Vortrag

Color Grading im Dokumentarfilm

Ein Verlust an Authentizität oder eine Opportunität?

Screenshots der untersuchten Farbversionen
Screenshots der untersuchten Farbversionen

Patricia J. Christmann. (Supervision: Katja Schmid. Hochschule der Medien Stuttgart.)

»Der Dokumentarfilm ist tot, es lebe der Dokumentarfilm«.i Farbe ist allgegenwertig. Sofern es uns unsere Anatomie erlaubt, nehmen sie wahr, ob wir wollen oder nicht. Unterbewusst oder bewusst. So stehen wir unter ihrem ständigen Einfluss. Diese Unumgänglichkeit macht Farbe zu einem machtvollen Instrument. Stellt man sich vor, was Farbe eigentlich ist, wird klar, wieso man sich diesem Einfluss nur schwer entziehen kann. Reflektierte elektromagnetische Schwingungen – ein physikalisches Phänomen, welches bis in unser Innerstes eindringt und ganzheitlich auf uns einwirkt, auf physische sowie psychische Weise. Daraus geht hervor, dass der Farbe eine gewisse Macht zugesprochen wird, die vor allem auch in der Welt der Filmemacher intensiv in vielfältiger Manier genutzt wird. In vielen Bereichen der Filmgestaltung werden Farben zur Erschaffung neuer Ebenen genutzt, um versteckte Botschaften zu generieren und gezielt Stimmungen zu erzeugen. Hierbei findet eine gewisse Manipulation statt, die oft deutlich zu erkennen ist, oder den Zuschauer unterbewusst beeinflusst. An diesem Punkt stellt sich jedoch die Frage: Ist dies nur bei fiktiven Filmen umsetzbar oder gibt es auch einen Weg dies auf das dokumentarische Genre anzuwenden, bei dem gerade die Themen Manipulation und der subjektive Einfluss des Bildes einen Kritikpunkt darstellen? Diese Kontroverse zwischen Realität und Fiktion im Dokumentarfilmgenre ist und war schon ein heikles Thema. Doch muss das Bild auch 1:1 der Realität entsprechen oder reicht eine authentische Darstellung dieser, um den Anforderungen des Publikums gerecht zu werden? Unumstößlich ist, dass der Dokumentarfilm einer Erneuerung bedarf, um konventionellen Ansichten und den ungesehenen Mitternachts-Sendeplätzen im Fernsehen zu entfliehen. Um jedoch neues Interesse für den Dokumentarfilm bei den Menschen wecken zu können, stellt sich die Frage, ob man sich in gewissem Maße der Farbgestaltung bedienen kann, ohne Authentizität zu verlieren oder die unsichtbare Grenze der Manipulation zu überschreiten. Möglicherweise ist dies ein neuer Weg für den Dokumentarfilm: weg von der Mattscheibe und vermehrt auf die Leinwände der Kinos. Dies ist die Eintrittskarte zu anregenden Diskussionen und neuen Denkprozessen in der Gesellschaft.
