Aufsatz

Wie tickt der Rest der Flexodruck-Welt eigentlich?

Trends und aktuelle Technologien, die man im Flexodruck außerhalb Zentraleuropas nutzt

 

Fachartikel

Wie tickt der Rest der Flexodruck-Welt eigentlich?

Nachdem der Autor kürzlich Teil einer Jury sein dürfte, die über die Flexodruckqualität internationaler Einreicher entschieden hat möchte er im Folgenden seine Beobachtungen und gezogenen Lehren darstellen. Diese weichen zum Teil merklich von der Situation im deutschsprachigen Flexodruckmarkt ab und können den hiesigen Marktteilnehmern daher dazu dienen, sich frühzeitig auf die Wünsche und Erwartungen der internationalen Klientel einzustellen.

Wie zuletzt berichtet haben die Einreichungen für den DFTA AWARD 2017 bei der gesamten Jury und mir einen überaus positiven Eindruck und die Gewissheit hinterlassen, dass sich der Flexodruck in keinster Weise hinter anderen Verfahren verstecken muss. Meine letzte Mission in gleicher Sache, diesmal in England beim FlexoTech Award, wo ich nun schon zum wiederholten Male Teil der Jury sein durfte, hat diesen Eindruck noch verstärkt. Allerdings traten dabei auch noch andere Gesichtspunkte auf, von denen der deutschsprachige Flexodruckmarkt möglichweise etwas lernen kann.

FM Raster überall!

Besonders herausragend war die große Häufigkeit an frequenzmodulierten Rastern. Hiervon wurden auch des Öfteren sehr feine Varianten praktiziert, die sogar unter der Lupe der Anmutung einer Fotografie sehr nahe gekommen sind. Aber auch die etwas konventionelleren Versionen waren mit bloßem Auge nicht als gerastert zu erkennen. Ziel erreicht!

Frequenzmodulierte Raster versprechen allgemein eine Reihe von Vorteilen mitzubringen, die sie für die Anwendung im Flexodruck potenziell besonders attraktiv machen. Der wahrscheinlich Wichtigste davon ist die Möglichkeit, nahtlos zum Papierweiß zu vignettieren. Außerdem sind sie weniger anfällig gegen leichten Versatz des Passers zwischen den Teildruckfarben und gedruckte fotografische Bilder wirken meist schärfer und detailreicher. Für mich versprechen sie aber auch eine große Hilfe zu sein, wenn tatsächlich, wie ich vermute, das Drucken mit einer festen Farbpalette zum Standard werden sollte. Wenn dann nämlich auch die feinsten Bildelemente wie beispielsweise kleine Texte oder dünne Linien aus mehreren Teildruckfarben aufgebaut sein müssen, um den gewünschten Farbton zu erreichen, dann zeigen konventionelle Raster sehr schnell einen Sägezahneffekt am Rand dieser besagten Bildelemente, wohingegen der frequenzmodulierte Raster deutlich weniger auffällig wird. Besucher der Druckdemonstrationen während der Proflex 2017 konnten sich hiervon bereits überzeugen. Im DFTA Technologiezentrum wird aktuell daher auch an der Entwicklung eines frequenzmodulierten Rasters gearbeitet, der das durch die bisherigen Versionen der DFTA Screens gesammelte Fachwissen in sich vereinen soll.

Drucken mit fester Farbpalette im kommen?

Lässt man die relativ große Zahl der Einreichungen des FlexoTech-Awards Revue passieren kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass vermehrt versucht wird, Sonderfarben im Druck zu vermeiden und stattdessen mit einer fest definierten Farbpalette zu arbeiten. Oft sind dies noch sechs oder sieben Prozessfarben, aber ich meine, einen Trend zur „strikten und schlanken“ (4C-) CMYK Farbpalette ausgemacht zu haben.

Wer meine Ansichten zur Zukunft des Verpackungsdrucks kennt, der weiß, dass ich diese Stoßrichtung für mittelfristig unausweichlich halte. Sie verspricht die besten Möglichkeiten, den Verpackungsdruck mehr zu „industrialisieren“, wie es meiner Meinung nach auch notwendig ist. Ich glaube daher daran, dass wir Flexodrucker gut beraten sind, uns technisch und mental auf diese Technik vorzubereiten.

Preprint auf Augenhöhe

In diesem Marktbereich konnten die Einreichungen in England keinerlei Qualitätsvorteil gegenüber dem deutschsprachigen Markt dokumentieren. Allenfalls die Experimentierfreude scheint im aussereuropäischen Ausland, wo die Einreichungen dieses Award in großer Zahl herkommen, etwas größer zu sein als in unserer geographischen Region. Die ausländischen Preprint Druckereien scheinen mir etwas bereitwilliger die aktuellen Techniken wie beispielsweise den frequenzmodulierten Raster oder das Drucken mit fester Farbpalette annehmen zu wollen.

