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Mit Vollkontakt in die Zukunft

DFTA Planoflex

Technologie.Transfer.Anwendung. TRANSFER 04|2017

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Mit Vollkontakt in die Zukunft

DFTA-Technologiezentrum entwickelt Flexodruck-Verfahren vielversprechend weiter

Als Hochdruckverfahren ist der Flexodruck ein Druckverfahren mit sogenannter Elementepressung: Nur die druckenden, erhabenen Reliefteile

berühren Rasterwalze und Bedruckstoff. Je nach Druckmotiv und einzustellendem Anpressdruck kann das zuweilen eine recht unharmonische

Abrollung der Druckform verursachen, .hnlich wie bei der Fahrt mit einem grob profilierten oder besch.digten Fahrzeugreifen.

Die unharmonische Abrollung kann Schwingungen in die Druckmaschine bringen, die sich im schlimmsten Fall durch Querstreifen im Druckbild

zeigen. Im DFTA-Technologiezentrum, einem Steinbeis-Transferzentrum an der Hochschule der Medien Stuttgart, haben die Forscher

nun ein „Vollkontakt“-Flexodruckverfahren zum Patent angemeldet, das eine vereinfachte Anwendung in der Druckmaschine mit deutlichen

Einsparungen auf Seiten der Druckformherstellung verbindet. Das hat Potenzial, den Flexodruck noch wettbewerbsf.higer zu machen!

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Beobachtungen und Analysen zu neuen Lösungen zu verknüpfen ist

wohl die höchste Stufe der Beherrschung einer fachlichen Disziplin. Im

DFTA-Technologiezentrum sieht man genau das als eine seiner maßgeblichen

Aufgaben an. Und so hat sich das Forscher-Team intensiv mit der

ungleichmäßigen Abrollung der Druckform beschäftigt. Zahlreiche Versuche

hatten gezeigt, dass gegen die Streifen im Druckbild nur mit der

Vermeidung von Resonanz durch die Variation der Druckgeschwindigkeit

anzukommen war.

Wie also kann man der unharmonischen Abrollung auf anderem Wege

beikommen? Angesetzt haben die Experten am DFTA-Technologiezentrum

an den Grundlagen des Hochdrucks: Die Differenzierung der druckenden

von den nicht-druckenden Flächen findet bereits bei der Einfärbung

statt; indem die Rasterwalze eben nur die oberen Flächen der erhabenen Reliefteile berührt und somit einfärbt, übertragen auch nur

diese Stellen die Druckfarbe auf den Bedruckstoff. Soweit so gut, scheint

diese Erkenntnis für den erfahrenen Drucker keine Überraschung zu sein.

Doch das Forscher-Team hat diese Tatsache weiter gedacht. In Versuchen

haben sie die gesamte nicht-druckende Fläche der Druckform, man

spricht hier vom Reliefsockel, auf ein so hohes Niveau angehoben, dass

im Druckspalt zwischen Druckform und Bedruckstoff quasi „Vollkontakt“

herrscht. Oder umgekehrt ausgedrückt: Die Relieftiefe wurde auf ein

sehr geringes Maß abgesenkt, so dass der gesamte Reliefsockel in der

Drucklinie den Bedruckstoff berührt. Dieser Vollkontakt zwischen Druckform

und Bedruckstoff führt zu einer sehr harmonischen Abrollung, weil

die kaum noch fühlbaren Erhebungen des druckenden Reliefs (nur etwas

mehr als Haaresbreite) keine Störungen mehr verursachen.

 

Im Druckvorgang selbst haben die DFTA-Experten ebenfalls Erleichterungen

erlebt: Schwingungen und Querstreifen sind, falls sie überhaupt

auftreten, auf sehr enge Druckgeschwindigkeitsfenster begrenzt und

leicht beherrschbar, die Beistellungseinstellungen pro Druckwerk verkürzen

sich durch vereinfachte Handhabung, sie sind schneller im Passer,

weil weniger „vermittelt“ werden muss, und die motivabhängige

Abstufung der Druckbeistellungen war bisher nicht erkennbar, vermutlich

weil alle Druckformen gleichermaßen auf Vollkontakt gefahren werden.

Die Druckqualität ist der herkömmlichen Verfahrensweise ebenbürtig,

das Forscher-Team hat aber auch neue, experimentelle Rasterungen

untersucht, die weitere deutliche Qualitätsverbesserungen erwarten

lassen – und das alles selbstverständlich mit einer herkömmlichen Bebilderungsauflösung

von 2540 dpi für die digitalen Fotopolymerplatten.

„Wir vermuten, dass die Funktion unseres alternativen Flexodruck-Verfahrens

eng damit verknüpft ist, wie genau man die äußerst niedrige

Relieftiefe der Druckform auf deren gesamter Fläche einhalten kann.

