Artikel

Tonwertmessung nach der neuen SCTV

 

Fachartikel

Tonwertmessung nach der neuen SCTV

Unlängst wurde für den grafischen Druck eine Rechenvorschrift für die Berechnung der Rastertonwert-Deckung nach farbmetrischer Messung in den Rang eines ISO-Standards erhoben, die nennenswerte positive Konsequenzen bringen kann: die ISO 20654 mit der sog. SCTV-Formel. Der vorliegende Beitrag möchte die Historie, Ursachen und Hintergründe diskutieren. Er baut dabei auf einem vorausgehenden, älteren Fachbeitrag des Autors namens „Tonwertzuwachs? Wie bitte?“ auf.

 


Geschichte und Vorläufer

Die Messung von Rastertönen ist auf den ersten Blick seit Jahrzehnten etabliert und man erwartet davon natürlich nichts Neues. Wo wäre da auch der Vorteil? Den gibt es aber in der Tat und er hat beträchtliche technische Bedeutung, wie wir sehen werden.

Die heute noch immer gebräuchliche Dichtemessung mit Umrechnung in den Flächendeckungs-Prozentwert nach der sog. Murray-Davies-Formel hat leider den Nachteil, die Wahrheit nicht unerheblich zu verzerren. Kurz gesagt, der Rastertonwert wird systematisch zu hoch angezeigt. Im Mittelton (50%) beträgt die Abweichung immerhin knapp 20%. Bezogen auf den wahren Wert sind das ca. 35% Fehler! Das nenne ich durchaus beachtlich und Grund genug, über eine Verbesserung nachzudenken. Zumal die Dichtemessung noch weitere Nachteile besitzt.

Der Autor hat daher schon Anfang der 1990er Jahre eine veränderte Rechenvorschrift für die Ermittlung des Rastertonwertes – bezogen auf „seinen“ Vollton, also als Relativwert – vorgeschlagen, die auf farbmetrischen Messdaten beruhte. Diese sog. Relative Farbmetrische Färbung (RFF) konnte die beschriebene Fehlweisung weitgehend korrigieren und war darüber hinaus farbtonunabhängig, konnte also auch für Sonderfarben-Rasterungen eingesetzt werden.

Tonwertmessung auch für Sonderfarben?

In den Verpackungsdruckverfahren, die sehr streng genommen ausschließlich Sonderfarben einsetzen (wo die sog. „Prozessfarben“ CMYK nicht genormt und nicht normbar sind, sind eben ALLE Druckfarben als „Sonderfarben“ zu bezeichnen), ist ein Messverfahren natürlich dann erst richtig wertvoll, wenn es alle Rastertöne gleichermaßen gut bewerten kann. Das rechtfertigte die Verwendung der genannten RFF-Formel, aber man muss auch einräumen, dass es noch weitere solche Rechenvorschriften gibt, die diesen Anspruch erheben können.

Ein auf die Evaluierung der betreffenden Formeln gerichteter Arbeitskreis namens SCHMOO (Spot Color Halftone Metric Optimization Organisation) setzte es sich daher zum Ziel, die „beste“ dieser Formeln zu finden. Ohne auf die gewählten Kriterien hier näher eingehen zu können wurde dabei die sog. SCTV (Spot Color Tone Value) Formel zum „Gewinner“ gekürt und inzwischen in der ISO 20654 genormt.

Beschreibung: SCHMOO CTV Formula.pdf

Abbildung 1Umrechnungsvorschrift nach SCTV (SCHMOO)

SCTV – Was ist das?

Die Berechnung eines Rastertonwertes nach SCTV gestaltet sich ein klein wenig komplexer als nach der besagten RFF, aber das ist in der Praxis, wo die Berechnungen vom Messgerät oder einer Tabellenkalkulation gemacht werden, völlig bedeutungslos. Auch hier werden gemessener Rastertonwert und „sein“ Vollton rechnerisch in Beziehung gesetzt und der Quotient dann als Prozentwert ausgedrückt. Seine Aussage-Intention ist prinzipiell gegenüber der alten Dichtemessung unverändert geblieben. Wenn die Berechnung beispielsweise zu einem Wert von 50% gelangt, dann geht man davon aus, dass der gemessene Rasterton die „halbe Farbkraft“ seines Volltones besitzt. Aber: Im Gegensatz zu der Dichtemessung mit Umrechnung nach Murray-Davies stimmt diese Aussage jetzt mit der visuellen Wahrnehmung überein!

