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Allgemeiner Teil
Globalisierung scheint am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts eines
der am häufigsten gebrauchten und oftmals auch missbrauchten
Schlagwörter zu sein. Allerorten beschäftigen sich Wissenschaftler,
Unternehmer, Journalisten und Politiker mit dem Ursachen und Auswirkungen
dieses Phänomens, und für manchen ist aus dem ehemaligen
Schlagwort wohl schon längst ein Reizwort geworden.
Bereits vor mehr als 30 Jahren hatte McLuhan die kommunikationstechnisch
über Massenmedien vernetzte Welt zum "global village"
erklärt, zum globalen Dorf also, in dem keine Handlung eines
Einzelnen mehr ohne Auswirkungen auf die anderen Bewohner dieser
zusammengerückten Weltgemeinschaft bleiben kann. Jeder ist
von den Entscheidungen der Anderen mit betroffen.
Die Vernetzung der Welt hat in den letzten Jahren gerade durch die
Etablierung des Internets als Vehikel der Massenkommunikation noch
drastisch zugenommen. Im Internet werden Grenzen, Entfernungen und
Zeitzonen obsolet, jeder Mensch kann theoretisch jederzeit mit jedem
anderen Menschen auf der Welt über das weltweite Datennetz
in Kontakt treten und direkt kommunizieren. Informationen können
ungehindert ausgetauscht werden, Medieninhalte sind weltweit verfügbar
und können von jedermann abgerufen werden, die Rollen von Produzent
und Konsument verwischen zunehmend. Aber nicht nur im virtuellen
Raum Internet ist die Welt enger zusammengerückt: Durch verbesserte
Verkehrswege und immer schnellere Transportmittel schrumpfen auch
die "realen" Entfernungen zwischen den Menschen zusehends.
Zudem hat das Ende des Kalten Krieges neue, auf Austausch basierende
Beziehungen zwischen Staaten entstehen lassen, die sich vormals
nur als Feinde gegenüber standen und sich gegen Kommunikation
mit der "anderen Seite" abschotteten.
Auf diesen Grundlagen ist der Prozess der Globalisierung in Gang
gekommen und entwickelt sich immer weiter, gewinnt sogar noch an
Tempo und Veränderungskraft. Auswirkungen der Globalisierung
können in fast allen Lebensbereichen festgestellt werden. Drei
der wichtigsten Dimensionen der Globalisierung sind aber wohl die
Globalisierung in der Ökonomie, die Globalisierung der Politik
und die kulturelle und gesellschaftliche Globalisierung.
Der Schwerpunkt bei der Betrachtung des Themas wird meist auf die
Auswirkungen im ökonomischen Bereich gelegt. Gerade in Bezug
auf die Entstehung einer neuen, liberalisierten Weltwirtschaftsordnung
hat sich das Phänomen der Globalisierung zu einem der brisantesten
Themen unserer Tage entwickelt. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen,
die sich immer wieder am Rande der Tagungen der Welthandelsorganisation
WTO und abspielen, mögen ein Beispiel sein für das enorme
Konfliktpotential dieses unumkehrbaren Prozesses der weltweiten
Vernetzung und damit verbundenen Neuordnung althergebrachter Strukturen
und Zusammenhänge in der Weltwirtschaft.
Doch gerade auch im kulturellen Bereich birgt das Zusammenwachsen
der Welt nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren. Das direkte Aufeinandertreffen
unterschiedlichster Kulturen verläuft nicht immer reibungslos
- es besteht noch großer Vermittlungsbedarf, um ein friedliches
Zusammenleben der Anhänger teilweise auch in Kernfragen deutlich
gegensätzlicher Weltanschauungen in Zukunft zu gewährleisten.
Besonders offensichtlich wird dieses Problem natürlich in den
Konflikten zwischen westlicher und islamischer Welt.
Diese Probleme des globalen Zusammenlebens zu lösen, wird eine
der Hauptaufgaben der Politik im Zeitalter der Globalisierung sein.
Das Interagieren über die Grenzen des eigenen Staates hinweg
wird die Politik der nächsten Jahrzehnte bestimmen, und die
Vermittlung zwischen den Eigeninteressen nicht nur einzelner Staaten,
sondern vor allem auch Staatengemeinschaften und ihrer jeweiligen
Bürger wird weiter an Bedeutung gewinnen.
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