Lockdown Learnings
22. März 2020: An diesem Tag tritt der erste Lockdown in Kraft. Es gelten Kontaktverbot und Abstandsregeln, Gastronomie-, Dienstleistungs-Betriebe sowie Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen müssen schließen und die Menschen sind dazu angehalten, das Haus nur aus wichtigen Gründen zu verlassen. Seitdem verbringen die meisten Menschen ihren Alltag vorwiegend zuhause und sie haben wieder mehr Zeit. Beispielsweise mehr Zeit für die Liebsten daheim, für längst überfällige Haushaltsaufgaben oder zum Nachdenken. Doch was nehmen Studierende, Mitarbeitende oder Lehrende der HdM aus diesen Lockdown-Zeiten mit?
"Man ist praktisch gezwungen mehr Rücksicht zu nehmen und aufeinander einzugehen."
Allerdings hatte er als Familienvater anfangs auch mit dem Betreuungsproblem zu kämpfen. "Ich musste mich gefühlt sekündlich entscheiden, welche Prioritäten ich setze und welcher Tätigkeit ich nun zuerst nachgehe. Es ist offensichtlich, dass dann irgendetwas liegen bleibt. Und mit zwei Kleinkindern bleibt einem nicht viel übrig, als den Status quo zu akzeptieren", stellt Kevin Raisch fest. Diese Zeit lehrte ihn nicht nur effektiver und entspannter zu werden, sondern löste bei ihm auch eine wichtige Erkenntnis aus: "Es hat mir gezeigt, wie wertvoll Familie ist und wie schön es ist, die eigenen Kinder aufwachsen zu sehen, und das nicht nur morgens vor der Arbeit und abends beim zu Bett gehen."
"Online funktioniert gut, dennoch ist offline Qualitytime umso wichtiger geworden!"
Dennoch ist die Studentin bisher sehr zufrieden, wie reibungslos der Studienalltag läuft. "Online-Lehre funktioniert an der HdM sehr gut und lässt sich gut mit meinem Werkstudentenjob vereinbaren. Dazu konnte man sich auch online mit Kommilitonen gut vernetzen. Mir ist aber auch umso wichtiger geworden, offline Qualitytime zu verbringen", so Valentina Kress. Ein geregelter Alltag, To-Do-Listen und Belohnungen wie Verabredungen oder Zeit mit sich selbst helfen der Studentin dabei, produktiv, motiviert und psychisch gesund durch den Tag zu kommen. Und wie viele andere hat sie auch die kleinen Dinge, die den Home-Office-Alltag erträglicher machen, zu schätzen gelernt: "Man hört es zwar immer und immer wieder, aber Bewegung, frische Luft, gutes Essen, und ab und an Freunde treffen, tut einfach gut", sagt die 26-Jährige.
"Präsent zu sein heißt bei Dozierenden nicht, nur im gleichen Raum wie die Studierenden zu sein."
Die strikte Trennung von Arbeit und Freizeit stellt bei vielen Professoren ein Problem dar, das sich für Walter Kriha mit dem Home-Office verstärkt. "Die relative freie Einteilung der Arbeitszeit führt wie in der Wirtschaft einfach zur Mehrarbeit. Und da kein 'Produkt‘ entsteht, mit dem eine gewisse 'Definition of Done‘ verbunden wäre, bleibt ohnehin immer das Gefühl nicht genug gelesen, geforscht oder gearbeitet zu haben. Home-Office verstärkt diesen Effekt noch gewaltig", meint der Professor. Damit die Work-Life-Balance aber nicht zu kurz kommt, versucht Walter Kriha mit verschiedenen Freizeitbeschäftigungen einen Ausgleich zu schaffen. "Es gibt kleine Tricks für Bastler wie mich: Auf YouTube unter den DIY-Videos nachschauen, was man auch basteln könnte. Oder Italienisch lernen am Abend", meint Kriha.
"Die Zoomkonferenz ist kein Ersatz."
In dieser Zeit hat Christiane Delong aber auch viel für ihre Arbeitsweise mitgenommen. "Das eindrücklichste Learning für mich in meinem beruflichen Alltag ist die Einsicht, dass Einschränkungen kein Makel sein müssen. Wie heißt es manchmal so schön? 'Kill your Darlings'. Es muss also nicht alles immer 150-prozentig sein, um gut zu sein. Vieles, was ich vorher als zwingend notwendig erachtet hatte, war plötzlich gar nicht mehr so zwingend, sondern eher 'nice to have‘. Das hat den Druck anfangs ein bisschen rausgenommen", meint Delong. Mittlerweile ist das Arbeitspensum von Christiane Delong an anderer Stelle wieder gewachsen, denn durch die Maßnahmen sind neue Aufgaben wie das Entwickeln von Hygienekonzepten oder das ständige Bereithalten von Plan B oder C, hinzugekommen.
