Qualitätssicherung in grafischen Industrie
Nur zwei von drei deutschen Druckbetrieben
streben mit Qualitätssicherungsmaßnahmen eine »Null-Fehler-Produktion«
an. Dies hat eine Kurzstudie von Studenten der Stuttgarter Hochschule
der Medien (HDM) zum Thema »Qualitätssicherung in der grafischen
Industrie« aufgezeigt. Im Rahmen ihrer Projektarbeit zum Praktikum
»Prozessoptimierung und Simulation« führte die Gruppe eine
Online-Unternehmensbefragung zum Thema Qualitätssicherungsmethoden im
Printprozess« durch. 175 der 2 082 befragten Unternehmen der grafischen
Industrie hatten geantwortet (Rücklaufquote von 8,4%). Der Fragebogen
war in die Bereiche »Allgemeine Angaben zum Unternehmen«, »Fragen zur
Qualitätssicherung« und Fragen zur Zertifizierung« unterteilt gewesen.GRÜNDE FÜR QS. Da sich die Märkte und Produkte in den letzten Jahren stark gewandelt haben ist Qualitätssicherung entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens geworden. Folgende Veränderungen konnten dabei festgestellt werden:
■ höhere Turbulenzen: Kundenanforderungen an das Unternehmen ändern sich schnell.
■
verschärfte Sicherheitsbestimmungen; Beispiel Produkthaftung: Bei der
Produkthaftung handelt es sich um eine gesetzliche Haftung die keine
Vertragsbeziehungen zwischen den Beteiligten voraussetzt. Werden
fehlerhafte Produkte geliefert, die Schäden an Sachen und Verletzungen
bei Personen (Verpackungsdruck im Lebensmittelbereich) hervorrufen,
wird das Produkthaftungsgesetz angewandt. Dadurch können für das
Unternehmen hohe finanzielle Aufwendungen
sowie erhebliche Imageverluste entstehen.
■
zunehmende Nachweisforderungen der Qualitätssicherung: Zertifizierung
als Nachweis für den Kunden, dass Qualitätssicherung betrieben wird.
■ Umweltverträglichkeit und Entsorgung; Beispiel Recyclingsysteme für Druckfarbenbehälter: (Rücknahme leerer Druckfarbenbehälter
durch BASF), Verpflichtung zur Teilnahme an Recyclingsystemen durch Zertifizierung > umweltfreundliches Image beim Kunden
■
steigende Kundenerwartungen: Kundenerwarten von den Produkten eine hohe
Zuverlässigkeit (geringe Fehlproduktion) und eine lange
Produktlebensdauer (z.B. Klebebindungen)
■ komplexerer
Produktaufbau; Beispiel Imagebroschüren: Immer aufwendigere
Ausgestaltung der Druckprodukte und damit auch höhere
Qualitätsanforderung
■ steigende Digitalisierung: Durch Aussterben
der traditionellen Belichtung mit Film und der Verbreitung der
CtP-Technik wird Schulung der Mitarbeiter zur Qualitätssicherung immer
wichtiger.
■ Imageaufwertung: Durch Qualitätssicherungs-Maßnahmen Förderung von Vertrauen und Kompetenz gegenüber dem Kunden
BEFRAGTE
UNTERNEHMEN. Um die Unternehmen größenmäßig einordnen zu können wurde
zuerst nach der Anzahl der Mitarbeiter gefragt. Dabei ergab sich, dass
43% der befragten Unternehmen unter zehn Mitarbeiter beschäftigen. 31%
der Unternehmen die an der Umfrage teilnahmen, haben einen
Mitarbeiterstamm von unter 30 Mitarbeitern. Unsere Umfrage bestätigte
das für die Druckindustrie als charakteristisch geltende Bild, dass
sehr wenige Unternehmen mit einer hohen Mitarbeiterzahl existieren,
insofern dass nur 12% der befragten Unternehmen mehr als 100
Mitarbeiter beschäftigen. Eine Anzahl von weniger als 60 Mitarbeitern
gaben 9% der befragten Unternehmen an. 5% der Unternehmen haben eine
Mitarbeiteranzahl von unter 100 Mitarbeitern. Die Unternehmen wurden
nach ihren Tätigkeitsbereichen gefragt, wobei Mehrfachnennungen
möglich waren. Besonders auffällig ist, dass über 80% der befragten
Unternehmen im Bereich des Bogenoffsetdrucks
tätig sind. Über 70%
der Unternehmen besitzen eine eigene Druckvorstufe, knapp 70% eine
eigene Druckweiterverarbeitung oder sind ausschließlich in diesen
Bereichen tätig. Im Mittelfeld mit annähernd 40% befinden sich
Digitaldruck- und Full-Service-Unternehmen. Rollenoffsetdruck wird von
ca. 11% der befrageten Unternehmen angeboten, deutlich weniger als 10%
der Unternehmen sind im Bereich Tief-, Sieb- und Flexodruck tätig.
ANGEWANDTE
MASSNAHMEN. Auf die Frage, ob die Unternehmen
Qualitätssicherungsmaßnahmen im Sinne einer Null-Fehler-Produktion
durchführen, antworteten 66,5 % mit ja« und 33,5 % mit nein«.
