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Nachrichten-Dürre

Und jährlich grüßt das Sommerloch?

Wenn plötzlich Tiere und kuriose Meldungen die Schlagzeilen dominieren, dagegen aber zum Beispiel die Sportberichterstattung geringer ausfällt, beginnt das mediale Sommerloch. Dieses beschreibt die nachrichtenarme Zeit im Sommer, meist in den Monaten Juni, Juli und August. Woher dieses Phänomen kommt, wie die Medien damit umgehen und welchen Einfluss das Corona-Virus auf das Sommerloch 2020 hatte, erklärt dieser Artikel.

Neben der Bundesliga herrscht auch im Bundestag eine längere Pause in der Sommerzeit.
Neben der Bundesliga herrscht auch im Bundestag eine längere Pause in der Sommerzeit.

Ein Synonym des Sommerlochs, nämlich der Begriff "Sauregurkenzeit" kam bereits im 18. Jahrhundert auf. Dabei wurde ein Zeitraum beschrieben, in dem Lebensmittel knapp waren und man gegebenenfalls auf Eingelegtes, wie saure Gurken zurückgreifen musste. Der Begriff hat sich dann auch in der Sommer- und Ferienzeit etabliert, da zu dieser weniger los ist, als im Rest des Jahres. Übertragen auf den Journalismus ist damit die Knappheit der Nachrichtenlage, besonders in Sport, Politik und Kultur, gemeint. Diese lässt sich nicht nur auf Schul- und Betriebsferien zurückführen, sondern auf Pausen in den großen Institutionen. In diesem Jahr fällt beispielsweise die sitzungsfreie Zeit im Bundestag in den Zeitraum vom 10. Juli bis zum 2. September, das letzte Bundesligaspiel fand am 6. Juli statt und die neue Saison beginnt erst am 18. September. Auch Medienformate selbst sorgen für weniger Zündstoff: Beispielsweise setzen die Podcasts "Gemischtes Hack" und "Corona-Virus-Update" und TV-Shows wie der Tatort und die heute-Show oder Talkformate für eine bestimmte Zeit aus. Die Sommerpause hat sich längst etabliert.

Journalistische Erklärung des Sommerlochs

Durch die pausenbedingte niedriege Nachrichtenlage finden zur Zeit des Sommerloches auch Themen statt, die sonst nicht interessant oder wichtig sind, beziehungsweise einen geringen Nachrichtenwert aufweisen. Dass das Sommerloch tatsächlich existiert, konnte Christian Pohl im Jahr 2006 mit einer Diplomarbeit zu diesem Thema belegen. Er fand heraus, dass im Sommer anders und über Themen berichtet wird, die einen geringeren Nachrichtenwert aufweisen. Der Nachrichtenwert beruht auf der gleichnamigen Theorie, die beschreibt, ob oder wie berichtenswert ein Thema ist, und hängt von  Kriterien wie beispielsweise der Relevanz, der Nähe oder Kuriosität ab.

Die berühmt-berüchtigten Sommerlochtiere

Während des Sommerlochs sorgen Geschichten von Tieren meist für Schlagzeilen. Fotos: © Jennifer Kögel
Während des Sommerlochs sorgen Geschichten von Tieren meist für Schlagzeilen. Fotos: © Jennifer Kögel

Ein Beispiel für Themen, die es unter normalen Umständen wahrscheinlich nie in die Schlagzeilen schaffen würden, sind die Sommerlochtiere. Einem Videobeitrag von Walulis zufolge geschieht dies meistens in fünf Schritten: Zunächst wird eine dramatische Meldung verfasst, woraufhin die heroische Suche beginnt. Im Laufe der Zeit wird dann ein skurriler Anführer gewählt. In den letzten beiden Schritten folgen die Emotionalisierung sowie die Vermarktung des Themas. Das wohl bekannteste Sommerlochtier ist Nessie, das Monster aus Loch Ness, das im Frühling und Sommer 1933 zum ersten Mal Beachtung in der britischen Presse fand. Doch auch in Deutschland wurden in den letzten Jahren einige Tiere zu Sommerstars. Vor zwei Wochen machte ein Wildschwein auf sich aufmerksam, da es am Berliner Teufelssee die Tasche eines Badegastes samt Laptop schnappte. Allerdings war diese Geschichte in der Berichterstattung kleiner aufgemacht als die der Sommerlochtiere der vergangenen Jahre. Die Nachrichten im Sommerloch 2011 bestimmte Kuh Yvonne, die mit ihrer Flucht vor der Schlachtung für eine dreimonatige mediale Suchaktion sorgte und sogar in der internationalen Presse zum Thema wurde. Im Jahr 2013 biss eine Alligator-Schildkröte ein Kleinkind und wurde gelangte damit in den Fokus der Medien.