Denn nur so wird es gelingen, gleichmäßige Pressungsverhältnisse beim

Vollkontakt zwischen Druckform und Bedruckstoff zu erlangen“ schätzt

Prof. Dr. Martin Dreher, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums, das neue

Verfahren ein. Die Erzielung einer so geringen Relieftiefe ist bei der Herstellung

von Fotopolymerplatten, bei denen sie nominell durch die

Rückseitenbelichtung bestimmt wird, nicht durch deren simple zeitliche

Steuerung möglich. Dickenschwankungen des Reliefsockels von mindestens

±40 μm, wie sie die normale Rückseitenbelichtung zurückl.sst und

die im konventionellen Verfahren völlig unkritisch sind, toleriert das

neue Verfahren nicht. Daher hat das Projekt-Team eine zuverlässige Alternative

entwickelt, bei der es Toleranzen von lediglich etwa ±10 μm

einhalten kann.

Die aktuell größte Herausforderung ist die Gestaltung des Querspalts,

der notwendigerweise entsteht, insofern Druckplatten verwendet werden.

Die bisher untersuchten Gestaltungsvarianten haben in den Versuchen

noch nicht voll überzeugt, aber es stehen noch einige zu untersuchende

Möglichkeiten parat. Die Herausforderung besteht darin, den

Querspalt so zu gestalten, dass er bei Vollkontakt die nötige volle Kontaktfläche

bildet, denn ein Spalt könnte wieder Schwingungen ins System

bringen. Andererseits darf er aber durch etwaiges Hochstehen der

Kanten nicht zur unerwünscht druckenden Querlinie führen.

Werden nahtlose Runddruckformen verwendet, sind die Forscher inzwischen

am Ziel der uneingeschränkten Anwendbarkeit angekommen, so

dass der Patentanmeldung nichts mehr im Wege stand. Nun geht es

darum mit Testbetrieben auszujustieren, für welche Marktbereiche des

Flexodrucks das neue Verfahren besonders geeignet ist.

Schwingungen und die damit verbundenen Querstreifen im Druckbild

sind damit Geschichte und gleichzeitig kommt eine ganze Reihe weiterer

Vorteile hinzu. Denn der europäische Flexodruckmarkt verwendet

mengenmäßig hauptsächlich Fotopolymermaterialien als Druckformen.

Deren Herstellungszeiten und -kosten sind nicht zuletzt durch die Tiefe

an auszuwaschendem oder thermisch zu entfernendem Monomermaterial

bei der Reliefbildung bestimmt. Bei nur etwa einem Zehntel Millimeter

an auszubildender Relieftiefe haben sich in den DFTA-Versuchen

die Verarbeitungszeiten bei der Hauptbelichtung, beim Auswaschen und

thermischen Entwickeln und beim Trocknen drastisch verkürzt. Entsprechend

sparen Druckereien eine Menge an Zeit, Lösemittel und Energie,

oder gewinnen umgekehrt an Kapazität.

Gewissermaßen im Windschatten der flachen Relieftiefe der Fotopolymerdruckplatten

kommt noch ein weiterer unschätzbarer Vorteil: die

Verbesserung der Passgenauigkeit im Mehrfarbendruck. Noch sind die

Versuche am DFTA-Technologiezentrum nicht abgeschlossen, aber es

scheint so als ob die geringe Reliefhöhe es nicht „gestattet“, dass sich

die üblichen motivhaften Dehnungsunterschiede in den flach hergestellten

Druckplatten einstellen („Rahmen-Effekt“). Darüber hinaus

scheint die damit an jeder Stelle der Druckplatte relativ dicke Schicht

von Fotopolymer (bei einer Druckplatte der Dicke 1,14 mm nach Abzug

der Trägerfolien-Dicke etwa 0,85 mm an Fotopolymer) die scheinbar unvermeidbaren

unterschiedlichen Verzerrungen der Teildruckplatten eines

Mehrfarbenjobs zu minimieren. Dies führt zu einer insgesamt besseren

Passgenauigkeit.

Abb.: Erfindungsgem..e Einrichtung des verbesserten Verfahrens („Planoflex“)

Legende:

1: Rasterwalze

2: weich-elastische Druckformoberfl.che

3: Bedruckstoff

4: Gegendruckzylinder

Prof. Dr. Martin Dreher

Steinbeis-Transferzentrum DFTA-Technologiezentrum Flexodruck an der Hochschule

der Medien (Stuttgart)

 

su0189@stw.de | www.dfta.de



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Eingetragen von

Name:
Prof. Dr. Martin Dreher  Elektronische Visitenkarte


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