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Nation Brand Luxemburg

Wie sich das Großherzogtum diskursiv neu erfinden möchte

In seiner Ausgabe vom 29. Januar 2016 widmet sich das 'Lëtzebuerger Journal' in einem Schwerpunkt dem Nation Branding Luxemburgs (Foto/Bearbeitung: Oliver Zöllner)
In seiner Ausgabe vom 29. Januar 2016 widmet sich das 'Lëtzebuerger Journal' in einem Schwerpunkt dem Nation Branding Luxemburgs (Foto/Bearbeitung: Oliver Zöllner)

Luxemburg: Da denken die meisten Europäer sicher an die "LuxLeaks"-Affäre um Steuervorteile für Großkonzerne, an "Monsieur Europe" Jean-Claude Juncker, vielleicht noch an RTL (Radio-Télé Luxembourg), an die Starköchin Léa Linster oder das Örtchen Schengen, das symbolisch für die Abschaffung von Binnengrenzen steht – aber darüber hinaus? Was ist Luxemburg? Für welche Werte steht es? Wo liegt eigentlich dieses kleine Großherzogtum mit dem charmanten moselfränkischen Dialekt? Und wie ist der typische Luxemburger? 2013 hat die luxemburgische Regierung ein Kommittee für ein neues Nation-Branding-Konzept gegründet. Das Ziel ist, im Dialog mit den relevanten Stakeholdern des Landes – Regierung, Industrie, Bevölkerung, großherzoglicher Hof u.a. – ein neues Selbstverständnis und auf dessen Grundlage ein Kommunikationskonzept für Luxemburg zu entwickeln. Diese entstehende "Nation Brand" soll dabei mehr sein als bloß eine Marke: Ein Land ist schließlich kein Konsumprodukt, zu dessen Verkaufsargumenten man eine Story kreieren kann. Es geht auch um mehr als nur Vorteile im globalen Wettbewerb der Länder um Investitionen, Touristen und qualifizierte Einwanderer. Vielmehr müssen sich in einer Kommunikationsstrategie die Werte und Eigenschaften des Staates und seiner Bewohner glaubwürdig widerspiegeln. Luxemburg setzt dabei auf drei maßgebliche Werte: Zuverlässigkeit, Dynamik und Offenheit. In mehreren Phasen wurde und wird im Großherzogtum seit 2015 an der Implementierung des Konzepts gearbeitet. Eine Etappe im diskursiven Nation-Branding-Prozess ist ein offener "Créathon" im März 2016, an dem jeder Luxemburger mit eigenen Eingaben teilnehmen kann.

Der Chefedakteur der Luxemburger Tageszeitung "Lëtzebuerger Journal", Claude Karger, hat dies zum Anlass genommen, HdM-Professor Oliver Zöllner zu seiner Einschätzung des Luxemburger Vorgehens zu interviewen. Zöllner macht deutlich, dass es seiner Einschätzung nach keine Alternative zum gewählten partizipativen Prozess mit starker Einbindung der Bevölkerung gibt. "Eine Marke von oben herab zu definieren würde zwangsläufig zu einer Entfremdung führen", so Zöllner. Wichtig sei, "dass die Bevölkerung die Werte auch lebt, die sie mit definiert und die vor allem auch glaubwürdig belegt werden müssen." Von daher sei der Reflexionsprozess über die eigene luxemburgische Identität und die gemeinsamen Werte, in dem Luxemburg sich nun befindet, "ausgesprochen wichtig." Dies ist ein Plädoyer für einen Bottom-up- oder "Graswurzel"-Prozess. Von oben herab verordnete, artifizielle Markenwerte oder -narrative erweisen sich zumeist als kontraproduktiv. Als kleines Land hat Luxemburg die Chance, die Bevölkerung in die Neuerfindung der eigenen kollektiven Identität prozessual einzubinden – und macht "Nation Branding" damit auch teilweise zum "Nation Building". Das althergebrachte, konservative luxemburgische Motto "Mir wëlle bleiwe, wat mir sin" (Wir wollen bleiben, was wir sind) wird dabei sicher einer Revision unterzogen werden. Es ist spannend, diese Entwicklung im Nachbarland zu beobachten.

Prof. Dr. Oliver Zöllner lehrt an der Hochschule der Medien in Stuttgart regelmäßig einen Masterkurs mit dem Titel "Public Diplomacy and Nation Branding".

Das Interview: "Wichtig ist, dass die Bevölkerung die Werte auch lebt". Ein Gespräch mit dem "Nation Branding"-Forscher Oliver Zöllner [Interview: Claude Karger]. In: Lëtzebuerger Journal (Luxembourg), 68. Jahrg. (29.1.), S. 5.

 



Autoren

Name:
Prof. Dr. Oliver Zöllner  Elektronische Visitenkarte
Forschungsgebiet:
Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
Funktion:
Professor
Lehrgebiet:
Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
Studiengang:
Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
Fakultät:
Fakultät Electronic Media
Raum:
216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
Telefon:
0711 8923-2281
Telefax:
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E-Mail:
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