Von Clickbaiting, Sensationsmeldungen und Zeitungsenten

Neben Tier-Schlagzeilen werden im Sommerloch häufig auch Studienergebnisse und kuriose Meldunge als Lückenfüller verwendet. Ein Paradebeispiel  lieferte 1993 die Schlagzeile einer Tageszeitung, in der ein CSU-Bundestagsabgeordneter die Insel Mallorca zum 17. Bundesland der Republik erklärte. Da Sommerloch-Geschichten wie diese meist einen geringen Nachrichtenwert aufweisen, bedienen sich viele Redakteure zu dieser Zeit dem Prinzip des "Clickbaitings": Reißerische Headlines werden formuliert, um die Leser zum Klicken zu verleiten und so die Zugriffszahlen zu steigern. Oftmals hält der Inhalt des Beitrags jedoch nicht das, was der Clickbait-TItel verspricht. Beispiele aus dem letzten Sommer waren die Headlines "Schlaganfall-Drama" und "Krebs-Drama" zu Interviews mit dem Modedesigner Guido Maria Kretschmer, bei denen sich im Artikel herausstellte, dass es sich in beiden Fällen um Krankheiten von Angehörigen und nicht des Prominenten selbst handelte. Nicht selten werden dabei auch Falschmeldungen - sogenannte Zeitungsenten - gestreut, um das Sommerloch zu füllen.

Sommerloch 2020: Fehlanzeige?

Normalerweise geht mit der Sommerzeit auch eine dünne Nachrichtenlage einher, doch 2020 scheint dies nicht der Fall zu sein.
Normalerweise geht mit der Sommerzeit auch eine dünne Nachrichtenlage einher, doch 2020 scheint dies nicht der Fall zu sein.

Allerdings scheint das Sommerloch in den letzten Jahren durch die mittlerweile große Vielfalt an Nachrichten immer kleiner geworden zu sein. Den Höhepunkt fand die Entwicklung in diesem Jahr. Denn seit Beginn des Jahres bestimmte ein Thema nicht nur den Alltag der Menschheit, sondern auch die Nachrichtenlage: das Corona-Virus. Auf der einen Seite schien das Sommerloch durch die Corona-Pandemie in Sport und Kultur dieses Jahr größer geworden zu sein, da Großveranstaltungen wie die Fußballweltmeisterschaft, Olympia oder Wimbledon auf das nächste Jahr verschoben und viele Kulturveranstaltungen abgesagt wurden. Auf der anderen Seite wurden mediale Großveranstaltungen wie die Champions League oder die Tour de France in die Sommerzeit verschoben, und es wurde über alternative Veranstaltungskonzepte wie Open-Air-Kinos berichtet. Zudem gab es jeden Tag mehrere Updates zur Corona-Pandemie oder  zu anderen relevanten Themen wie der Rassismusdebatte oder der Außenpolitik.

Auch wenn kuriose Meldungen und Sommerlochtiere von der vorwiegend negativen Berichterstattung der letzten Monate für einen Moment ablenken können, und es auch 2020 vereinzelt typische Sommerloch-Themen gab, blieb das große mediale Sommerloch 2020 insgesamt aus. Die Schlagzeilen wurden weiterhin von seriösen Nachrichten dominiert, was im Anbetracht der Ereignisse des Jahres jedoch mehr als wichtig und richtig erscheint.

Quellen:

 

Jennifer Mareen Kögel

VERÖFFENTLICHT AM

31. August 2020

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