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Lockdown Learnings

Was uns diese besondere Zeit gelehrt hat

Seit mehr als einem Jahr prägt die Corona-Krise das tägliche Leben. Menschen arbeiten im Home-Office, Geschäfte und Gastronomie sind geschlossen und die Maske ist täglicher Begleiter. Auch die Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart hat das vor viele Veränderungen und Herausforderungen gestellt – ob Studierende, Mitarbeitende oder Lehrende. Wir haben mit ihnen gesprochen und sie gefragt, was sie persönlich aus dieser bewegten Zeit mitnehmen und gelernt haben.

22. März 2020: An diesem Tag tritt der erste Lockdown in Kraft. Es gelten Kontaktverbot und Abstandsregeln, Gastronomie-, Dienstleistungs-Betriebe sowie Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen müssen schließen und die Menschen sind dazu angehalten, das Haus nur aus wichtigen Gründen zu verlassen. Seitdem verbringen die meisten Menschen ihren Alltag vorwiegend zuhause und sie haben wieder mehr Zeit. Beispielsweise mehr Zeit für die Liebsten daheim, für längst überfällige Haushaltsaufgaben oder zum Nachdenken. Doch was nehmen Studierende, Mitarbeitende oder Lehrende der HdM aus diesen Lockdown-Zeiten mit?

"Man ist praktisch gezwungen mehr Rücksicht zu nehmen und aufeinander einzugehen."

Der Projektmitarbeiter Kevin Raisch arbeitet seit Januar 2021 an der HdM im Center for Learning und Development und hat bisher nur das virtuelle Hochschulleben kennengelernt. | © Stefan Großberger Fotografie
Der Projektmitarbeiter Kevin Raisch arbeitet seit Januar 2021 an der HdM im Center for Learning und Development und hat bisher nur das virtuelle Hochschulleben kennengelernt. | © Stefan Großberger Fotografie
Trotz der vielen Veränderungen empfindet Kevin Raisch, Projektmitarbeiter Digitale Lehre im Center for Learning Development, die Verschmelzung von Arbeit und Privatleben in gewisser Weise als positiv. "Da alle mit denselben Herausforderungen zu kämpfen haben und die Arbeitszeiten viel flexibler in Bezug auf Zeit und Ort gehandhabt werden können, entsteht auch hier ein neuartiger Verständnisprozess. Bei den meisten Menschen entsteht mehr Verständnis für die Lebensumstände der einzelnen Personen", erklärt Kevin Raisch. Besonders den Umstellungen in seiner Arbeit an der HdM konnte er  viel abgewinnen: "Ich habe es lehrtechnisch durch und durch als Bereicherung empfunden, mich intensiv mit diversen digitalen Tools und der Anpassung der Lehrmethode an das Virtuelle auseinandersetzen zu müssen. Ich erinnere mich nicht, wann ich das letzte Mal einen derart großen und intensiven Wissenszuwachs innerhalb dieser kurzen Zeit erlangt habe."

Allerdings hatte  er als Familienvater anfangs auch mit dem Betreuungsproblem zu kämpfen. "Ich musste mich gefühlt sekündlich entscheiden, welche Prioritäten ich setze und welcher Tätigkeit ich nun zuerst nachgehe. Es ist offensichtlich, dass dann irgendetwas liegen bleibt. Und mit zwei Kleinkindern bleibt einem nicht viel übrig, als den Status quo zu akzeptieren", stellt Kevin Raisch fest. Diese Zeit lehrte ihn nicht nur effektiver und entspannter zu werden, sondern löste bei ihm auch eine wichtige Erkenntnis aus: "Es hat mir gezeigt, wie wertvoll Familie ist und wie schön es ist, die eigenen Kinder aufwachsen zu sehen, und das nicht nur morgens vor der Arbeit und abends beim zu Bett gehen."

"Online funktioniert gut, dennoch ist offline Qualitytime umso wichtiger geworden!"

Für die Studentin Valentina Kress ist die Offline-Time während des Lockdowns sehr wichtig, hier ist sie auf dem Weg zum ersten Eis des Jahres. | © Valentina Kress
Für die Studentin Valentina Kress ist die Offline-Time während des Lockdowns sehr wichtig, hier ist sie auf dem Weg zum ersten Eis des Jahres. | © Valentina Kress
Wie viele Studierende, die ihr Studium erst zu Lockdown-Zeiten begonnen haben, steckt auch Valentina Kress, 2. Semester im Masterstudiengang Unternehmenskommunikation, in dieser Situation. Sie war seit Beginn des Aufbaustudiums nur einmal an der HdM für Vorlesungen, kennt die Hochschule allerdings schon aus ihrem Bachelor in Crossmedia-Redaktion/Public Relations. Deshalb findet sie es umso trauriger, dass der gewohnte HdM-Alltag nicht stattfinden kann. "Ohne Campus, Pokkez und Feierabendbier fehlt schon ein großer Teil des Studentenlebens", stellt Kress fest.

