Inklusiv, chancen- und bedarfsgerecht: SHUFFLE entwickelt Maßnahmen für digitale Hochschule der Zukunft
Das IDE beteiligt sich am Inklusionsprojekts SHUFFLE, das vom Kompetenzzentrum für Digitale Barrierefreiheit der HdM geleitet wird. Die Aufgabe: die ethische und datenschutzrechtliche Beratung der Verbundpartner bei deren Entwicklung von technischen Maßnahmen, die Studierenden mit individuellen Bedarfen eine chancengerechte Teilhabe an digitaler Lehre ermöglichen sollen.
Inklusion ist ein Menschenrecht – deren Herstellung und Absicherung eine öffentliche Aufgabe. Obwohl gesetzlich gefordert und politisch gefördert sehen sich Menschen mit individuellen Bedarfen in ihrer sozialen Umgebung allerdings nach wie vor mit strukturellen Benachteiligungen konfrontiert, die intersektional weitere Nachteilsketten nach sich ziehen können, speziell auch im Bereich Ausbildung, Beruf oder Studium.
Menschen mit individuellen Bedarfen durchleben teils prägende Diskriminierungs-, Stigmatisierungs-, Marginalisierungs- und letzthin Ausgrenzungserfahrungen und müssen noch immer größtenteils gesellschaftlich konstruierte Barrieren überwinden, um überhaupt am öffentlichen Leben teilhaben zu können – das gilt selbstredend auch für Bildungseinrichtungen.
Dem Abbau solcher Barrieren respektive der Vision von digitaler Barrierefreiheit und universeller Chancengleichheit im Kontext einer diversen Hochschule widmet sich das Verbundprojekt SHUFFLE, das vom Kompetenzzentrums für Digitale Barrierefreiheit (KDB) an der Hochschule der Medien Stuttgart unter Federführung von Fachleiter Prof. Dr. Gottfried Zimmermann geleitet und von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre (Hamburg) seit August 2021 mit rund drei Millionen Euro gefördert wird.
IDE übernimmt ethisches Teilprojekt
Auch das Institut für Digitale Ethik (IDE) – um dessen Leitungsmitglieder Prof. Dr. Petra Grimm (ethische Beratung) und Prof. Dr. Tobias O. Keber (datenschutzrechtliche Beratung), sowie Projektmitarbeiter Marcel Schlegel (Koordination des Teilprojekts) – bringt im Zuge eines verbundübergreifenden Teilprojekts seine Expertise in das Projekt „Hochschul-Initiative Digitale Barrierefreiheit für Alle“ ein. Die weitgefasste Aufgabe: die ethische und datenschutzrechtliche Betreuung, Beratung und Evaluierung der Verbundpartner bei deren Umsetzung inklusionsfördernder technischer Maßnahmen.
Konkret werden von HdM/KDB, sowie von der Universität Bielefeld und den Pädagogischen Hochschulen aus Freiburg und Heidelberg technische bzw. digitale Maßnahmen für Online- und Hybridveranstaltungen entworfen und entsprechende Metriken in einem Reifegradmodell zusammengefasst. U. a. ist bspw. die Entwicklung einer Anwendung geplant, die Lehrveranstaltungen bzw. Lehrmaterial automatisiert untertitelt, in Gebärdensprache übersetzt oder mit Audiodeskriptionen versieht.
Die digitalen inklusiven Anwendungen adressieren einerseits Studierende mit individuellen Bedarfen (SmiB); diese werden am Prozess auch explizit beteiligt. Andererseits richten sich die Projektmaßnahmen auch an Hochschulangehörige. Denn: Eine barrierefreie digitale Lehre erfordert gerade von Lehrenden technische und didaktische Kompetenzen und initial ein Bewusstsein für die vielfältigen Bedarfe strukturell benachteiligter Hochschulzugehöriger. Entwickelt wird deshalb weiterhin eine digitale Qualifizierungs-, Sensibilisierungs- und Lern-Plattform, die über verschiedene Einschränkungen und Barrieren informiert, virtuelle Begegnungen mit SmiB als Expert:innen ermöglicht und so Lösungen aufzeigt. Auch hieran ist das IDE involviert; im besten Sinne Angewandter Ethik wird das Institut ein nachhaltiges ethisches Qualifizierungsprogramm sowie barrierefreie Materialien und Medien (z. B. Podcasts, Videos) entwerfen.
