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Die Top-10 Bausteine für mehr Nachhaltigkeit im Flexodruck

Die Top-10 Bausteine für die Nachhaltigkeit im Flexodruck

Das Streben nach der Nachhaltigkeit ist längst überall angekommen. Bei der Verpackung natürlich im Allgemeinen, aber selbstverständlich auch bei den angewendeten Druckverfahren. Der Flexodruck ist da keine Ausnahme, auch wenn er von Hause aus mit guten Voraussetzungen an den Start geht. Die erste größere Fachveranstaltung des DFTA Fachverbands in 2024, nämlich das Fachsymposium 2024-1 widmete sich daher auch wieder einmal diesem Thema und lieferte bedeutende Bausteine für mehr Nachhaltigkeit. Der Autor gibt hier ein Ranking nach seiner eigenen Einschätzung wieder.

Vier Referenten aus unterschiedlichen Bereichen waren hier aufgeboten, den Teilnehmern die thematisch versprochenen Bausteine für die Nachhaltigkeit zu liefern. Es handelte sich dabei um Herrn Christian Huth (APEX), Herrn Dr. Dieter Niederstadt (Asahi Photoproducts), Herrn Hermann Koch (BOBST) und Herrn Remo Friebe (Print´n Pack). Aus unterschiedlichen Blickwinkeln untersuchten sie den Flexodruck und lieferten dankenswerterweise die folgenden Bausteine.

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Abbildung 1: Referenten und ModeratorInnen: v.l. Prof. Dr. Martin Dreher, Hermann Koch, Rainer Wilke-Kasanicky, Remo Friebe, Anke Frieser-Tausch, Dr. Dieter Niederstadt, Nicola Kopp-Rostek, Christian Huth

Platz 10: Komponenten in Stand halten – auch präventiv! 

Remo Friebe ermunterte uns dabei, beispielsweise die Rasterwalzen einer regelmäßigen Reinigung zu unterziehen, anstatt sie immer so lange zu fahren, bis der mangelnde Farbübertrag nicht mehr akzeptabel ist. Letzterer erzeugt sehr große Differenzen zwischen den Druckergebnissen vor und nach der Reinigung. Weniger gut qualifizierte Bediener, mit denen wir es zukünftig immer öfter zu tun haben werden, haben zunehmend mehr Mühe, diese Situation zu bewältigen, benötigen dazu immer mehr Zeit und verursachen viel Abfall, natürlich mit entsprechend negativen Konsequenzen für den Faktor Nachhaltigkeit.

Gehirn im Kopf mit einfarbiger FüllungPlatz 9: Prozess vereinfachen und gut trainieren, das fördert die ökonomische Nachhaltigkeit!

Bereits aus dem Platz 10 hat sich nahezu unweigerlich ergeben, dass wir unsere Prozesse vereinfachen und sie dem Personal sehr gut beibringen müssen. Wie gesagt ist ein abnehmender Grad an Qualifikation zu erwarten, womit zwingend umzugehen ist, wenn das Unternehmen mittelfristig überleben möchte. Diese ökonomische Nachhaltigkeit ist auch eine der (drei) Säulen der Nachhaltigkeit, sie wird im Schatten der viel besser bekannten ökologischen Nachhaltigkeit nur gerne übersehen.

Lupe mit einfarbiger FüllungPlatz 8: Druckformherstellung kann/muss Toleranzen verkleinern!

Dieser Baustein ergab sich aus einer der Aussagen von Hermann Koch. Für das allseits diskutierte Drucken mit fester Farbpalette, oftmals auch als ECG bezeichnet, ist der Passer das entscheidende Kriterium für die Funktion und Druckqualität. Passend dazu kam von Dr. Dieter Niederstadt die Aussage, dass die wasserauswaschbaren Fotopolymer-Flexodruckplatten dank ihrer geringeren Fertigungstoleranzen in punkto Dimension hierbei besser aufgestellt sind. Meine persönliche Anmerkung dazu: natürlich gibt es noch mehr Möglichkeiten, den Passer positiv zu beeinflussen, aber alles was in diese Richtung wirkt kann potentiell positiv für die Nachhaltigkeit sein. Genau lässt sich das natürlich erst nach einer Einzelfallbetrachtung sagen.

Erneuerbare Energien mit einfarbiger FüllungPlatz 7: An der Reproduzierbarkeit arbeiten!

