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Ein Paket und unzählige Handgriffe

Die Stuttgarter-Gruppe vor dem Start der Besichtigungstour (Foto: pd019)
Die Stuttgarter-Gruppe vor dem Start der Besichtigungstour (Foto: pd019)
Im Zalando-Logistik-Zentrum in Erfurt (Foto: Zalando)
Im Zalando-Logistik-Zentrum in Erfurt (Foto: Zalando)

Am 4. November machte sich die Mediapublishing-Gruppe unter Leitung von Prof. Ulrich Huse auf zu Zalando, um einen Einblick in die Abläufe des stark gewachsenen Online-Unternehmens zu erlangen. Das Erfurter Logistik-Lager- und Versandhaus ist eines der modernsten und größten des Zalando Fashion- und Technology Online-Händlers in Europa.

Das von Berlin aus dirigierte Logistiklager umfasst fünf Hallen mit einer Lagerfläche von 240 000 qm. Von dort aus werden Waren in 15 europäische Länder versandt. Rund 3 000 Mitarbeiter kümmern sich darum, dass alles läuft, wie es soll.

Sicherheit an erster Stelle

Zalando praktiziert strenge Sicherheitsbestimmungen: Jeder Gast muss sich ausweisen, erhält Besucherausweis, Sicherheitsweste und -schuhe. Jacken, Schals, Taschen, Smartphones und Armbanduhren werden aus Sicherheitsgründen eingeschlossen. Erst danach darf man unter Aufsicht eines ›Touristguides‹ die ›heiligen Hallen‹ durch ein Sicherheitskreuz betreten.

Die Stuttgarter Gruppe wird von Daniel Paulmann geführt: Er gehört zu den ersten Mitarbeitern des Erfurter Standortes, der 2012 in Betrieb genommen wurde. Im Alltag ist Daniel - bei Zalando herrscht die amerikanische Duz-Kultur - für das Training und die Weiterbildung des Führungspersonals verantwortlich.

Die ersten Handgriffe: Vom LKW ins Lager

Die Führung beginnt im Wareneingang. Durch viele nebeneinanderliegende Tore werden Paletten und Pakete von den LKWs geladen und in einer sog. Pufferzone hinter den Toren zwischengelagert. Danach wird die Ware beim ›Receive-Vorgang‹ registriert. Hier kommt noch keine Fördertechnik zum Einsatz, da es länger dauern würde, die Kartons maschinell an die Arbeitsplätze der ›Receiver‹ zu verteilen. Artikel für Artikel wird der Inhalt der Kartons entnommen, gescannt und mit einem Zalando-eigenen System-Code versehen.

Die so erfassten Artikel landen dann in einer orangenen Plastikwanne. Jede Wanne verfügt über einen eigenen Code. So kann das System mitverfolgen, welche Artikel in welcher Wanne sind und wo sich diese beim Transport im Lager befinden. Das ist bei insgesamt 30 km Förderbandtechnik nötig, um nicht die Übersicht zu verlieren. Zusätzlich befindet sich im Wannenboden ein RFID-Chip, der mit der Steuerung der Fördertechnik kommuniziert.

Zunächst wird die volle Wanne per Förderband in eines der Kommissionierungslager (kurz ›KoLa‹ genannt) transportiert. Die Wanne kommt an einem ›Bahnhof‹ inmitten der Regale an und wird von einem Mitarbeiter an einem freien Lagerplatz deponiert, der ebenfalls mit einem Code gekennzeichnet ist und gescannt wird. Damit weiß das System, an welcher Position die Ware eingelagert ist. In den Regalen herrscht ein farbenfrohes Durcheinander: Die Schuhe und Textilien werden nicht nach Marke oder Produktart sortiert, sondern wahllos eingelagert. Dieses Prinzip der ›chaotischen Lagerhaltung‹ hilft, die Kapazitäten voll auszunutzen, erklärt Daniel. Außerdem erleichtere die Durchmischung die Suche nach bestimmten Artikeln, die sich gut an den unterschiedlichen Farben der Kartons identifizieren lassen. Würde man beispielsweise alle Adidas-Schuhe nebeneinander lagern und ein bestimmtes Modell dieser Marke suchen, würden die Mitarbeiter es nicht auf den ersten Blick erkennen ...