Auffällig war ebenfalls, dass der Einsatz von
Qualitätssicherungsmaßnahmen offensichtlich mit der Größe der
Unternehmen zusamenhängt: 65 % der Unternehmen mit unter 10
Mitarbeitern und 85 % der Unternehmen mit über 100 Mitarbeitern führen
diese durch. Es ist deutlich erkennbar, dass über 2/3 der befragten
Unternehmen Mitarbeitereinbindung als Maßnahme zur Qualitätssicherung
einsetzen. Die Maßnahme Ursachenanalyse findet bei annähernd 55% der
befragten Unternehmen Anwendung. In etwa die Hälfte der befragten
Unternehmen setzen die sofortige Fehlerbehebung sowie die 100%-Prüfung
als Qualitätssicherungsmaßnahme in ihrem Unternehmen ein. Eine
Visualisierung der Qualitätsdaten für alle Mitarbeiter und die
Deligierung eines QS-Beauftragten
finden kaum Einsatz in den Unternehmen.
WERKZEUGE UND METHODEN. Signifikant ist , dass fast die Hälfte der befragten Unternehmen den Prüfbogen als bevorzugtes Werkzeug einsetzen. Alle anderen Werkzeuge zur Qualitätssicherung, wie Qualitätsregelkarte, Fluss-, Ursache-Wirkungs-Diagramm, Histogramm, Pareto- und Streudiagramm, sind weit abgeschlagen. Auffällig ist die deutliche Diskrepanz zwischen den übergreifenden Qualitätssicherungsmethoden Statistical Process Control und dem Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, der in der Praxis sehr weit verbreitet ist. KVP kommt bei knapp 50% der befragten Unternehmen zum Einsatz. SPC findet nur bei 5% der Unternehmen Anwendung. Über ein Drittel der befragten Unternehmen setzt Total Productive Maintanance und das betriebliche Vorschlagswesen als übergreifende Qualitätssicherungsmethode ein. Der Qualitätssicherungszirkel und die Fehlersammelkarte werden in der Praxis bei ca. 20% der Unternehmen angewandt.
KONKRETE QS-MÖGLICHKEITEN. Über 70 % der befragten Unternehmen greifen auf die Möglichkeiten der Standbogenkontrolle, der densitometrischen Messung, der Passerkontrolle und der des Proofs zur Qualitätssicherung zurück. Ca. zwei Drittel der Unternehmen, die an der Umfrage teilnahmen, setzen eine periodische Überprüfung der Ausgabequalität, fortwährende Überprüfung der Druckformen sowie Prozesskontrollstreifen ein. Ebenfalls auffällig ist, dass fast 50 % kein Color Management einsetzen. Spektralfotometrische Messungen kommen in der Praxis bei ca. 27% der befragten Unternehmen zur Anwendung.Moderne Systeme, wie Workflow-Management Systeme, finden nur bei 20 % Anwendung. Weit abgeschlagen bei nur ca. 8% befindet sich der Einsatz von Bildanalysegeräten. Anzumerken ist, dass Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern zu 44 % und Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern zu 90 % mit Color Management arbeiten.
ZERTIFIZIERUNG. Von den
befragten Unternehmen gaben 12,5% an, dass sie eine Zertifizierung nach
DIN EN ISO 9000 besitzen und 35,5 % planen dies. 52 % sind
nicht
zertifiziert und streben dies auch nicht an. 25% der Unternehmen, die
Qualitätssicherungsmaßnahmen im Sinne einer Null- Fehler-Produktion
durchführen sind auch zertifiziert. Besonders hervorzuheben ist, dass
nur 2,6% der Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern, aber 55% der
Unternehmen mit über 100 Mitarbeitern eine Zertifizierung besitzen.
Lediglich 3,4% aller befragter Unternehmen haben eine weitere/andere
Zertifizierung. Der Zeitraum zur Erlangung der Zertifizierung lag bei
mehr als zwei Drittel der Unternehmen bei über sechs Monaten, wobei 35%
länger und 27% bis zu einem Jahr dazu benötigten. 25% erhielten die
Zertifizierung innerhalb von drei Monaten, bei 13% lag der Zeitraum bei
bis zu sechs Monaten.
ZERTIFIZIERUNGS-NUTZEN. Fast 70 % der
befragten Unternehmen sehen den Nutzen der durch die Zertifizierung
entsteht im mittleren bis hohen Bereich, wobei 38% diesen als hoch und
29% diesen als mittel einstufen. Als gering schätzen den Nutzen 21% der
befragten Unternehmen ein. Jeweils 6% beurteilen den Nutzen durch die
Zertifizierung als sehr hoch oder sehen gar keinen Nutzen.
VORTEILE.
Signifikant ist, dass der wirtschaftliche Aspekt der Senkung der
Fehlerkosten bei einem Drittel aller befragten Unternehmen als Vorteil
gilt. Ungefähr 30% sehen in der Erhöhung der Kundenzufriedenheit,
der Kundenbindung, in der Transparenz der Abläufe und der Erhöhung der
Qualität einen Vorteil. 26% sehen eine Verringerung der Kosten durch
die Zertifizierung als vorteilhaft an. Knapp über 22% erkennen in dem
Einsatz als Marketing-Instrument, dem Wettbewerbsvorteil, der
Verbesserung der Kommunikation und der selteneren Qualiätseinbrüche
einen Vorteil. Besonders auffällig ist, dass die Erhöhung der
Mitarbeiterzufriedenheit nur bei etwa 19% aller befragten Unternehmen
als positiver Aspekt durch die Zertifizierung gilt.
Originalartikel
"Qualitätssicherung in der grafischen Industrie" , Deutscher Drucker Nr. 2, 27.1.2005
Autoren: Alexandra Schmiegel, Stefanie Lunz, Daniela Werner, Prof. Klaus Thaler