Beschreibung: Macintosh HD:Users:martindreher:Documents:_Data:_Switchboard:Fachpresse & Fachartikel:20190726 Tonwertmessung nach SCTV:Rastertonwertmessung Beispiel TP Flexo SS2019.pdf

Abbildung 2Messungen eines Stufengraukeils mit 5 verschiedenen Messmethoden

Vorteile und Folgen

Konsequent durchdacht heißt das, dass die SCTV linear arbeitet und damit einen objektiven Optimalzustand definieren kann. Das Ziel der drucktechnischen Umsetzung von Halbtönen in gedruckten Rastertönen ist die Linearität. Hat ein digitales Foto also an einer Bildstelle einen Grauwert von 127 (das ist die mittlere Digitalwertstufe), dann sollte diese Bildstelle in den autotypischen Druckverfahren als 50%-Tonwert gedruckt werden. Hat das Druckverfahren aber einen gewissen Tonwertzuwachs, dann muss dieser durch eine sog. Kompensation ausgeglichen werden. Mit der SCTV geht das aber nun viel einfacher und direkter! (gilt auch für einige der anderen alterantiven Formeln wie die RFF)

Wenn ein auf einer Halbtonstufe von 127 beruhender Rasterton im Druck beispielsweise nach SCTV mit 60% gemessen wird, dann liegen tätsächlich 10% Tonwertzuwachs vor. Man wendet dann eine Kompensationskurve auf die Datei an, die die Haltonstufe 127 auf 50% Rasterton im Druck umsetzt. Das ist zwar ein klein wenig komplexer als einfach 10% abzuziehen, also einen 40%-Tonwert zu nehmen (weil dieser nicht unbedingt die „erforderlichen“ 10% an Zuwachs haben wird), aber immer noch bedeutend einfacher als zusätzlich noch die „irrealen“ knapp 20% aus dem Messverfahren zu berücksichtigen, was bei Verwendung der Murray-Davies-Formel notwendig wäre.

Darüber hinaus hat SCTV natürlich den gleichen Vorteil wie die RFF, alle Druckfarbtöne gleich „fair“ beurteilen zu können, egal ob es sich um ein „Cyan“, Kunden-Grün, Pastell-Gelb oder Pantone Reflex Blue handelt. Der wohl größte Vorteil – und dieser ist allein der SCTV beschieden – liegt aber wohl in der internationalen Normung, was bereits geholfen hat, die Berechnungsvorschrift in die entsprechenden Messgeräte „hineinzubringen“. Das schafft praxisgerechte Anwendungsmöglichkeiten.

Ausblick

Die Hürde ist meiner Meinung nach relativ niedrig, aber sie muss trotzdem genommen werden, nämlich die weitere Verbreitung dieser neuen Rechenformel in der Anwendung. Dazu gehört, dass noch mehr der modernen Farbmessgeräte die entsprechende Option anbieten, nach SCTV zu berechnen, und dass die PrePress Software ebenso damit umgehen kann. Letzteres betrifft nicht so sehr die Grafikprogramme - die kümmern sich nämlich gewissermaßen gar nicht darum, wie der Rastertonwert berechnet wird und arbeiten daher gewissermaßen schon immer linear - sondern vielmehr die Werkzeuge des Farbmanagement. Aber auch hier sind schon erste erfolgreiche Ansätze zu beobachten.

Letztlich erwarte ich durch dieses vergleichsweise einfache neue Werkzeug eine Erleichterung im Umgang mit Gradationskurven und Druckkennlinien, was den Arbeitsabläufen und der Qualität zuträglich sein wird. Die Welt des Druckens wird dadurch ein klein wenig besser verständlich und leichter zu beherrschen.

Stuttgart, August 2019

Prof. Dr. Martin Dreher

Wissenschaftlicher Leiter DFTA-Technologiezentrum

 

 



Autoren

Eingetragen von

Name:
Prof. Dr. Martin Dreher  Elektronische Visitenkarte


Mehr zu diesem Autor