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Europawahl 2019

Wie werden Medien für Wahlen eingesetzt?

Ende Mai dieses Jahres dürfen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union zum neunten Mal das Europäische Parlament wählen. Über die Grenzen des eigenen Heimatlandes hinaus findet europäische Politik für die meisten Wähler jedoch zwangsweise in den Medien statt. Die Massenmedien bestimmen, worüber diskutiert wird. Zwischen Fernsehdebatten, Wahlplakaten und dem Wahl-O-Mat – welchen Einfluss haben Medien auf Wahlen?

Ob Medien Wahlen beeinflussen, darüber streiten sich die Forscher (Quelle: Unsplash)

Ob Medien Wahlen beeinflussen, darüber streiten sich die Forscher (Quelle: Unsplash)

Wir schreiben das Jahr 1961, als John F. Kennedy und Richard Nixon sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die 35. Präsidentschaft der Vereinigten Staaten von Amerika lieferten. Es gehört zu den Legenden der Wahlkampfgeschichte, dass sich die Wahl in diesem Jahr über ein neues Medium, das Fernsehen, entschieden habe. Zu Beginn der 1960er Jahre verfügten bereits ungefähr 50 Millionen amerikanische Haushalte - also knapp ein Viertel aller US-Amerikaner - über einen Fernseher. Bei der Übertragung der ersten Debatte zwischen Kennedy und Nixon habe Nixons Bartschatten einen schlechten Eindruck hinterlassen, hieß es damals. Seine bleiche Haut habe ihm ebenfalls nicht gut zu Gesicht gestanden. Kennedy auf der anderen Seite habe sportlich und jugendlich ausgesehen. Fernsehzuschauer hielten also Kennedy für den Sieger der Debatte, während Zuhörer aus dem Radio Nixon favorisierten. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts fanden die ersten Wahlkämpfe über die modernen Massenmedien statt und Regierungsapparate bedienten sich immer mehr der Sendemedien. 

Die Rolle der Massenmedien

Im Jahre 2019 zählt nicht nur das Fernsehen zu den Kanälen, über die Wahlkampf gemacht werden kann. Denn die Massenmedien, das Internet und die Werbemedien der Parteien bieten den Wählern Informationen und Argumente, anhand derer sie sich eine Meinung bilden können. Mit den sozialen Medien wächst von Wahl zu Wahl die Zahl der Bürger, die sich im Wahlkampf den neuen Medien zuwenden. Politische Bildung so kurz vor den Wahlen erfolgt also nicht mehr nur über das Fernsehen, sondern auch über verschiedene Online-Angebote.

"Kommunikation ist unwahrscheinlich", lautet ein oft genutztes Zitat des Soziologen Niklas Luhmann. Erfolgreiche Kommunikation durchläuft mehrere Stufen, in denen Informationen selektiert werden. Geschieht das nicht, schlägt die Kommunikation fehl. Dass die Wähler die Quellen nutzen, ist zwar eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation. Das sagt aber noch nichts darüber aus, welche Inhalte die Wähler verarbeiten und wie sie darauf reagieren.

Der persönliche Austausch mit Familienangehörigen oder im Freundeskreis ist keine Nebensächlichkeit für die Meinungsbildung. Alles, was die meisten Menschen über die Politiker zu wissen glauben, gründet in Gesprächen oder der Darstellung in den Massenmedien. Die Informationen werden durch die Brille der eigenen Werte wahrgenommen. Während die Wissenschaft noch über die politische und die öffentliche Wirkung von Medien und Wahlforschung streitet, haben sich die PR-Abteilungen der Parteien längst auf die Wahlkämpfe in den Medien eingestellt. Trotz der kontroversen Diskussion über den Zusammenhang zwischen Medien und Wahlverhalten liegen einige Tatsachen vor: Die Massenmedien bestimmen, über was wann diskutiert wird. Die Parteien versuchen deshalb, in der Wahlkampfzeit ihre Anliegen in die Medien, und vor allem die Agenturen und Leitmedien zu bringen. Dabei nützt es den Parteien, wenn es genau die Themen sind, bei denen sie einen Vertrauensvorsprung bei den Wählern genießen. Das heißt, es herrscht eine Themenlücke oder ein Defizit - was in den Medien nicht thematisiert wird, kann also auch nicht wirken. 

Mediengarant Wahl-O-Mat

Die Bundeszentrale für politische Bildung unterhält vor jeder größeren Wahl seit 2002 den sogenannten Wahl-O-Mat. In diesem Tool können sich Nutzer durch verschiedene Thesen aus dem Bereich der Politik klicken und am Ende einsehen, welche Partei der eigenen Meinung am meisten entspricht. Seit der Einführung hat der "Wahlautomat" eine rasante Entwicklung erlebt. Von anfangs 3,6 Millionen Zugriffen hat sich die Zahl zur letzten Bundestagswahl verfünffacht: Rund ein Viertel aller Wahlberechtigten in Deutschland klickt durch die Aussagen. Jedoch spricht der Wahl-O-Mat größtenteils Bürger an, die sich ohnehin schon politisch interessieren. Einer Umfrage der Universität Düsseldorf zufolge ist es eher unwahrscheinlich, dass sich der Nutzer nach dem Durchklicken der Fragen für eine andere Partei als zuvor entscheidet. Deutliche Auswirkungen gibt es woanders: Die Anwendung reduziert augenscheinlich die Zahl der Nichtwähler. Bis zu zehn Prozent der Nutzer haben in Befragungen angegeben, dass der Wahl-O-Mat sie motiviert habe, zur Wahl zu gehen. Mehr als zwei Drittel der Nutzer geben an, dass sie hinterher mit Freunden, Verwandten und Kollegen über ihre Ergebnisse redeten - das Medium regt die Diskussion an.

Quellen:
Medien und Wahlen, Winfried Schulz (Springer VS, 2015),           
Süddeutsche Zeitung
Bundeszentrale für politische Bildung

Christopher Müller

VERÖFFENTLICHT AM

08. Mai 2019

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