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»In die Vergangenheit schauen, um die Zukunft besser sehen zu können«

Prof. Ulrich Huse im Gespräch mit Czernin-Verleger Benedikt Föger (l.) und Hersteller Burghard List
Prof. Ulrich Huse im Gespräch mit Czernin-Verleger Benedikt Föger (l.) und Hersteller Burghard List
Mediapublisherinnen mit ihrem Buchgeschenk aus der Czernin-Produktion (Fotos: jk144)
Mediapublisherinnen mit ihrem Buchgeschenk aus der Czernin-Produktion (Fotos: jk144)

Am zweiten Tag der Exkursion nach Wien besuchten die Mediapublisher den Czernin Verlag in der Josefstadt. Von außen weist außer einem Klingelschild nichts darauf hin, dass hinter der Tür einer der profiliertesten Verlage Österreichs residiert. Seit 2008 leitet Benedikt Föger den Verlag, der im Jahr 1999 von Hubertus Czernin († 2006) gegründet wurde.

Herausforderungen des Verlagsalltags

In den modern eingerichteten und angenehm temperierten Souterrainräumen begrüßte der Verleger die Besuchergruppe per Handschlag. »Wir sind schon der klassische Wiener Stadtverlag«, beschrieb Föger, seit 2014 auch Präsident des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels, sein Unternehmen. In entspannter Atmosphäre erzählte er anschließend anschaulich von den Herausforderungen des Verlegerlebens. Die größte Schwierigkeit für einen kleinen Verlag sei es, bekannte Autoren zu halten. Allerdings sei es »verständlich und nachvollziehbar«, wenn ein Autor, der einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat, zu einem der großen deutschen Verlage wie Rowohlt oder Hanser wechsle. Mit deren Vertriebsstärke könnten die österreichischen Verlage nicht konkurrieren. Trotzdem gebe es auch Autoren, die seinem Verlag aus Prinzip treu blieben.

Geschichtsbewusstsein und Reputation

Wie der Verlagssgründer Hubertus Czernin arbeitete Föger ebenfalls als Wissenschaftsjournalist und Autor, bevor er Verleger wurde. Seine berufliche Vergangenheit passte optimal zum Schwerpunkt des Verlags, denn bei Czernin wird die politische und kontroverse Debatte gepflegt. Ziel sei es, so Föger, gut recherchierte Sachbücher herauszubringen. Seit einigen Jahren wird das Programm um den Bereich Literatur erweitert. Das Augenmerk liegt hier auf den Themen, nicht auf dem Umsatz.

Neben der österreichischen Zeitgeschichte widmet sich der Verlag auch in Vergessenheit geratenen Werken, die in der Reihe ›Die Bibliothek der Erinnerungen‹ erscheinen. Anfangs »wurde noch draufgezahlt«, inzwischen läuft die Reihe laut dem Verleger aber sehr gut. Auch Museumskataloge hat Czernin im Programm: Diese machten zwar viel Arbeit, seien jedoch auch sehr lukrativ.

Trotz seiner überschaubaren Anzahl an Mitarbeitern hält der Verlag zurzeit 400 Titel lieferbar und verlegt jährlich ca. 20 neue Bücher. In Österreich ist Czernin einem Großteil der politisch interessierten, gebildeten Bevölkerung bekannt. Wegen seiner Reputation seien viele Österreicher überrascht, wenn sie die tatsächliche Größe des Verlags erfahren. Denn es komme immer wieder vor, dass der Verlag dank einer Novität in allen Tageszeitungen genannt werde. »Wir sitzen dann hier im Keller und denken uns, das haben wir geschafft«, kommentierte Föger nicht ohne Stolz.

Fördermaßnahmen und E-Books

Ein kleiner Verlag hat in Österreich gute Fördermöglichkeiten, die Föger auf Nachfrage erklärte. Nach drei Jahren Publikationstätigkeit kann ein Verlag sich darum bewerben. Vergabekriterien sind die Qualität des Verlagsprogramms und die Professionalität der Arbeit des Verlags. Werden diese Kriterien erfüllt, dann vergibt eine Jury 3x jährlich Fördergelder zwischen 10 000 und 60 000 Euro.

In E-Books, die zeitgleich mit den Printausgaben herausgebracht werden, sieht Föger die Möglichkeit, die Hemmschwelle in den deutschen Markt zu überwinden. Und tatsächlich nehmen auch Kunden außerhalb der eigentlichen Einzugsregion das Angebot wahr. »Mit unseren gedruckten Büchern in den deutschen Markt zu kommen ist angesichts der großen Konkurrenz kaum möglich«, erklärte Föger. Deshalb begreift er die Digitalisierung des Buchmarkts auch nicht als Bedrohung, sondern als Chance zur Erweiterung und Ergänzung zu bereits Bestehendem. Und illegale Downloads seiner Produkte? Auch diese hätten einen positiven Aspekt: Immerhin interessierten sich die Nutzer für den Titel und somit für den Verlag – es komme jetzt darauf an, sie noch zu Käufern zu machen.

Für die Studierenden war der Besuch beim Czernin Verlag ein gelungener Abschluss des zweiten Tages in Wien. Dabei beeindruckte vor allem, wie viel wenige Menschen erreichen können, wenn sie hinter ihrer Idee stehen, und dass der aktuelle Branchenumbruch auch als Chance gesehen werden kann. 

(ah144, jc013)

19. Mai 2015