Vom Zufall zur Lebensaufgabe
Vom Zufall zur Lebensaufgabe
Nach fast zwei Jahrzehnten als Rektor der Stuttgarter Hochschule der Medien (HdM) verabschiedet sich Prof. Dr. Alexander W. Roos in den Ruhestand. Er hat die HdM seit November 2006 geprägt - mit seinem Weitblick, seiner Gestaltungsfreude und der tiefen Überzeugung, dass eine Hochschule vom Miteinander lebt und von der Bereitschaft, sich zu verändern. Am 23. Oktober 2025 verabschiedet die HdM ihren langjährigen Rektor mit einer persönlichen Feierstunde.
Wenn Prof. Dr. Alexander W. Roos über die HdM spricht, dann immer im „Wir“. Das „Ich“ sucht man in seinen Worten vergeblich. „Ich habe versucht, Prozesse zu unterstützen. Aber wenn man keine engagierten Leute an seiner Seite hat, die das auch wollen, passiert gar nichts“, sagt er. Heute, fast zwanzig Jahre später, blickt er auf eine Zeit zurück, in der die HdM zusammengewachsen, gereift und sichtbar geworden ist – in Stuttgart und weit darüber hinaus.
Vom Zufall zur Berufung
Dass Roos an die HdM kam, war erstmal nicht geplant. Ursprünglich war er auf einem ganz anderen Kurs: Als Forschungs- und Projektleiter am Fraunhofer-Institut hatte er zahlreiche Forschungsideen. Doch eine zufällige Begegnung und ein Rat seiner Frau führten ihn zum Lehrauftrag an die HdM. Kurz darauf bewarb er sich auf eine Professur und wurde 1997 zum Professor für den Studiengang Wirtschaftsinformatik und digitale Medien (ehemals Informationsmanagement) berufen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich Professor werde“, erinnert er sich. Er promovierte an der Universität Stuttgart, wo er zuvor technisch orientierte Betriebswirtschaftslehre studiert hatte. 2002 wurde er Prorektor der HdM und 2006 schließlich ihr Rektor. Zweimal wurde er in den folgenden Jahren wiedergewählt. Was mit einem Zufall begann, wurde zur Berufung und später zur Lebensaufgabe.
Vom Fusionsprodukt zur echten Hochschule
Als Roos sein Amt übernahm, war die HdM noch im Zusammenwachsen. Zwei Hochschulen mussten nach ihrer Fusion im Jahr 2001 eine gemeinsame Identität finden: die für Druck und Medien sowie die für Bibliotheks- und Informationswesen. „Wir sind mit zwei Hochschulen gestartet und zu einer echten gereift, auf einem gemeinsamen Campus“, sagt Roos rückblickend. Er stärkte die Forschung, förderte die Internationalisierung und legte Wert auf Gründungskultur. Themen, die heute selbstverständlich klingen, mussten damals erkämpft werden. „Ganz am Anfang waren nicht alle überzeugt, dass diese Themen zu uns gehören“, erinnert er sich. „Aber in meinen Augen sind das konstituierende Merkmale einer Hochschule“, so Roos.
Forschen mit Wirkung
Eine Hochschule lebt von Forschung. Diesen Anspruch lebte Roos vor. Er initiierte Forschungsthemen, engagierte sich international und pflegte enge Kontakte, unter anderem zur Technischen Universität Xi’an in China und zur University of the West of Scottland in Glasgow, wo er auch als Zweitbetreuer für Promotionsvorhaben tätig war. „Wenn wir nicht aktiv nach Neuem suchen, können wir keine guten Vorlesungen halten“, erklärt er. Diese Haltung prägt die HdM bis heute. Die HdM forscht heute zu nachhaltige Verpackungen, zu KI-Tools zur Dokumentenprüfung in Landeskriminalämtern oder zu Medieninnovationen – Roos’ Vision war es, das Know-how der HdM über klassische Medien hinweg in die Gesellschaft zu tragen. „Wir haben einen Wert für diese Region, für dieses Land, der weit über Medien hinausgeht. Wir wissen etwas über die Kernthemen Medien und Digitalisierung - und wir können damit andere Branchen bei ihrem Wandel unterstützen“, sagt Roos.