Bei jeder neuen Bestellung sieht ein Mitarbeiter auf seinem Pick-Monitor die genaue Position der Ware. Er sammelt mehrere Artikel von verschiedenen Kundenbestellungen und legt diese in eine Wanne. Die Einzelteile eines größeren Kundenauftrags werden erst später zusammengeführt. Zunächst geht es darum, so viele Teilbestellungen wie möglich aus den Regalen zu holen, in einer Wanne zu deponieren und in Umlauf zu bringen.

Die ›Outburn-Phase‹: Vom Lager zum Kunden

Die Förderbänder, im Pack-Prozess ›Packstraßen‹ genannt, schlängeln sich augenscheinlich kreuz und quer durch die Hallen und enden fast direkt vor den wartenden Containern und LKWs. Hinter ihnen steckt aber eine ausgeklügelte Struktur.

Die Ware in den orangenen Wannen wird zunächst zu mobilen Regalen befördert. Ein Mitarbeiter räumt die Artikel von Hand ein. Jedes Fach steht für eine Bestellung und kommt anschließend in einen Karton. Ist ein Paket zugeklebt, wird es zurück auf die Packstraße geschoben. Vielteilige Bestellungen, die nicht mehr in die Regalfächer passen, nehmen ihren eigenen Weg: Die Einzelteile rutschen von einem erhöhten Band zu besonderen Packstationen. Die Packtische dort sind beweglich, der Mitarbeiter ›wandert‹ damit von Fach zu Fach am Band entlang.

»Das Band ist unsere Achilles-Ferse«, erklärt Daniel. Wenn es einmal stillsteht, kann niemand in der Halle arbeiten. Deshalb wird dieser Teil des hoch komplexen Systems besonders häufig gewartet - am Wochenende, wenn die ansonsten in drei Schichten organisierte Arbeit ausnahmsweise ruht.

Das Tempo aller ist geschäftig, man spürt den Rhythmus, den jeder gefunden hat, die Handgriffe sitzen. Während die Studierenden dem Guide zuhören und die Abläufe zu verstehen versuchen, rutschen Hunderte fertige Pakete auf die Packstraßen. »Wir haben noch nie Billiglöhne gezahlt«, antwortet Daniel auf die Frage nach der Bezahlung. Außerdem erhielten alle Mitarbeiter einen großzügigen Warenrabatt von 40 % bei Einkäufen für den Eigenbedarf.

Am Warenausgang angekommen, bleibt die Gruppe wieder stehen. »Hier spielen unsere Mitarbeiter den ganzen Tag 3-D-Tetris«, kommentiert Daniel schmunzelnd das Geschehen: Besagte Mitarbeiter des ›Shippings‹ stehen in den offenen Laderäumen, sammeln die unterschiedlich großen Pakete vom Ende des Bands und verstauen sie so platzsparend wie möglich. Hier ist keine Standardisierung möglich.

Daniel erklärt, dass Zalando stets bemüht sei, die Arbeitsprozesse zu optimieren, ohne das Personal zu ›verbiegen‹. Für jeden Mitarbeiter werde versucht, den passenden Platz im Logistikzentrum zu finden - denn nur wenn er sich wohlfühlt, wird er auch optimale Leistung bringen.

Kein einfaches Geschäftsmodell

Zum Schluss wirft die Gruppe noch einen Blick in die Halle für Retouren. Hier werden alle zurückgeschickten Pakete (und das sind sehr viele) geöffnet und die Produkte begutachtet. Unbeschädigte Schuhe und Kleidungsstücke werden neu verpackt und von Hand zurück in eines der KoLas gefahren. Ein spezialisiertes Team kümmert sich um die beschädigten Artikel, reinigt und repariert - falls möglich -, um den Ausschuss so gering wie möglich zu halten. »Die Retourenquote über alle Märkte und Kategorien hinweg beträgt inzwischen weniger als 50 %«, erklärt Daniel stolz - eine der ganz wenigen Zahlen, die er im Lauf der fast zweistündigen Führung preisgibt. Er beklagt aber auch, dass es Kunden gebe, »die Teile mutwillig beschädigen oder uns etwas zurückschicken, was wir gar nicht geliefert haben«. Diese Fälle werden dann über das Kundenzentrum in Berlin abgewickelt.

Also: Ein Paket, unzählige Handgriffe und am Ende der langen Ereigniskette jedes zweite Mal ein Freudenschrei! Ob dieses Geschäftsmodell trägt, bleibt das Geheimnis von Zalando.

jk183, pd019

 

14. November 2016