Dennoch ist die Studentin bisher sehr zufrieden, wie reibungslos der Studienalltag läuft. "Online-Lehre funktioniert an der HdM sehr gut und lässt sich gut mit meinem Werkstudentenjob vereinbaren. Dazu konnte man sich auch online mit Kommilitonen gut vernetzen. Mir ist aber auch umso wichtiger geworden, offline Qualitytime zu verbringen", so Valentina Kress. Ein geregelter Alltag, To-Do-Listen und Belohnungen wie Verabredungen oder Zeit mit sich selbst helfen der Studentin dabei, produktiv, motiviert und psychisch gesund durch den Tag zu kommen. Und wie viele andere hat sie auch die kleinen Dinge, die den Home-Office-Alltag erträglicher machen, zu schätzen gelernt: "Man hört es zwar immer und immer wieder, aber Bewegung, frische Luft, gutes Essen, und ab und an Freunde treffen, tut einfach gut", sagt die 26-Jährige.

"Präsent zu sein heißt bei Dozierenden nicht, nur im gleichen Raum wie die Studierenden zu sein."

In seinen virtuellen Vorlesungen bemüht sich Professor Walter Kriha nicht nur präsent zu sein, sondern auch ansprechbar zu sein. | © Walter Kriha
In seinen virtuellen Vorlesungen bemüht sich Professor Walter Kriha nicht nur präsent zu sein, sondern auch ansprechbar zu sein. | © Walter Kriha
Auch Walter Kriha, Professor im Studiengang Medieninformatik, unterrichtet in seinen Vorlesungen viele Studierende, die den 'normalen HdM-Alltag' und Präsenzvorlesungen nie wirklich erlebt haben. Daher gibt er sich umso mehr Mühe, den Studierenden einen wertvollen Ersatz zu bieten, wie beispielsweise bei der Vorlesung Softwareentwicklung. "Ich habe die Veranstaltung früh in Richtung Teamarbeit umgebaut, was für Softwareentwicklung von Applikationen schlicht auch die richtige Form der Lehre ist. Ich berücksichtige beim Aufbau der Veranstaltung stark die Prinzipien von 'Culture Code': Create a safe space, show vulnerability, create purpose. Studierende übernehmen Teile der Vorlesung und erklären den anderen Dinge. Aber vor allem bin ich 'präsent‘, und darin steckt auch immer die Vorstellung von 'ansprechbar‘, und das hat nichts mit Raum zu tun", erklärt Walter Kriha. Deshalb steht der Professor auch während der Übungszeiten mit den Tutoren immer über das Videokonferenz-Tool BigBlueButton als Ansprechpartner zur Verfügung.

Die strikte Trennung von Arbeit und Freizeit stellt bei vielen Professoren ein Problem dar, das sich für Walter Kriha mit dem Home-Office verstärkt. "Die relative freie Einteilung der Arbeitszeit führt wie in der Wirtschaft einfach zur Mehrarbeit. Und da kein 'Produkt‘ entsteht, mit dem eine gewisse 'Definition of Done‘ verbunden wäre, bleibt ohnehin immer das Gefühl nicht genug gelesen, geforscht oder gearbeitet zu haben. Home-Office verstärkt diesen Effekt noch gewaltig", meint der Professor. Damit die Work-Life-Balance aber nicht zu kurz kommt, versucht Walter Kriha mit verschiedenen Freizeitbeschäftigungen einen Ausgleich zu schaffen. "Es gibt kleine Tricks für Bastler wie mich: Auf YouTube unter den DIY-Videos nachschauen, was man auch basteln könnte. Oder Italienisch lernen am Abend", meint Kriha.

"Die Zoomkonferenz ist kein Ersatz."