"Tägliche Bewegung muss man sich auf den To-Do-Zettel schreiben."
Von der virtuellen Lehre hat sich Professorin Eva Stadler anfangs etwas mehr erhofft. "Man denkt spontan: Online geht mehr. Also mehr Stoff, der vermittelt werden kann. Aber so ist es nicht. Im nun dritten Online-Semester ist klar, dass nicht mehr, aber auch nicht weniger geht, sondern eigentlich genauso viel wie in Präsenz. Aber man muss es in anderen Häppchen vermitteln. Die Tendenz geht zu kleineren und interaktiveren Einheiten, die mit verschiedenen Tools vermittelt werden müssen, um die Aufmerksamkeit bei den Studierenden gerade in großen Vorlesungen hochzuhalten", stellt die Professorin fest. Passend zu ihrem Lehrgebiet orientiert sich Eva Stadler bei der Gestaltung ihrer virtuellen Vorlesungen momentan an der Seriendramaturgie, damit auch die Studierenden gespannt vor dem Bildschirm sitzen und nicht abschalten.
"Soziale Kontakte und Aktivitäten in einer Gruppe sind unendlich bereichernd, aufbauend, inspirierend und motivierend."
Durch die mobile Arbeit fällt auch der tägliche Kontakt mit Studierenden und Kollegen weg. "Der persönliche reale soziale Kontakt fehlt mir auf allen Ebenen. Sei es privat oder beruflich. Meine Band hat sich dank Corona aufgelöst, denn ein Proben war über so lange Zeit in einem 15 Quadratmeter großen Proberaum ohne Fenster mit fünf Leuten nicht drin", erzählt Thomas Hafner. Dadurch wurde er in der Lockdown-Zeit darin bestätigt, dass die reale Interaktion seinen Job ausmacht und bereichert. Zudem war es für Thomas Hafner schwierig, Beruf und Familie zu trennen, da seine Frau ebenfalls zuhause gearbeitet hat und das gemeinsame Kind betreut werden musste. "Corona hat eindrücklich bestätigt, dass man es nie schafft, allen Interessen und Bedürfnissen im gleichen Maße gerecht zu werden. Und das gilt auf allen Ebenen, sei es im Kleinen oder im Großen", fasst Thomas Hafner zusammen.
"Eine stets ordentlich gehaltene Wohnung fühlt sich auch so an, als wäre man gut organisiert und hätte sein ganzes Leben im Griff."
Chiara Bissmaier hat ihr Studium in Informationsdesign an der HdM im Jahr 2018 begonnen. Das Sommersemester 2021 ist auch für sie das dritte Corona-Semester. Sie vermisst zwar Unternehmungen mit Freunden, versucht aber die Einschränkungen und das Online-Semester positiv zu sehen. "Durch die Corona-Pandemie und die Lockdowns wurde ich persönlich ausgeglichener. Die nicht unbedingt erwünschten Einschränkungen haben auch einen Vorteil: Der 'Freizeitstress', der zuvor oftmals durch zu viele Aktivitäten entstand, verschwand komplett. Als Ausgleich zum Studium und der Arbeit im Home-Office mache ich Workouts, gehe spazieren, höre Musik und spiele auf meinem Fernseher YouTube-Videos mit Urlaubskulissen ab", erzählt die Studierende. Da es ihr generell nichts ausmacht, für einen längeren Zeitraum alleine zu sein, genießt sie die 'Me-Time‘ und 'Self-Care‘ sehr.
Durch das Home-Office hat Chiara Bissmaier zudem ein besseres Zeitmanagement entwickelt, kann sich besser konzentrieren und räumt regelmäßiger auf. "Durch die täglichen Zoom-bzw. Teams-Meetings und der damit verbundenen Kamerafunktion werde ich schon fast dazu 'aufgefordert', meine Wohnung immer ordentlich und sauber zu halten. Das empfinde ich sehr positiv. Beispielsweise hatte ich früher auch einen der besagten 'Kleiderablage-Stühle'. Inzwischen versuche ich alles direkt zu verstauen, sodass kein Chaos mehr entstehen kann", erläutert die Studentin. Durch die neu gewonnene Ordnung hat sich bei ihr auch das Gefühl entwickelt, gut organisiert zu sein, und ihr ganzes Leben im Griff zu haben - und das ist doch ein sehr positives Learning aus dieser Zeit.
VERÖFFENTLICHT AM
06. Mai 2021
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