Schlagwörter: Gestaltung – Manipulation – Emotionen – Wahrnehmung – Realitätsnähe – Dokumentarfilm – Subjektivität – Objektivität – Authentizität – Wirklichkeit – Realität – Bildgestaltung – Farbgestaltung – Farbkorrektur – Farbsehen – Farbe – Interesse – Kino – Zukunft
Einleitung und Motivation
Film - es begann alles vor circa 130 Jahren, genaugenommen am 14. Oktober 1888, als der Franzose Louis Le Prince zum ersten Mal in der Geschichte bewegte Bilder mit seiner selbst erfundenen und gebauten Kamera aufnahm. Auf den Aufnahmen zu sehen: Seine Schwiegereltern in ihrem Garten. Eine, wenn auch sehr kurze, ‚dokumentarische‘ Szene.ii Auch die weitere Entwicklung des Films als die »7. Kunst«iii durch die Lumière Brüder resultierte in Aufnahmen von alltäglichen Lebenssituationen wie beispielsweise der allseits bekannte Film »La Sortie de l’Usine Lumière à Lyon«iv im Jahre 1895.v Erschrocken von der Authentizität und Realitätsnähe der Bilder, verließen, so heißt es, zahlreiche Besucher vor Angst den Saal.vi Wenig später wurde es möglich Geschehen auf der ganzen Welt aufzuzeichnen. Eigens von der Lumière-Fabrik ausgebildete Kameramänner reisten in ferne Länder, um erste Dokumentarfilme über fremde Kulturen und Völker einzufangen. Sie zeigten »der Welt die Welt«.vii
Doch heute ist diese hyperrealistische Wahrnehmung von täuschend echten Filmbildern nicht mehr so leicht zu erschaffen. So ist Authentizität im fiktiven Film, aber gerade auch im Dokumentarfilm, ein wichtiger Faktor. Sie versucht stets eine Verbindung zur Wirklichkeit aufzubauen, welche zu einer Akzeptanz seitens des Probanden einer authentischen Wirkung bedarf.viii Hintergrundwissen über das Medium und die Sehgewohnheit machen es immer schwerer, den Zuschauer zu beeindrucken und zu überzeugen. So leicht wie damals, lässt sich unser Auge heute nicht mehr in die Irre führen. Trotzdessen scheint man am Medium Film nicht an Interesse verloren zu haben. Durch die Vielschichtigkeit einer Filmaufnahme, sprich Übertragung von Informationen auf mehreren Ebenen durch Sehen und Hören, ist der Film prädestiniert, um Themen aus aller Welt an den Zuschauer heranzutragen und zu informieren. Gerade in einer Zeit, in der sich verschiedene Kulturen verbinden und zusammenleben, ist es wichtig, informiert zu bleiben, und zwar unabhängig von einseitigen oder sogar selektierten Tagesnachrichten. Hier schreitet der Dokumentarfilm ein. Die genaue Recherche der Dokumentarfilmer und die Unabhängigkeit davon, eine »große Schlagzeile« machen zu müssen, garantiert, trotz dem persönlichen Standpunkt, eine glaubwürdige Abbildung der Wirklichkeit.ix Doch um viele Zuschauer zu erreichen, ist eine Einzigartigkeit notwendig, etwas Neues und Faszinierendes. So wie damals, als schließlich die Farbe ins Spiel kam. Es dauerte einige Zeit, bis Farbe im Film als realistisch angesehen wurde, doch heute ist dies anders.x Die Wirkung von Farbe beeinflusst seither die Wahrnehmung eines Films in Bezug auf dessen Authentizität und Glaubwürdigkeit und macht ihn zusätzlich ansprechender und interessanter.
Genau genommen kann man Farben als verschieden reflektierte elektromagnetische Schwingungen bezeichnen. xi Diese Formulierung erweckt wohl in den wenigsten Menschen irgendeine Art von Emotion, doch unterbewusst ist dies bei der Perzeption von Farbe sehr wohl der Fall. Sie beeinflusst den Körper, und zwar ganzheitlich, mental und physisch. Besonders im Film ist es wichtig Emotionen zu erzeugen, um Inhalte verständlicher zu machen und die Vorstellungskraft der Zuschauer anzuregen. So können Botschaften besser transmittiert werden, die dem Publikum helfen die Inhalte besser zu verstehen und im Gedächtnis zu behalten. Dies gilt für den non-fiktionalen Film sowie auch für fiktive Genre. Vor allem beim non-fiktionalen Genre jedoch liegt der Sinn darin, Botschaften verständlich darzustellen und zum Handeln oder lediglich zum Nachdenken anzuregen. Aber nicht nur die Verständlichkeit der Inhalte ist von großer Bedeutung, sondern vor allem auch die Glaubwürdigkeit und Authentizität der Bilder. Vor allem beim non-fiktionalen Genre jedoch liegt der Sinn darin, Botschaften verständlich darzustellen und zum Handeln oder lediglich zum Nachdenken anzuregen. Aber nicht nur die Verständlichkeit der Inhalte ist von großer Bedeutung, sondern vor allem auch die Glaubwürdigkeit und Authentizität der Bilder spielt eine große Rolle bei der Erzeugung von stärkeren Verbindungen von Zuschauer und Gesehenem. Authentische Bilder erzeugen eine Nähe zur Realität. Diese Nähe lässt den Zuschauer enger an Charaktere und Ereignisse herantreten und zwar auch emotional. Ist etwas authentisch neigen wir eher dazu zu glauben was wir sehen und empfinden anders als bei surrealen und realitätsfernen Bildern. Auf der anderen Seite jedoch tendieren wir dazu authentische Bilder als eher langweilig und uninteressant zu empfinden gerade wegen der starken Verbindung zur Realität, da diese eher etwas zeigen, was wir vielleicht so oder so ähnlich schon einmal gesehen haben. Das Ziel dieser Forschung ist es Authentizität mit einer interessanten Erscheinung zu verbinden, mit einem ungewöhnlichen Look, um so das Interesse am Genre des Dokumentarfilms zu steigern.