Lehren und Lernen in einer digitalen und universellen Umgebung
Damit folgt SHUFFLE dem inklusionsfördernden Ansatz des „Universal Design for Learning“ (UDL). UDL fokussiert sich nicht nur auf die Bedarfe von Lernenden mit Beeinträchtigungen, sondern argumentiert, dass zugängliche Lernmaterialien und -umgebungen am Ende allen Lernenden und Studierenden zugutekommen kommen und in Summe Teilhabe, Gleichberechtigung und Fairness fördern.
Bedarf wird dabei weit gefasst und umfasst neben körperlichen Behinderungen, Beeinträchtigungen oder Teilstörungen (z.B. Geh-, Sehbehinderungen, Gehörlosigkeit, usw.) auch chronische oder langfristige Krankheiten, weiterhin potenzielle soziale Marginalisierungstreiber wie Pflegeverantwortung, Herkunft, Gender, Sprachprobleme oder solche Bedarfe, die situativ auftreten (z.B. Prüfungsangst, Lärmempfindlichkeit uvm.).
Doch wo digitale Technologie auf eine Vielzahl an am Hochschulkontext beteiligter Anspruchs- und Bedarfsgruppen trifft, sind Interessens- und Wertediskrepanzen sowie ethische Konfliktlinien nicht auszuschließen. Und: Wo Barrieren auch gesellschaftlich konstruiert sind, müssen ethische, rechtliche und soziale Implikationen (z.B. Privatheit, Datenschutz, Diskriminierungsfreiheit, usw.) bereits im Designprozess bedacht werden. Nur so lässt sich eine wertebasierte Technikgestaltung gewährleisten und umgekehrt präventiv vermeiden, dass strukturelle Barrieren schon im Zuge des Entwicklungsprozesses sozusagen in eine neue Technologie bzw. Anwendungen „hineingeschrieben“ werden.
Abermals kommt hier das IDE ins Spiel: Im Sinne prozessorientierter Ansätze wie „Ethics By Design“, „Privacy By Design“ und „Values In Design“ begleitet das IDE das SHUFFLE-Projekt deshalb von dessen Start bis zu dessen Abschluss im Sommer 2024. So hilft das IDE anfangs bei der empirischen Ermittlung und ethisch begründeten Aushandlung der vielfältigen Bedarfe, Benachteiligungen und Werte mit und formuliert hiernach Leitlinien und Empfehlungen für die technische Umsetzung.
Im Sinne des Ethics by Design besteht ein übergreifendes Ziel dieses Projekts auch in einer nachhaltigen ethischen Bewusstseinsschärfung und der Entwicklung einer ethischen Haltung bei Technikfragen. Dabei berücksichtigt das IDE auch Diversitätsaspekte wie soziale Herkunft, soziale Lebenslage, Gender und Intersektionalität, die ebenfalls zu Barrieren werden und hiernach den Studienerfolg beeinflussen können.
Prof. Dr. Petra Grimm übernimmt im Laufe des Förderungszeitraums das ethische Screening und Monitoring; Prof. Dr. Tobias O. Keber prüft, ob im Verlauf der Arbeitsplanung bzw. -durchführung sowie in Bezug auf die Maßnahmenimplementierung datenschutzrechtliche Implikationen beachtet und potenzielle Gefahren ausgeschlossen wurden.
Weitere Informationen zu SHUFFLE lesen Sie hier:
www.hdm-stuttgart.de/view_news?ident=news20210528105949
stiftung-hochschullehre.de/projekt/shuffle/
Der Verbund wird von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert, die Bund und Länder im November 2020 auf den Weg brachten.