Dieser Denkanstoß kam abermals von Remo Friebe. Seine These, dass Reproduzierbarkeit der Nachhaltigkeit hilft, weil sie Ressourcen in Form von Abfall, Zeit und Energie sparen hilft, kann ich vollends unterstützen. Reproduzierbarkeit und Zielgenauigkeit sind äußerst mächtige Werkzeuge für das Streben nach sowohl ökologischer als auch ökonomischer Nachhaltigkeit! Trachten wir also danach, in der Druckerei nicht mehr so viel zu „basteln“, sondern mehr industriell zu arbeiten. Das steckt in diesem Aspekt nämlich letztenendes drin.

Platz 6: Plausibles Messen hilft, die Ziele mit weniger Zweifel und Interpretationsspielraum zu erreichen!

Diese sinngemäß zitierte Aussage kam von Hermann Koch, der uns hierzu einen Digital Inspection Table aus seinem Hause nahelegte. Ich finde, er hat damit eine technische Facette angesprochen, bei der in der Praxis sehr häufig Fehler passieren beziehungsweise riskiert werden. Die Beurteilung von gedruckter Farbe ist nämlich trotz allseits im Einsatz befindlicher Farbmessgeräte kein Selbstläufer (weswegen es ja auch den erwähnten Messtisch gibt). Im Gegenteil, für eine kompetente Beurteilung braucht es ein Ausmaß an Fachkompetenz wie bei wenigen anderen technischen Details des Druckens. Aus meiner Sicht zu wenig Beachtung findet aktuell die Notwendigkeit, sich dieses Fachwissen zu erwerben. Zumal also eigentlich nur ein recht begrenztes Maß an Weiterbildung schon enorm hilft, betrachte ich das als eine der niedrighängenden Früchte am Baum der Nachhaltigkeit.

Platz 5: Ein intelligenter Prozess-Standard kann Rüstaufwand und entsprechende Ressourcen sparen helfen

Diese sinngemäße Aussage von Dr. Dieter Niederstadt berührt einen meiner Meinung nach sehr wichtigen Schritt für die Weiterentwicklung unseres Druckverfahrens, ist jedoch auch einer der schwierigsten! Unser Redner hat hier von einer notwendigen Vereinheitlichung gesprochen, die jedoch interpretiert werden muss. Von welcher Vereinheitlichung ist da die Rede? Etwa die von Geräten, Systemen oder gar Materialien? Das käme einer Monopolisierung gleich, kann also in einem Markt, der vom Wettbewerb lebt, sicherlich nicht die erwünschte Bedeutung sein. Ist also vielleicht stattdessen die Vereinheitlichung der Zielwerte im Druckergebnis gemeint? Das wäre aus meiner Sicht noch viel fataler als eine Monopolisierung! Die Vielfalt an Materialien, die wir im Flexodruck verarbeiten – sowohl auf der Seite der Substrate einerseits, aber auch ausdrücklich auf der Seite der Druckfarben andererseits – ist so bedeutend, dass es eine schier unendlich große Zahl von möglichen Kombinationen gibt. In Form eines Prozess-Standards vorgeschriebene Zielwerte für beispielsweise das farbliche Aussehen der Prozessfarben (CMYK) alleine wären da schon „tödlich“, weil sie die Druckerei zum ständigen Nachnuancieren zwingen. Keine wirkliche Option in meinen Augen! Deswegen arbeiten wir mit unserer DFTA Initiative in eine andere Richtung und haben das unter anderem mittels unseres frei verfügbaren Leitfadens für Druckdaten (aus dem DFTA Arbeitskreis Technik) auch schon zugänglich gemacht. Summa summarum ein äußerst komplexes Thema, dass leider hier in diesem Rahmen nicht vollständig behandelt werden kann.

Platz 4: Kunststoffe durch Faserstoffe substituieren – die brauchen dann aber Barriere!

Dieser Baustein wurde in der Veranstaltung nicht explizit angesprochen, schwebte aber ständig über uns. Die Ersetzung von Kunststoffen in den Verpackungen durch Faserstoffe erlebt momentan eine hohe Dynamik im Markt. Ich persönlich warne diesbezüglich vor Panikreaktionen. Meine oft geäußerte Meinung dazu ist, dass die Faserstoffe nicht so gut und die Kunststoffe nicht so böse sind, wie sie momentan gesehen werden. Eine Welt ohne Kunststoffe ist nicht denkbar, auch nicht die Welt der Verpackungen, verteufeln wir also die Kunststoffe nicht. Dennoch, mit dem besagten Trend zum Faserstoff gilt es natürlich aktuell umzugehen. Immerhin, dank der Vielfalt an Materialien, die der Flexodruck verarbeiten kann, spricht da alles für dieses Verfahren, wenn es darum geht, die notwendige Barriere möglichst spät im Prozess maßgeschneidert aufbringen zu können. Bei kluger Anwendung ist das sicherlich ein Baustein für die Nachhaltigkeit des Verfahrens beziehungsweise der entstehenden Verpackungen.