1 Oben: RAW; Video 1.1; Video 1.2; Video 1.3
Unten: Video 1.4; Video 1.5; Video 1.6; Video 1.7
Experiment
Um die Grenzen der Farbgestaltung im Dokumentarfilm und dessen Auswirkungen auf ein authentisches Bild zu testen, wurde ein Laborexperiment mit 20 internationalen Probanden durchgeführt. Hierzu wurden sieben kurze Videos xii mit non-fiktionalen Inhalten produziert und in verschiedenen Farblooks gestaltet. Die Auswahl der Looks orientiert sich an bekannten und häufig benutzten Farbgestaltungen fiktiver Filme. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass die Tonalitäten sich deutlich unterscheiden, damit festgestellt werden kann, welche Farbgebung die Authentizität eines Bildes am stärksten beeinflusst. Im Vergleich erscheinen die einzelnen Looks sehr stark und gesättigt. Betrachtet man die Videos jedoch ohne direkten Vergleich, so ist der Effekt der Farbe nicht mehr so intensiv, aber stets einprägsam. Dies ist für die Bewertung der Videos wichtig, da so auch ein ungeschultes Auge genau zwischen den verschiedenen Looks unterscheiden kann.
Zur Bewertung der verschieden gestalteten Videos lagen den Probanden drei Fragebögen vor, um die Farbgestaltung des Gesehenen zu evaluieren. Hierbei liegt der Fokus darauf wie interessant, authentisch, passend, ansprechend, angenehm und vor allem glaubwürdig die Farben in den Videos auf den Betrachter wirken. Um vergleichbare Daten generieren zu können, wurden den Probanden drei unterschiedliche Fragebögen vorgelegt. Zwei von diesen fanden schriftlich statt, wohingegen der dritte Fragebogen in Form eines Interviews erfasst wurde. Fragebogen N°1 beinhaltet hauptsächlich direkte und geschlossene Fragen, die zum einen durch eine vordefinierte Skala und zum anderen durch vorgegeben Antworten schnell und unkompliziert zu beantworten sind. Um eine schnelle aber trotzdem repräsentative Bewertung zu erhalten, besteht diese Skala nur aus fünf Bewertungsstufen. Zu viele Abstufungen machen es dem Probanden schwer eine Entscheidung zwischen den einzelnen Werten entsprechend ihrer Bewertung des Gesehenen zu treffen. Das Ergebnis sind schwammige Aussagen, die hier vermieden werden sollen. Die Zuordnung der eigenen Bewertung zu den Skalenpunkten wird so erleichtert. Die Bewertung “1” auf der Skala entspricht hierbei der geringsten Zustimmung.
Ergänzend zu dem quantitativ angelegten Fragebogen N°1, wurde den Probanden ein weiterer Fragebogen N°2 vorgelegt, welcher offenere Fragen zu der persönlichen Verbindung zum Dokumentarfilm behandelt. Hierdurch erfährt man wie sehr der Befragte im Allgemeinen am Medium Film interessiert ist und welches Wissen er mitbringt. Im Speziellen auch in Bezug auf den Dokumentarfilm. Dies erleichtert die Interpretation der gegebenen Antworten. Wie anfangs erwähnt haben Farben einen großen Einfluss auf unsere Gefühlswelt. Daraus resultierend sind Meinungen und Bewertungen zunehmend subjektiv. Um diesen subjektiven Einfluss abschätzen zu können
und in die Bewertung mit einfließen zu lassen, besteht Fragebogen N°3 aus einem Interview, in dem Reaktionsschnelligkeit bei der Beantwortung und Verhalten beobachtet werden kann. Im Gespräch ist es möglich auf den Probanden einzugehen, wodurch zusätzliche Informationen für eine eindeutigere Auswertung generiert werden können. In Kombination kann hier eine quantitative sowie qualitative Auswertung der Ergebnisse stattfinden.
