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Gesellschaft

"Die stecken doch alle unter einer Decke!"

Was es mit den Verschwörungstheorien rund um Corona auf sich hat

"Das Einzige, was mich wirklich beunruhigt, sind Verschwörungstheorien aller Art“, sagte der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Anfang des Jahres in einer Pressekonferenz. Er warnte damit bereits früh vor erfundenen Corona-Berichten, die vor allem im Netz kursieren. Mittlerweile haben verschiedene Mythen die Bevölkerung erreicht und vergiften die Glaubwürdigkeit der aktuellen medialen Berichterstattung, aber auch die Gedanken der Menschen.

Am Anfang jeder Verschwörungstheorie steht das Misstrauen zwischen zwei gesellschaftlichen Gruppen (Foto: Tom Radetzki, Unsplash)

Am Anfang jeder Verschwörungstheorie steht das Misstrauen zwischen zwei gesellschaftlichen Gruppen (Foto: Tom Radetzki, Unsplash)

Corona als Strafe Gottes oder als Soldat Allahs? Ist der Verzehr einer Fledermaus nun für die Corona-Pandemie verantwortlich? Geht die wahre, unsichtbare Gefahr von der Ausweitung des 5G-Netzes aus? Oder hat Bill Gates wieder einmal nur Dollar-Scheine in den Augen? Die Auswahlpalette der Verschwörungstheorien ist breit und bunt, aber in den seltensten Fällen tatsächlich mit glaubwürdigen Quellen belegt. Eine Problematik, die eine tiefe Spaltung in unserer Gesellschaft nach sich ziehen kann - gefolgt von Missgunst, Konflikten und im schlimmsten Falle Gewalt und noch mehr Todesopfern. Doch was hat es mit den bekanntesten Verschwörungstheorien rund um Corona auf sich? Und warum sind Verschwörungstheorien gerade jetzt so gefährlich?

Mythos 1: Das Coronavirus ist eine Biowaffe aus einem versteckten Labor

Eine Theorie über den Ursprung des Virus kommt aus Russland. Die Medien dort verbreiten Nachrichten, in denen das Virus als eine Art Biowaffe in einem versteckten Labor entwickelt wurde. Demnach sollte der Virus ausgesetzt werden, um dann der dubiosen Pharma-Industrie die Möglichkeit zu geben, neue Impfungen zu vermarkten und noch mehr Geld zu scheffeln. Diese Theorie stützt sich einzig und allein auf den Fakt, dass sich im chinesischen Wuhan das nationale Labor für Biosicherheit Chinas befindet - der Stadt, von wo der Virus aus bekanntermaßen um sich griff. Darüber hinaus ist über das bislang einzige offizielle chinesische Labor, das 2015 gegründet wurde, und mit einer der höchsten biologischen Schutzstufen arbeitet, nichts bekannt. Dass es sich also beim Coronavirus um eine absichtlich entwickelte Biowaffe handelt, ist reine Spekulation.

Mythos 2: Bill Gates will die Menschheit zwangsimpfen und damit noch reicher werden

Eine der bekanntesten Verschwörungstheorien um Corona ist sicherlich die um den reichsten Mann der Welt: Bill Gates. Die Bevölkerung soll aufgrund ihrer Angst vor dem Coronavirus dazu gezwungen werden, sich impfen zu lassen. Bill Gates, seine Frau Melinda und seine geldgierigen Geschäftsfreunde sollen bereits ein Patent auf einen Impfstoff angemeldet haben, um Profit aus der Krise schlagen und sich am Leid der Menschen bereichern zu können. Auf die Spitze dieser Theorie treibt es jedoch die Aussage, dass gleichzeitig mit dem Impfstoff ein Mikrochip in den Körper injiziert werden soll, mit dem die Menschen überwacht werden und Gates damit die "totale Kontrolle" erlangen soll.
Tatsache ist, dass Bill Gates und seine Frau bereits 1999 eine Stiftung gegründet haben, die seit Jahren Impfstoffe gegen Krankheiten erforscht und derzeit auch mögliche Impfstoffe gegen Covid-19 untersucht. Es existieren ebenfalls Patente auf bestimmte Gensequenzen der Coronaviren. Allerdings gibt es davon mehrere, verschiedene Arten und keines dieser Patente bezieht sich auf den Coronavirus, der uns aktuell zu schaffen macht. Des Weiteren könnte Bill Gates - so reich er auch sein mag - gar keinen Impfzwang in Deutschland durchsetzen, gerade, wenn es ohnehin noch gar keinen ausreichend getesteten Impfstoff gibt.

