Abschlussarbeit

Narrative im Employer Branding

Wertebasierte Erzählstrukturen als strategischer Faktor in der Personalakquise

Der Begriff Storytelling erfreut sich im unternehmerischen Kontext immer größerer Beliebtheit. Aufgrund teilweise höchst unterschiedlicher Definitionen bleibt dabei allerdings oft unklar, wie sich aus narrativ getriebenen Betrachtungsweisen konkrete strategische Überlegungen und Handlungen ableiten lassen. Diese Arbeit nähert sich daher der Fragestellung, inwiefern Storytelling als logische Erweiterung der Unternehmenskultur und -werte verstanden werden kann. Dabei soll am Beispiel des Employer Branding veranschaulicht werden, wie Storytelling und wertebasierte Kommunikation innerhalb einer Organisation entstehen und dabei definiert, visualisiert sowie strategisch gestaltet werden können. Sie zeigt auf, dass am Anfang und Ende des strategischen Unternehmensnarrativs stets die menschliche Perspektive steht, deren Kenntnis und Verständnis langfristig betrachtet den grundlegenden Erfolgsfaktor in der kulturellen Kommunikation jeder Organisation darstellt.

Zunächst einmal sollte darauf hingewiesen werden, dass die narrative Betrachtung von Organisationskultur, Kommunikationsmethoden und betriebswirtschaftlichen Prozessen diese nicht vollumfänglich erfassen und beschreiben kann, sondern lediglich eine von vielen möglichen Betrachtungsweisen darstellt. Nichtsdestotrotz lohnt sich eine solche Betrachtung vor allem im Hinblick auf die immer populärer werdende Verwendung des Begriffs Storytelling in der internen und externen Unternehmenskommunikation. Dabei ist festzustellen, dass das Narrativ (die Grundlage der „Story“) eines Unternehmens nicht im kontextfreien Raum strategisch erschaffen werden kann, sondern sich stets aus den Menschen innerhalb der Organisation speist. Zwischen diesen entsteht in der alltäglichen Zusammenarbeit ein ausgesprochener und unausgesprochener Konsens über den Umgang miteinander, die angestrebten organisationalen Ziele sowie das gemeinsame Wertekonstrukt. Dieser Konsens kann als Kultur der Organisation verstanden werden und bildet die Grundlage und den Bewertungsmaßstab für das beobachtbare Handeln aller Organisationsmitglieder. Sie bildet damit das sogenannte Meta-Narrativ (s. 3.1). Um Unternehmenskultur, bzw. das Meta-Narrativ, greifbar zu machen, gibt es verschiedene Tools, die sich in ihrer Anwendung und Praktikabilität unterscheiden, etwa das Cultural Value Assessment nach Barrett oder eine freie Anwendung des Wertekreises nach Davidov & Schwartz. Mithilfe solcher Tools kann das Kulturverständnis einer Organisation gemessen und grafisch aufbereitet werden. Diese Aufbereitung kann in der Folge zur strategischen Definition von kulturellen Zielen und gelebten Werten genutzt werden.

Unternehmen kommunizieren ihr Werteverständnis dabei mithilfe von Narrativen und Geschichten, deren Bezugsgröße zwar variieren kann, in der erzählerischen Ausformung allerdings meistens das Unternehmen als handelnde, proaktive Entität beschreibt. Dieses unternehmenszentrierte Primärnarrativ impliziert dabei stets ein weiteres bewerberzentriertes Sekundärnarrativ. Beide Narrative überschneiden sich in ihrem Endzustand. Durch diese narrative Synthese werden die Organisationsziele mit den individuellen Zielen des Bewerbers in Einklang gebracht und eine Win-Win-Situation impliziert. Prozessual betrachtet handelt es sich dabei allerdings lediglich um den ersten Schritt innerhalb eines Bewerbungsverfahrens. Die implizierte synergetische Einheit der individuellen mit den organisationalen Zielen soll zu einer aktiven Handlung seitens des Bewerbers führen (dessen Bewerbung). Kommt es zu einer solchen, verlässt der Bewerber damit seinen bisherigen semantischen Raum (arbeitsuchend), um in den zuvor vom Unternehmen beworbenen semantischen Raum (angestellt bei XY) eintreten zu können. Dazwischen liegt der semantische Raum des Bewerbungsprozesses (oder der Auswahl), wobei jeder Übertritt von einem semantischen Raum in den anderen ein relevantes Ereignis darstellt (s. 5.2). Strukturanalytische Betrachtungen aus der klassischen Erzähltheorie können dabei genutzt werden, die Struktur eines Prozesses als die Geschichte der beteiligten Akteure zu skizzieren. Die hierarchische Ordnung aller Ereignisse innerhalb eines Prozesses anhand ihrer Relevanz hilft bei der Beurteilung der wahrgenommenen emotionalen Bedeutsamkeit einzelner Touchpoints.