Platz 3: Minimalismus, auch bei der Bildgebung in der Druckformherstellung!

Hier interpretiere ich die Äußerungen von Hermann Koch zugegebenermaßen ziemlich frei. Seine Forderung, die Toleranzen vor allem der Druckformen noch weiter zu senken kombiniere ich hier mit weiteren Details aus seinem Vortrag zu der These, dass wir manche Dinge bereits zu feingliedrig handhaben und machen. Muss es denn immer der Feinst-Raster sein? Bekanntermaßen ist mein eigenes Bestreben seit einigen Jahren, die Ausuferungen unserer Technikverliebtheit wieder einzufangen. Ich plädiere für einen intelligenten Minimalismus. Machen wir die Dinge nur so gut und fein, wie sie getan werden müssen, und nicht, wie sie getan werden können! Dazu habe ich mich in separaten Veröffentlichungen aber auch schon geäußert und möchte das hier nicht noch mal wiederholen.

Platz 2: Farbreihenfolge nicht mehr ändern!

Ein weiterer Denkanstoß, der aus dem wertvollen Vortrag von Hermann Koch hervorgeht: Warum die Farbreihenfolge ständig ändern? Das verursacht erheblichen Aufwand beim Rüsten der Druckmaschine, somit Verlust an Zeit, Energie und Material (in Form von Abfall). Auch ich plädiere in meinen Kursen schon seit längerem dafür, die Farbfolge zwischen Frontaldruck und Konterdruck nicht mehr zu ändern, bin also im Widerspruch zur aktuell gängigen Praxis. Die entsprechenden farblichen Anpassungen am Motiv, die in Folge des unterschiedlichen Schichtaufbaus notwendig sind, muss heutzutage das Farbmanagement erledigen, nicht die Bedienungsmannschaft an der Druckmaschine! Natürlich ist das nur für „neue“ Aufträge plausibel, bei denen keine durch vorausgehende Fertigungen etablierte Prozessfolge gegeben ist. Vielen Dank an Hermann Koch für die Bestätigung, dass das auch in seiner (ECG-) Praxis funktioniert.

Sparschwein mit einfarbiger FüllungPlatz 1: Druckfarbe besser übertragen & sparen

Christian Huth lieferte uns in seinem Vortrag nicht nur die Anregung, sondern mittels handfester und belastbarer Untersuchungsergebnisse auch die Bestätigung, dass entsprechende Maßnahmen zur Förderung der Farbübertragung entweder zur Verstärkung des Farbtons oder zur Einsparung von Druckfarbe bei Beibehaltung des Farbtons genutzt werden können. Inzwischen sind die dafür oft notwendigen Strukturen auf der Oberfläche der Druckbildstellen auch nichts exotisches mehr. Wir haben somit die (digitalen) Werkzeuge, Ressourcen – in Form von Druckfarbe – direkt einzusparen. Gut für ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit!

 

Fazit

Das DFTA Fachsymposium 2024-1 reiht sich nahtlos in die Folge denkwürdiger Fachveranstaltungen ein, die aktuelles – die Themen rund um Nachhaltigkeit – mit Optimierungen von Qualität und/oder Wirtschaftlichkeit verbinden. Wir haben mindestens zehn Bausteine (dieser Bericht würdigt nur die zehn besten aus der Sicht des Autors) für die Verbesserung der Nachhaltigkeit unseres Druckverfahrens mit nach Hause nehmen dürfen. Unser Dank gilt daher den Referenten Herr Christian Huth (APEX), Herr Dr. Dieter Niederstadt (Asahi Photoproducts), Herr Hermann Koch (BOBST) und Herr Remo Friebe (Print´n Pack). Der interessierten Leserschaft soll hier allerdings auch unser neues DFTA Mittelstand Netzwerk Nachhaltigkeit in Druck und Verpackung ans Herz gelegt werden. Wir kümmern uns darin – nun in größeren Rahmen – gemeinsam weiter um die Nachhaltigkeit von Druck und Verpackung. Seien auch Sie dabei!

 

Stuttgart, Mai 2024

Prof. Dr. Martin Dreher



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Prof. Dr. Martin Dreher  Elektronische Visitenkarte


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