Postprint geht steil

Eine Überraschung war für mich die hohe Zahl und vor allem die sehr hohe Qualität der Einreichungen im Bereich Wellpappendirektdruck. Feinste Raster, hervorragende Beherrschung des Waschbretteffekts und guter Passer zeugen von einer hochklassigen Meisterung des Metiers. Hier ist man auf Augenhöhe mit dem deutschsprachigen Markt, wenn nicht sogar einen Tick voran. Entsprechend breit gestaffelt und dicht beieinander war die Spitze der Einreichungen. Teilweise vorhandene direkte Vergleiche mit entsprechenden Vorprodukten aus dem Offsetdruck zeigten denn auch, dass der Flexodruck hier die Qualitäts-Führerschaft übernommen hat!

Faltschachtel-Flexodruck?

Das Drucken von Faltschachteln ist wahrscheinlich der Bereich des Verpackungsdruckmarktes, wo der Flexodruck bisher am wenigsten repräsentiert war. Das ist eigentlich etwas verwunderlich, denn als Rollendruckverfahren bietet er hier eine Reihe handfester Vorteile für die mittleren bis großen Auflagen. Allerdings scheint das in deutschsprachigen Markt nur sehr wenig Gehör zu finden.

Zugegeben, auch die englischen Einsendungen dieser Kategorie haben über die Jahre hinweg kaum zugenommen. Jedoch hat man dort schon eine erfreuliche Basis von Auftragsserien, die jedes Jahr von neuem in aktualisierter Form zum Award eingereicht werden und dem versierten Betrachter sagen, dass der Flexodruck zumindest qualitativ dem Offsetdruck längst das Wasser reichen kann. Eine Reihe von darauf spezialisierten Druckereien, wohl hauptsächlich im englischen Sprachraum angesiedelt, scheinen hier eine sehr tragfähige Nische besetzt zu haben.

Geförderte Farbübertragung

Ein Aspekt, bei dem die Einreichungen beider Awards (DFTA- und FlexoTech-) etwa auf gleichem Niveau liegen ist die Verwendung von strukturierten Oberflächen bei den Druckformen mit dem Ziel, die Farbübertragung zu verbessern. Man sieht dies inzwischen überall und so zahlreich, dass man auf den ersten Blick geneigt ist zu sagen, ohne so eine Technik gewinnt man keinen Preis mehr. Als erklärter Gegner der hohen Bebilderungsauflösungen, die für solche Strukturen meistens zwingend notwendig sind, mag ich zwar tendenziell widersprechen, aber selbst ich muss einräumen, dass die solchermaßen erstellten Druckmuster eine fantastische Farbdichte und ein tolles Liegen der Druckfarbe aufweisen. Ich favorisiere dabei jedoch mehr die Druckformmaterialien, die so eine Mattierung der Oberfläche bereits von sich aus mitbringen. Damit lassen sich ähnlich gute Ergebnisse erzielen und man muss einen weniger hohen technischen Aufwand bei der Herstellung der Druckplatten investieren.

Gedruckte Sicherheitsmerkmale

Was sich in meiner eigenen Praxis bereits angedeutet hat scheint sich auf internationaler Ebene auch zu bestätigen. Nämlich das Bestreben, es den Produktpiraten durch gedruckte Sicherheitsmerkmale schwerer zu machen. Ich entwickle dazu spezielle Rasterstrukturen, die extrem schwierig zu kopieren sind und habe ähnliche, wenn auch nicht ganz so tief gehende, Ansätze nun auch bei einigen der FlexoTech-Einsendungen vorgefunden. Das war beim DFTA AWARD noch nicht der Fall und könnte daher einen Trend in diese Richtung andeuten. Möglicherweise müssen wir uns dafür wappnen, dass zukünftig auch Massenprodukte einerseits von Fälschung bedroht und andererseits natürlich davor geschützt werden sollen, was man durch die Verwendung besonders feiner Strukturen in den Druckformen ausführen kann. Um aber hier schon den drohenden Missverständnissen vorzubeugen: mit der vorgenannten Oberflächenstrukturierung der Druckformen hat das nichts zu tun. Wir sprechen hier vielmehr von Modulationen der Rasterpunktformen und dergleichen.

Flexodruck besser als Digital- und Tiefdruck?

Als überzeugter Flexodrucker hat mich natürlich besonders gefreut, dass es bei dem Award in England ausschreibungsgemäß eine Reihe von Einsendungen gegeben hat, wo der Flexodruck in der Pflicht stand, erfolgreiche Druckbilder aus anderen Verfahren zu reproduzieren. Das hat sehr gut funktioniert, wobei mir verständlicherweise die Fälle explizit im Gedächtnis geblieben sind, wo der Flexodruck sogar erheblich besser ausgesehen hat als der ursprüngliche Druck. Zumal dies alle nennenswerten Wettbewerbsverfahren betraf, Tiefdruck genauso wie Offsetdruck und Digitaldruck, wurde ich abermals rückversichert, dass der Flexodruck längst auf Augenhöhe spielt und inzwischen in nicht wenigen Fällen sogar der Pacemaker für die Qualität geworden ist. Alles richtig gemacht!

 

Stuttgart, August 2017

 

 

Prof. Dr. Martin Dreher

Wissenschaftlicher Leiter DFTA-Technologiezentrum

 

 


Erschienen in:

Flexo- und Tiefdruck
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Erscheinungsjahr: 2017
Verlag: G+K TechMedia
Ort: Emmendingen


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