Wachstum mit Augenmaß
Was er in der Forschung lebte, brachte er in die Leitung der Hochschule ein: den Willen, Neues zu wagen und Wissen in die Praxis umzusetzen. Unter Rektor Roos wuchs die HdM – in Studienangebot, Studierenden- und Mitarbeitendenzahl sowie in der internationalen Sichtbarkeit. Hochschulgebäude wurden gebaut und erweitert, Studios modernisiert, Labore ausgebaut. Doch wenn man Alexander W. Roos fragt, worauf er am meisten stolz ist, nennt er keine Zahlen. „Das Wichtigste ist, dass wir Kolleginnen und Kollegen hatten, auf die man sich verlassen konnte, dass wir einander vertrauen konnten und selbst schwierige Dinge gemeistert haben“, sagt er.
Aus dieser Haltung heraus verstand Roos Veränderung nie als Risiko, sondern als Chance zur Weiterentwicklung und die Voraussetzung für Beständigkeit. „Wenn wir Dinge erhalten wollen, müssen wir Dinge verändern“, betont er. Dieses Verständnis sowie das Vertrauen in seine Kolleginnen und Kollegen haben ihn während seiner Amtszeit motiviert.
Rückblickend auf seine Anfangszeit als Rektor räumt Roos ein, dass er sich manchmal mehr Geduld gewünscht hätte. „Ich war nicht immer besonders gelassen“, erzählt er. „Aber Organisationen haben eine eigene Geschwindigkeit. Man kann sie nicht schneller verändern, als sie bereit dafür sind. Manche Dinge brauchen Zeit, doch die Welt da draußen wartet nicht auf uns.“
Begegnungen, die bleiben
In den Jahren als Rektor suchte Roos Kontakte und den Austausch in vielen Ländern – von China bis Chile, von den USA bis Russland. Was bleibt, sind die Begegnungen. Er erzählt von einem Bären auf dem Campus und von Nächten in Studentenhotels ohne Türschlösser. „Ich genieße solche Dinge mehr als jedes Business-Hotel“, sagt er. „Menschen machen den Unterschied – überall.“
Seine Devise: Erst zuhören, dann urteilen. „Viele reisen durch die Welt und wissen schon, wie es besser geht. Aber versteht erst einmal, warum die Menschen so sind, wie sie sind.“
Ein neuer Lebensabschnitt
Am 31. Oktober 2025 endet seine Amtszeit als HdM-Rektor. Im Ruhestand freut sich Roos auf das, was lange zu kurz kam: Zeit. „Zum ersten Mal seit dem Studium bin ich Herr über meinen Kalender“, sagt er. Pläne gibt es viele – von handwerklichen Projekten in Haus und Garten bis zu Reisen mit seiner Frau. Was ihm fehlen wird, weiß er genau: „Die Menschen. Das Miteinander hier war einfach besonders.“
Zum Abschied richtet Roos noch einen Wunsch an seine Hochschule: „Ich wünsche mir einfach, dass die HdM genauso veränderungsbereit bleibt. Dann wird sie auch in Zukunft erfolgreich sein.“
Sein Amt übergibt Prof. Dr. Alexander W. Roos zum 1. November 2025 an seinen bereits gewählten Nachfolger Prof. Dr. Boris Alexander Kühnle.
Kurzvita
Prof. Dr. Alexander W. Roos wurde 1962 in Ebersbach/Fils geboren und studierte technisch orientierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart, bevor er dort 1998 promovierte. Nach seiner Tätigkeit als Controller bei der Robert Bosch GmbH arbeitete er am Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb der Universität Stuttgart und leitete Forschungsprojekte am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, wo er 1995 zum Leiter der Forschungsgruppe „Informationsmanagement“ wurde. 1997 folgte er dem Ruf an die Hochschule der Medien Stuttgart auf eine Professur für Informationsmanagement.
Er wirkte in der Hochschulselbstverwaltung als Senats- und Hochschulratsmitglied sowie als Prodekan und Studiengangsleiter mit und wurde im Jahr 2002 zum Prorektor berufen. Roos war für die Neubauplanung zuständig und kümmerte sich neben Controlling- und IT-Themen auch um die Integration im Anschluss an die Hochschulfusion.
Roos ist Autor und Co-Autor von zahlreichen Publikationen und pflegte seine Kontakte zu ausländischen Partnern der Hochschule.