: sapinfo.net