Ergebnisse und Fazit
Einer der wichtigsten Teile dieser Studie ist Fragebogen N°1. In diesem findet der Vergleich zwischen allen sieben Videos in Bezug auf die sechs bereits erwähnten Evaluierungsparameter statt. Die unten aufgeführte Grafik gibt einen Eindruck über eine mögliche authentische und interessante Farbgestaltung im Dokumentarfilm. Betrachtet man die Ergebnisse bleibt kein Zweifel bestehen, dass die Mehrheit der Probanden das Video 1.4 als das mit der authentischsten Gestaltung ansehen. Zudem wird es auch als “glaubwürdig“ und „angenehm“ angesehen. Das hier verwendete Design stellt keine extravagante Gestaltung dar. Lediglich Kontrast, Sättigung und Farbstiche wurden hier bearbeitet. Am interessantesten hingegen ist laut den Bewertungen Video 1.2, welches einen deutlich höheren Kontrast und eine recht präsente und starke Sättigung aufweist. Ein Video jedoch sticht aus der Masse heraus. Video 1.1 wird trotz seines Blaustiches ebenfalls als sehr interessant und ansprechend angesehen. Bei den Bewertungen für Authentizität und Glaubwürdigkeit liegt es allerdings nicht sehr weit vorne.
0
1
2
3
4
5
Video 1.1
Video 1.2
Video 1.3
Video 1.4
Video 1.5
Video 1.6
Video 1.7
nicht authentisch - authentisch
uninteressant - interessant
unpassend - passend
langweilig - ansprechend
störend - angenehm
unglaubwürdig - glaubwürdig
2 Vergleich der Auswertungen
Nach genauer Analyse der Ergebnisse resultiert, dass der Einsatz von Farbe im Dokumentarfilm mit Vorsicht zu genießen ist. Trotz dem Verlust an Authentizität durch den Einsatz von Farbgestaltung, kann hierdurch Interesse und Aufmerksamkeit erweckt werden. Zudem bietet solch eine Gestaltung einen professionelleren Eindruck auf das Publikum, welches sich zu einem anspruchsvollen Kritiker entwickelt hat dem hohe Bildqualität und visuelle ansprechende Bilder wichtig sind. Ein überspitztes Color Grading mit extrem bunten Farben und starken Looks lenkt jedoch zu sehr von den Inhalten ab und verursachen einen zu starken Verlust an Authentizität des Bildes und sind für dieses Genre demnach eher nicht angemessen. Der Gebraucht von Farbe im Allgemeinen jedoch, bietet sich stets als Fenster zu einem neuen visuellen Stil des Dokumentarfilms an, um aus dem Schatten der beliebten fiktiven Filme in den Kinos zu treten. Die stetige Entwicklung von Bearbeitungssoftware und Hardware macht es immer leichter auch in der Postproduktion das Beste aus den Bildern rauszuholen. In Kombination mit all den zuvor genannten Aspekten, die Farbe mit sich bringt, gestaltet sich Color Grading zu einem prädestinierten Tool für einen Wandel im Dokumentarfilmgenre.
Ein paar Ausnahmen bieten hier einen guten Vergleich für ein ansprechendes und durchaus sinnvoll angewandtes Color Grading im Dokumentarfilm.
»Hija de la Laguna« ist ein peruanischer Dokumentarfilm, der von der Verschmutzung des Wassers in der Region Cajamarca im Norden Perus handelt und den Kampf einer Frau verbildlicht, die sich für die Rechte der Bewohner in dieser Region einsetzt.