Mythos 3: 5G verbreitet das Coronavirus

"Mama, ich hab' Fieber" - "Das kommt davon, dass du nur am Handy hängst." So oder so ähnlich dürfte die Theorie um die neuen 5G-Sendemasten entstanden sein, die angeblich für die Verbreitung des Coronavirus verantwortlich sein soll. Anhänger dieser Theorie vertrauen darauf, dass die wahre Gefahr für den Körper durch das 5G-Netz entsteht und erst die 5G-Strahlung den Virus aktiviert. Daher gebe es, so die Argumentation der Verschwörungstheoretiker, natürlich auch in Afrika keine Corona-Toten - schließlich verfügt der Kontinent auch nicht über ein 5G-Netz.
Dass vor allem Menschen in Großbritannien dieser Theorie Glauben schenken und bereits in blinder Zerstörungswut Feuer unter einigen Masten gelegt haben, ergibt wenig Sinn. 5G bedeutet schließlich nichts weiter, als dass es sich um die fünfte Generation einer drahtlosen Netzwerktechnologie handelt. Sie wird über Mobilfunkmasten durch Funkwellen übertragen, schädigt nicht die DNA im menschlichen Körper und weckt auch keine Viren aus dem Winterschlaf. Dass es darüber hinaus in Afrika keine Corona-Toten geben soll, ist schlicht und ergreifend falsch.

Mythos 4: Das Coronavirus gibt's gar nicht

Manche Menschen stellen die These auf, dass der Virus eigentlich gar nicht existiert, sondern nur erfunden wurde. Diese Inszenierung soll dann dazu dienen, die Menschen bewusst und unbewusst in Angst zu versetzen und von anderen Dingen abzulenken - alles nur Hysterie, von oben befohlen. Frei nach dem Motto: "Menschen, die Angst haben, kann man leichter brechen."
Leider sind die verstorbenen Patienten und Todesfälle beim medizinischen Personal weltweit nicht erfunden, im Gegenteil: Die Zahlen von Infektionsfällen steigen - abhängig von gesellschaftlichem und politischem Verhalten - wieder an, und eine Ansteckung mit dem Virus ist mittlerweile mehrfach medizinisch nachgewiesen worden. Diese Verschwörungstheorie lässt nur Zweifel am gesunden Menschenverstand erkennen, da ihr Wahrheitsgehalt kaum deckungsgleich mit dem realen Leben erscheint. Man fragt sich vielmehr, warum jemand das Coronavirus hätte erfinden wollen, zumal der wirtschaftliche Schaden, der durch den Virus und die daraus resultierenden Maßnahmen entsteht, global ins Unermessliche geht. Selbst die Elite dürfte nicht von einem finanziellen Ruin über Ländergrenzen hinweg profitieren.

Mythos 5: Corona soll eine neue Weltordnung schaffen

Eine neue Weltordnung ganz im Sinne einer ominösen Geheimgesellschaft soll geschaffen werden. Nach und nach soll dann die Welt, wie wir sie bislang kennen, verändert werden. Dafür kommt die Coronakrise diesen Verschwörungstheoretikern wie gerufen. Sie ermöglicht eine neue Weltordnung in verschiedenen Schritten, die wir bereits aus anderen Zeiten kennen: Militärpräsenz, der Zusammenbruch des Finanzsystems und die stetige Abschaffung der Bürgerrechte.
Die Idee einer neuen Weltordnung ist nicht neu - tatsächlich handelt es sich hierbei vielmehr um einen äußerst beliebten Verschwörungsmythos, der seit den 1990er Jahren besteht und im Prinzip je nach Ausgangslage angepasst werden kann. Meistens liegen neuen Weltordnungstheorien ein vages Feindbild wie etwa Geheimgesellschaften, Außerirdische, unantastbare Eliten oder ähnliches zugrunde, das für die Anhänger selbst wenig Erläuterung bedarf.