Die IMO-Workshops, die Projektleiterin Christiane Delong organisiert, fanden dieses Semester bisher nur virtuell statt. | © Christiane Delong
Die IMO-Workshops, die Projektleiterin Christiane Delong organisiert, fanden dieses Semester bisher nur virtuell statt. | © Christiane Delong
Wie viele Veranstaltungen und Projekte findet die Weiterbildung "Qualifikationsprogramm Moderation" am Institut für Moderation (imo) der HdM im Normalfall in Präsenz statt. Der imo-Jahrgang 2020/2021 ist zur Einführung vor Ort gestartet, nach dem Lockdown im November 2020 wurden die imo-Workshops dann aber auf komplett digital umgestellt. Das bedauert Christiane Delong, Projektleiterin des imos, sehr: "Viele unserer Workshops und Studiotrainings ergeben virtuell einfach keinen Sinn. Beim Training für eine Bühnenmoderation beispielsweise muss ich auf einer Bühne stehen, das Mikro in der Hand haben, vom Rampenlicht geblendet werden, um zu erleben, was das mit mir macht. Theoretischer Input via Bildschirm im eigenen Wohnzimmer hilft da wenig." Einige der bisherigen imo-Workshops haben jedoch sehr gut im virtuellen Rahmen funktioniert, was für die Projektleiterin eine akzeptable Alternativlösung, aber keinen guten Ersatz darstellt.

In dieser Zeit hat Christiane Delong aber auch viel für ihre Arbeitsweise mitgenommen. "Das eindrücklichste Learning für mich in meinem beruflichen Alltag ist die Einsicht, dass Einschränkungen kein Makel sein müssen. Wie heißt es manchmal so schön? 'Kill your Darlings'. Es muss also nicht alles immer 150-prozentig sein, um gut zu sein. Vieles, was ich vorher als zwingend notwendig erachtet hatte, war plötzlich gar nicht mehr so zwingend, sondern eher 'nice to have‘. Das hat den Druck anfangs ein bisschen rausgenommen", meint Delong. Mittlerweile ist das Arbeitspensum von Christiane Delong an anderer Stelle wieder gewachsen, denn durch die Maßnahmen sind neue Aufgaben wie das Entwickeln von Hygienekonzepten oder das ständige Bereithalten von Plan B oder C, hinzugekommen.

"Tägliche Bewegung muss man sich auf den To-Do-Zettel schreiben."

Passend zu ihrem Lehrgebiet gestaltet Professorin Eva Stadler ihre Vorlesungen wie bei einer Seriendramaturgie. | © privat
Passend zu ihrem Lehrgebiet gestaltet Professorin Eva Stadler ihre Vorlesungen wie bei einer Seriendramaturgie. | © privat
Da momentan viele Dinge wie Arbeit, Studium oder Freizeit auch von zuhause aus oder virtuell gehen und man zudem von der Regierung dazu angehalten wird, zuhause zu bleiben, fällt die Bewegung oft geringer als sonst aus. So ging es anfangs auch Eva Stadler, Professorin für Digitales Entertainment und Bewegtbildmanagement. "Da man sich nicht mehr automatisch bewegt, um beispielsweise an die HdM zu kommen, muss man sich die tägliche Bewegung auf den To-Do Zettel schreiben. Denn man hat, wenn alle Familienmitglieder in der Home-HdM, im Homeoffice und im Homeschooling sitzen, teilweise auch im Privaten keinen Grund rauszugehen", erzählt Stadler. Mittlerweile ist die tägliche Bewegung, unabhängig vom Wetter, fester Bestandteil des To-Do-Zettels der Professorin. Dazu versucht sie, mit einem höhenverstellbaren Tisch die virtuelle Lehre etwas bewegter zu gestalten, um auch das Laufen im Hörsaal in der Präsenzlehre zu ersetzen.

Von der virtuellen Lehre hat sich Professorin Eva Stadler anfangs etwas mehr erhofft. "Man denkt spontan: Online geht mehr. Also mehr Stoff, der vermittelt werden kann. Aber so ist es nicht. Im nun dritten Online-Semester ist klar, dass nicht mehr, aber auch nicht weniger geht, sondern eigentlich genauso viel wie in Präsenz. Aber man muss es in anderen Häppchen vermitteln. Die Tendenz geht zu kleineren und interaktiveren Einheiten, die mit verschiedenen Tools vermittelt werden müssen, um die Aufmerksamkeit bei den Studierenden gerade in großen Vorlesungen hochzuhalten", stellt die Professorin fest. Passend zu ihrem Lehrgebiet orientiert sich Eva Stadler bei der Gestaltung ihrer virtuellen Vorlesungen momentan an der Seriendramaturgie, damit auch die Studierenden gespannt vor dem Bildschirm sitzen und nicht abschalten.

"Soziale Kontakte und Aktivitäten in einer Gruppe sind unendlich bereichernd, aufbauend, inspirierend und motivierend."