3 Hija de la Laguna | Jahr: 2015 | Land: Peru | Regisseur: Ernesto Cabellos Darmián
Abgesehen von der sehr emotionalen Erzählweise, die den Zuschauer mit eindringlichen Bildern und dramatischen Archivaufnahmen in das Geschehen eintauchen lässt, sticht auch die Farbgestaltung durch einen besonderen Look heraus. Passend zur schweren Thematik wurde hier eine ganz bestimmte Stimmung durch recht verblasste Farben erzeugt. Man hat das Gefühl, es würde ein grauer Schleier über den Bildern liegen, welcher die Tristesse der unter der Verschmutzung leidenden Bevölkerung sehr gut verkörpert. Das Grün der Wälder macht häufig einen gelblichen, grünen Eindruck Die Farben wirken wenig vital, dies soll heißen, sie sind nicht so intensiv, wie man es in Realität erwarten würde. Trotzdessen wirkt das Bild nicht zu flach, denn durch hohe Kontraste wird wiederum eine beeindruckende Tiefe der Bilder erzeugt. Hierzu trägt auch der
häufige Einsatz von Vignetten bei, der dem Bild einen zusätzlichen Tiefeneindruck verleiht. Trotz der offensichtlichen Bearbeitung der Farben, entsteht ein Eindruck von Authentizität. Die Farbgebung stellt eine große Bereicherung im Sinne von Übertragung von Emotionen und Stimmungen für den Film dar und hat keineswegs einen störenden Einfluss auf die Wahrnehmung der dokumentarischen Inhalte. Im Gegenteil, er macht das Bild ansprechender, ästhetischer und bewirkt einen Grad an Individualität, der im heutigen Zeitalter der Unmengen an Produktionen notwendig ist. Dies ist ein gutes Beispiel für die Anwendung einer Farbgestaltung, die auffällt, jedoch subtil ist und eine weitere Ebene zur Übertragung von Informationen entstehen lässt, die ohne dies vielleicht verloren gehen würden. Besonders fällt die Entsättigung bei Hauttönen auf sowie bei den sonst so bunten Stoffen der Kleidung und dem Grün der Pflanzen. Trotzdem ist diese Veränderung im Rahmen des Akzeptablen und stört die Wahrnehmung in keinem Fall.
Ein extremes Gegenbeispiel ist der Film „Jago – A Life Underwater“ dar, der zuvor schon in Kapitel zwei wegen seiner fiktiven Passagen erwähnt wurde. Er handelt von einem 80-jährigen Seenomaden, der von seinem Leben unter Wasser erzählt. Dieser Dokumentarfilm beeindruckt durch einen extremen Look, der trotz seiner Intensität passend wirkt. Die Farben beleben das Bild und vermitteln die Atmosphäre der paradiesischen Landschaften, in denen die Geschichte zugetragen hat. Zudem unterstreicht dieser Look die dramatische Erzählung des Protagonisten, was zusätzlich Spannung erzeugt und für einen Wiedererkennungswert sorgt.
4 Jago – A Life Underwater | Jahr: 2015 | Land: UK | Regisseur: James Morgan
Auffällig ist zudem, dass die Farbgestaltung sich mit dem erzählten Inhalt von Zeit zu Zeit ändert. So ist während der tragischen Erzählung des Seenomaden über den Tod seines Sohns eine deutliche Dramatisierung der Farben zu verzeichnen. Die Sättigung wird entnommen, die Farben driften ins Bläulich-Graue ab und zur Verdeutlichung der Vergangenheit wird mit einer starken Vignettierung gearbeitet (Abb. 4: Zeile 4, Bild 1 und 2). Auch die Aufnahmen des Seenomaden wirken nun nicht mehr ganz so strahlend wie zuvor. Besonders die Farbe der Haut strahlt nun nicht mehr so intensiv Orange wie zu Beginn. Gegen Ende hin hebt sich dies wieder auf und zeigt die Aktualität wieder in strahlenden Farben. Die dargestellten Farben existieren möglicherweise nicht in dieser Intensität in der Wirklichkeit, doch durch die Erzählungen aus der Vergangenheit und der dadurch entstehenden Distanz zur aktuellen Realität ist der Einsatz dieser Farbgestaltung
vertretbar. Doch bestünde diese Distanz nicht, würden die Farben trotzdessen einen authentischen Look repräsentieren, der das Potenzial besitzt den Zuschauer von der Glaubwürdigkeit der Geschichte zu überzeugen.
Aber wieso ist es so wichtig das Interesse am Genre zu steigern? Nun, in einer globalisierten Welt, wie sie heute existiert, ist es wichtig informiert zu bleiben und im ständigen Diskurs miteinander zu stehen. Dies soll heißen andere Kulturen kennen zu lernen, Bewusstsein für bestehende Probleme und Konflikte in der Welt zu entwickeln und für Neues und Unbekanntes offen zu sein. Dokumentarfilm kann den Menschen all dies vor Augen führen und zum kritischen Nachdenken und Handeln anregen.xiii Mit Hilfe von Farbe und den damit verbundenen Emotionen wird das Gesehene lebendiger und so werden dies auch unsere Gedanken und unser Denken.