Zusammengefasst lässt sich also festhalten, dass ab dem Moment der Gründung einer Organisation eine Organisationskultur entsteht, die auf das persönliche Werteverständnis der Gründer aufbaut und sich stetig dynamisch weiterentwickelt. Die Erkenntnisse dieser Arbeit lassen sich dabei mit leichten Anpassungen auch auf andere kulturelle Prozesse innerhalb einer Organisation anwenden. Sie soll anhand der narrativen Analyse sichtbar machen, wie die Organisationskultur interne und externe Kommunikation inhaltlich speist. Diese zwangsläufig wertebasierte Kommunikation wiederum nimmt Einfluss auf die Gestaltung, Wahrnehmung und emotionale Bewertung aller organisationalen Prozesse durch die beteiligten Stakeholder. Kultur ist damit der ständige und iterative Prozess der Entstehung, Bewertung und Anpassung aller individuellen Erwartungshaltungen innerhalb eines Kollektivs.

Die Ergebnisse dieser Arbeit sind als beispielhaftes Gedankenkonstrukt zu verstehen, implizieren allerdings interessante Forschungslücken. Die offensichtlichen Anstrengungen seitens der in Kapitel 4 beobachteten Unternehmen, ein möglichst breites Wertespektrum in ihrer Kommunikation abzubilden, widersprechen dem Differenzierungsgedanken nach Porter. Es erscheint also spannend, sich mit den Implikationen dieser Beobachtung auseinanderzusetzen. Darunter fallen etwa Fragestellungen, wie Differenzierungsstrategien in der Wertekommunikation aussehen und kategorisiert werden könnten, und welchen Einfluss eine spezialisiertere Ausrichtung innerhalb des Wertekreises nach David et al. 2008 auf die wahrgenommene Attraktivität haben kann. Außerdem ist festzuhalten, dass es sich bei den genannten Beobachtungen um ungewichtete Einordnungen handelt. Die selben Verfahren können allerdings über eine zu definierende Menge an Beobachtern im Durchschnitt und mit jeweiliger Gewichtung zur Betrachtung individueller Kommunikationsmethoden eingesetzt werden. Dies ermöglicht einerseits in der weiteren Forschung, andererseits im Umfeld strategischer Unternehmensführung, erweiterte Möglichkeiten zur Abbildung und Beurteilung der Wertekommunikation.

Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass Werte grundsätzlich eine sehr subjektive Größe darstellen, da sie im Kern unserer menschlichen Individualität entstehen und diese letztendlich dadurch erst definieren. Die in dieser Arbeit vorgestellten und entwickelten Methoden sollen dabei helfen, diese Größen greifbarer, visualisierbarer und damit einfacher in ihrer methodischen Betrachtung zu machen. Trotzdem sollte abschließend betont werden, dass menschliche Werte niemals als rein strategische Komponente betrachtet werden können, sondern sich stets aus dem alltäglichen und natürlichen Verhalten aller Mitglieder einer Organisation speisen. Es liegt stets im individuellen Ermessen einer Organisation, wie sie ihre Wertekommunikation gestaltet und wie sehr sie sich bei deren Gestaltung an ihrer eigenen kulturellen Basis orientiert. Eine langfristige Zufriedenheit aller Beteiligten kann allerdings nur dann gewährleistet werden, wenn der Mensch als Individuum im Fokus steht. Auch ein neues Organisationsmitglied muss sich nach dem Eintritt im kollektiven Werteempfinden wiederfinden können. So führt eine offene, klare und ehrliche Wertekommunikation in logischer Konsequenz auf lange Sicht automatisch von einem wahrgenommenen Fit zu einem tatsächlichen Fit. 


Autoren: Haug, Oliver
Seiten: 73


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Oliver Haug

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Prof. Dr. Michael Weißhaupt  Elektronische Visitenkarte


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