Im normalen HdM-Alltag ist Mitarbeiter Thomas Hafner täglich im edit.lab und unterstützt die Studierenden. | © Thomas Hafner
Im normalen HdM-Alltag ist Mitarbeiter Thomas Hafner täglich im edit.lab und unterstützt die Studierenden. | © Thomas Hafner
Im normalen Betrieb an der HdM unterstützt Thomas Hafner als akademischer Mitarbeiter im Studiengang Crossmedia-Redaktion/ Public Relations die Studierenden im edit.Lab. Durch den Lockdown war für ihn mobiles Arbeiten von zuhause aus angesagt. "Virtuelle Lehre ist machbar und kann das Präsenzangebot auf spannende Art und Weise ergänzen. Manche Dinge funktionieren virtuell sogar besser und lassen sich besser organisieren. Dennoch muss man nicht alles zwanghaft anwenden, was angeboten wird und möglich ist - Selektion ist wichtig. Reine virtuelle Lehre schafft es nicht, alle Lernziele, insbesondere die mit starkem Praxisbezug, vollumfänglich zu vermitteln", meint Thomas Hafner.

Durch die mobile Arbeit fällt auch der tägliche Kontakt mit Studierenden und Kollegen weg. "Der persönliche reale soziale Kontakt fehlt mir auf allen Ebenen. Sei es privat oder beruflich. Meine Band hat sich dank Corona aufgelöst, denn ein Proben war über so lange Zeit in einem 15 Quadratmeter großen Proberaum ohne Fenster mit fünf Leuten nicht drin", erzählt Thomas Hafner. Dadurch wurde er in der Lockdown-Zeit darin bestätigt, dass die reale Interaktion seinen Job ausmacht und bereichert. Zudem war es für Thomas Hafner schwierig, Beruf und Familie zu trennen, da seine Frau ebenfalls zuhause gearbeitet hat und das gemeinsame Kind betreut werden musste. "Corona hat eindrücklich bestätigt, dass man es nie schafft, allen Interessen und Bedürfnissen im gleichen Maße gerecht zu werden. Und das gilt auf allen Ebenen, sei es im Kleinen oder im Großen", fasst Thomas Hafner zusammen.

"Eine stets ordentlich gehaltene Wohnung fühlt sich auch so an, als wäre man gut organisiert und hätte sein ganzes Leben im Griff."

Zur DetailansichtDie Studentin Chiara Bissmaier, Informationsdesign, sieht im Lockdown auch Vorteile, wie die 'Me-Time'. | © Chiara Bissmaier
Die Studentin Chiara Bissmaier, Informationsdesign, sieht im Lockdown auch Vorteile, wie die 'Me-Time'. | © Chiara Bissmaier
Chiara Bissmaier hat ihr Studium in Informationsdesign an der HdM im Jahr 2018 begonnen. Das Sommersemester 2021 ist auch für sie das dritte Corona-Semester. Sie vermisst zwar Unternehmungen mit Freunden, versucht aber die Einschränkungen und das Online-Semester positiv zu sehen. "Durch die Corona-Pandemie und die Lockdowns wurde ich persönlich ausgeglichener. Die nicht unbedingt erwünschten Einschränkungen haben auch einen Vorteil: Der 'Freizeitstress', der zuvor oftmals durch zu viele Aktivitäten entstand, verschwand komplett. Als Ausgleich zum Studium und der Arbeit im Home-Office mache ich Workouts, gehe spazieren, höre Musik und spiele auf meinem Fernseher YouTube-Videos mit Urlaubskulissen ab", erzählt die Studierende. Da es ihr generell nichts ausmacht, für einen längeren Zeitraum alleine zu sein, genießt sie die 'Me-Time‘ und 'Self-Care‘ sehr.

Durch das Home-Office hat Chiara Bissmaier zudem ein besseres Zeitmanagement entwickelt, kann sich besser konzentrieren und räumt regelmäßiger auf. "Durch die täglichen Zoom-bzw. Teams-Meetings und der damit verbundenen Kamerafunktion werde ich schon fast dazu 'aufgefordert', meine Wohnung immer ordentlich und sauber zu halten. Das empfinde ich sehr positiv. Beispielsweise hatte ich früher auch einen der besagten 'Kleiderablage-Stühle'. Inzwischen versuche ich alles direkt zu verstauen, sodass kein Chaos mehr entstehen kann", erläutert die Studentin. Durch die neu gewonnene Ordnung hat sich bei ihr auch das Gefühl entwickelt, gut organisiert zu sein, und ihr ganzes Leben im Griff zu haben - und das ist doch ein sehr positives Learning aus dieser Zeit.

VERÖFFENTLICHT AM

06. Mai 2021

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