Quellenangaben
i Leitner, Matthias; Sorg, Sebastian; Sponsel, Daniel (Hrsg.) (2014): Der Dokumentarfilm ist tot, es lebe der Dokumentarfilm. Marburg: Schüren-Verlag GmbH. Titelblatt.
ii Vgl. Das Gupta, Oliver (2016): Ein Film und seine Geschichte - Roundhay Garden Scene: Wie der älteste Film ent-stand. Online im Internet unter: http://www.sueddeutsche.de/kultur/roundhay-garden-scene-wie-der-aelteste-film-der-filmgeschichte-entstand-1.3205210#redirectedFromLandingpage . [Stand: 30.06.2018].
iii Cador, Yannick (2015): Die Brüder Lumière und die Erfindung des Kinos. In: ARTE Info. Online im Internet unter: https://info.arte.tv/de/die-brueder-lumiere-und-die-erfindung-des-kinos. [Stand: 01.07.2018].
iv Vgl. Lumière, Louis; Lumière, Auguste (1895): La Sortie de l’Usine Lumière à Lyon. In: Institut Lumière. Im Internet unter: https://www.youtube.com/watch?v=6TwV4uCrDhY. [Stand: 01.07.2018].
v Vgl. Cador, Yannick (2015): Die Brüder Lumière und die Erfindung des Kinos – Die Anfänge des Kinos 2/5. TC: 00:01:00. In: ARTE Journal. Online im Internet unter: https://info.arte.tv/de/die-brueder-lumiere-und-die-erfindung-des-kinos . [Stand: 01.07.2018].
vi Vgl. Karasek, Helmut (1994): Lokomotive der Gefühle. In: DER SPIEGEL 52/1994. Online im Internet unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13687466.html. [Stand: 01.07.2018].
vii Vgl. Cador, Yannick (2015): Die Brüder Lumière und die Erfindung des Kinos – Die Anfänge des Kinos 4/5. TC: 00:00:28. In: ARTE Journal. Online im Internet unter: https://info.arte.tv/de/die-brueder-lumiere-und-die-erfindung-des-kinos . [Stand: 01.07.2018].
viii Sponsel, Daniel (2007): Der schöne Schein des Wirklichen. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH. S. 7-11.
ix Vgl. Gensch, Goggo (2018): Warum Dokumentarfilme so wichtig sind Interview. TC: 00:02:24. In: SWR2 Radio. Online im Internet unter: https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/journal/swr-doku-festival-2018-in-stuttgart-warum-dokumentarfilme-so-wichtig-sind/-/id=659282/did=21956016/nid=659282/1gz1lvw/index.html . [Stand: 01.07.2018].
x Pennington, Jon (2015): Before they became common, how did people react to watching a full-colour movie for the first time?. Online im Internet unter: https://www.quora.com/Before-they-became-common-how-did-people-react-to-watching-a-full-colour-movie-for-the-first-time. [01.07.2018].
xi Vgl. Hinghofer-Szalkay, Helmut (2014): Physiologie der Sinnesorgane – Informationsverarbeitung in der Netzhaut. Online: http://physiologie.cc/XIV.6.htm
xii Footage von ElTaller.pe: https://www.youtube.com/channel/UCTxElJbR9zfy2lj4p7_66ig; Lima; Peru (2016).
xiii Vgl. Gensch, Goggo (2018): Warum Dokumentarfilme so wichtig sind Interview. TC: 00:02:24. In: SWR2 Radio. Online: https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/journal/swr-doku-festival-2018-in-stuttgart-warum-dokumentarfilme-so-wichtig-sind/-/id=659282/did=21956016/nid=659282/1gz1lvw/index.html

Mitvortragende: Patricia Christmann
Vortrag auf Veranstaltung: ZDOK
Veranstaltungsort: Zürich
Datum: 22.03.2019

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Autoren

Eingetragen von

Name:
Prof. Katja Schmid  Elektronische Visitenkarte


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