Verschwörungstheorien als Gefahr für die Gesellschaft

Dass es bei einer Verschwörungstheorie um weitaus mehr als nur zusammengesponnene Geschichten über vermeintlich kausale Zusammenhänge geht, bestätigt auch Jörn Precht, Professor für Angewandte Narrationsforschung an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart: "Theorien sind das nicht wirklich. Es sind eher Ideologien und Glaubensgeschichten, denen mit Fakten schwer beizukommen ist. Man wähnt lieber böse Menschen in der Verantwortung als dem blinden Schicksal oder einer Naturgewalt ausgeliefert zu sein." Die Gefahren hierbei sind allerdings, dass diese Verschwörungstheorien Menschen denunzieren, Antisemitismus fördern und Minderheiten schaden. Immerhin liegen bei genauer Betrachtung der Ursprung und das Ziel einer Verschwörungstheorie nicht weit auseinander. Am Anfang jeder Verschwörungstheorie steht das Misstrauen zwischen zwei gesellschaftlichen Gruppen. Dieses Misstrauen steigert sich zu einem Verschwörungsglauben, der davon ausgeht, dass sich eine Gruppe gegen eine andere verschworen hat, um ihr zu schaden - es findet eine regelrechte Dämonisierung statt. Das häufigste Motiv, das dem vagen Feindbild dann in solch einer Verschwörungstheorie meistens zugrunde gelegt wird, ist die Weltherrschaft. Ob Bill Gates, die Politikerelite oder die Pharma-Industrie: Sie alle wollen wohl letzten Endes die Welt beherrschen und allen anderen Menschen schaden.  

Soziale Medien als Gefahr

Nicht müde werdende Anhänger finden dabei im Zweifel immer wieder vermeintliche Beweise zur Stärkung ihrer Argumentation, indem sie großzügig pauschalisieren, Aussagen dekontextualisieren und dann passend zu ihrer jeweiligen Theorie umdeuten. So vermischen sie Fakten mit erfundenen Behauptungen und bauen dabei auf stereotypen Feinbildern auf, um Wut schüren und zu (Re-)Aktionen aufzurufen. Im Vordergrund steht also keine offene Debattenführung, sondern eine negative Emotionalisierung gegenüber oppositionellen Meinungsführern und die Diffamierung etablierter Wissenschaftlern. Diese mündet in die Heraufbeschwörung einer dunklen Macht und in einer Verhetzung - und kann schlimmer noch in einer Jagd enden, wie es beispielsweise damals im Mittelalter bei den Hexen der Fall war.

Aktuell sieht Jörn Precht übrigens eine besondere Gefahr in den sozialen Medien. Das Problem: Die immense Reichweite, die eine verschwörungstheoretische Aussage in einer Kommentarspalte von großen Informationsmedien haben kann. "Es wäre hilfreich, wenn die Kommentarfunktion unter den Artikeln von Informationsmedien auf Social Media abgeschafft würde. Zeitungen haben ja früher auch nicht hunderte von Leserbriefen unter jedem Artikel gedruckt." Er warnt davor, dass Plattformen wie Facebook & Co., die sich ausschließlich als Technikprovider präsentieren und keine Verantwortung für populistische oder propagandistische Inhalte tragen möchten, der optimale Nährboden für Verschwörungsideologien sind. Daher ist Vorsicht geboten. Es gilt auch unter den aktuellen Umständen in der Coronakrise: Eine ausgewogene, multiperspektivische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Medien und Kanälen ist stets empfehlenswert, um sich ein besseres Bild von einer Allgemeinsituation verschaffen zu können. Denn letzten Endes geht es um die Menschen und ihre Gesundheit - und nicht darum, einen Nährboden für noch mehr Negatives auf dieser Welt zu schaffen.

Quellen:

  • https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/corona-verschwoerungstheorien-101.html
  • https://www.tagesspiegel.de/politik/fake-news-bei-coronavirus-falschmeldungen-und-verschwoerungstheorien-verstaerken-die-angst/25491216.html
  • https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/verschwoerungstheorien/index.html#anfaellig_fuer_Verschwoerungstheorien
  • https://www.mdr.de/brisant/corona-verschwoerungstheorien-100.html#sprung2

Giuseppa Maria Spatola

VERÖFFENTLICHT AM

29. Juni 2020

KONTAKT

Prof. Jörn Precht

Professor

Audiovisuelle Medien

Telefon: 0711 8923-2247

E-Mail: precht@hdm-stuttgart.de

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Spatola

am 01.07.2020 um 13:44 Uhr

Durch diesen Cocktail vom Informationen über die Medien wächst in der Weltbevölkerung ein Form von Ungewissheit und Unglauben und natürlich Wut über die Monopolisten der Macht. M.f.G.