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Die Technik pusht, doch der Leser kuscht nicht immer

Impulsreferat von Rose Leighton (HvA) (Foto: ah117)
Impulsreferat von Rose Leighton (HvA) (Foto: ah117)
Aufmerksame Zughörer bei Vorträgen und Diskussionrunde (Foto: ah117)
Aufmerksame Zughörer bei Vorträgen und Diskussionrunde (Foto: ah117)
Impulsreferat von Reintje Gianotten (HvA) (Foto: ah117)
Impulsreferat von Reintje Gianotten (HvA) (Foto: ah117)

Im Rahmen des Projekts der Hogeschool van Amsterdam (HvA) und der Hochschule der Medien (HdM) diskutierten die Teilnehmer aktuelle Entwicklungen des deutschen und niederländischen Buchmarkts. Mehrere Kurzreferate thematisierten zu Beginn verschiedene Herausforderungen in der Buchbranche und dienten als Impulse für das spätere Interview.

Prof. Ulrich Huse (HdM) leitete mit einem Rückblick auf die bisherige Entwicklung der Buchbranche ein und veranschaulichte die Bedeutung des Buchs als Wirtschafts- und Kulturgut, das bereits in der Vergangenheit Krisen überstehen musste. Mit eindrucksvollen Zahlen belegte er den Strukturwandel, in dem sich der Buchmarkt gegenwärtig befindet. Eine neue Herausforderung für die Verlage sei nicht nur das E-Book, sondern auch die Tatsache, dass Selfpublishing in Zukunft an Bedeutung gewinnen werde.

Daran knüpfte Reintje Gianotten (HvA) in ihrem Vortrag über »Branding in Book Business« an: Beispielhaft verglich sie die Positionierung zweier niederländischer Gegenwartsautoren miteinander – die traditionellen Brandingmaßnahmen von Thomas Rosenboom mit dem modernen, marketingorientierten Vorgehen von Kluun. Verlage müssten akzeptieren, dass sich die Leser nicht an der Marke des Verlags, sondern in erster Linie am Namen des Autors orientierten. Das Branding erfolge also nicht durch die Corporate Identity des Verlags, sondern ausschließlich über die Person des Schriftstellers. Als Besonderheit des niederländischen Buchmarkts stellte die HvA-Lektorin das Genre des literarischen Thrillers vor, das – anders als klassische Thriller – vorwiegend weibliche Leser anspricht. Dies sei ein Beispiel dafür, dass sich der Markt und der Begriff ›Literatur‹ ständig verändern.

 

Nicht jeder ›Push‹ ein Treffer

Im Anschluss daran referierte Prof. Dr. Okke Schlüter (HdM) über zukünftige digitale Geschäftsmodelle in der Verlagsbranche. Er verwies darauf, dass nicht jede technische Neuheit auch am Markt erfolgreich sei, vielmehr muss immer beachtet werden, nach welchen Fortschritten der Markt verlange. Eine große Barriere im Bereich elektronischer Innovationen  stelle die intuitive Bedienbarkeit und Benutzerfreundlichkeit dar, zum Beispiel bei E-Readern. Bei ihnen handele es sich um einen sogenannten Technology Push: Diese Neuerung wurde nicht aufgrund von Leserbedürfnissen hervorgebracht, sondern durch die Produzenten eingeführt. Die Zahlungsbereitschaft für elektronische Inhalte ist allerdings noch nicht gegeben und auch Buchhändler engagieren sich nur vorsichtig in dieser neuen Technologie.

Zum Abschluss sprach Rose Leighton (HvA) über die Zukunft des Buchs. In ihrem Vortrag erläuterte sie, warum E-Books einen logischen Schritt in der Entwicklung darstellen, die elektronischen Produkte das gedruckte Buch aber ebenso wenig verschwinden lassen werden, wie auch die Kerzen durch die Erfindung der Elektrizität nicht aus dem Leben der Menschen verschwunden sind. Die Vorträge der vier Dozenten bestätigten den Eindruck, dass der Siegeszug des E-Books auf dem deutschen wie auch auf dem niederländischen Markt noch einige Hürden zu überwinden habe. Schwierigkeiten treten beispielsweise bei der Wahl des Formats oder den Regelungen bezüglich des Mehrwertsteuersatzes auf.

 

Ungewissheit auch auf dem niederländischen Buchmarkt

Um den niederländischen Buchmarkt noch detaillierter und genauer kennen zu lernen, folgte auf die vier Kurzreferate ein Interview mit Rose Leighton und Reintje Gianotten, moderiert von den deutschen Studierenden Kathrin Hardock und Nadine Kötel. Dabei wurden vor allem Themen wie die generelle Stimmung am niederländischen Markt, die Entwicklung der Umsatzzahlen und die zunehmende Unsicherheit der niederländischen Buchhändler angesprochen. Der Konzentrationsprozess werde mittlerweile auch von den Konsumenten wahrgenommen, besonders nach der Insolvenz des großen niederländischen Filialisten Selexyz. Der zunehmende Onlinevertrieb ist ein Grund für diese Situation. Ein charakteristisches Merkmal der niederländischen Vertriebswege stellt das Centraal Boekhuis dar, über das alle Bestellungen abgewickelt werden: Dieses ›Lager‹ gehört den Sortimentsbuchhändlern und den Verlagen und erfüllt die gleichen Funktionen wie der deutsche Zwischenbuchhandel (Verlagsauslieferungen und Barsortimente).

Alles in allem ist die Situation am niederländischen Buchmarkt durchaus mit der des deutschen Markts vergleichbar, auch wenn es sich um unterschiedliche Dimensionen handelt. (10.6.2012; ts111 und js194)

16. August 2012