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»Eine Nachzensur findet statt«

Acht der zehn Referenten der IBG-Jahrestagung an der HdM Stuttgart (Foto: vs061)
Acht der zehn Referenten der IBG-Jahrestagung an der HdM Stuttgart (Foto: vs061)
Podiumsdiskussion mit (v.r.) Wilhelm Haefs (LMU), Petra Meier (BPjM), Autor Timur Vermes und Prof. Ulrich Huse (Foto: se068)
Podiumsdiskussion mit (v.r.) Wilhelm Haefs (LMU), Petra Meier (BPjM), Autor Timur Vermes und Prof. Ulrich Huse (Foto: se068)

Am Freitag, den 8. Juli 2016, diskutierten der Journalist und Bestsellerautor Timur Vermes (›Er ist wieder da‹), Petra Meier von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) und der Buchwissenschaftler Wilhelm Haefs (LMU München) an der Hochschule der Medien Stuttgart über die Frage, wie viel Spott und Satire ein demokratisches System aushalten muss und was verboten gehört.

Die Podiumsdiskussion bildete den Abschluss einer zweitägigen Tagung zu Medienkontrolle und Zensur in demokratisch verfassten Staaten, die im Rahmen der 17. Jahrestagung der Internationalen Buchwissenschaftlichen Gesellschaft (IBG) an der HdM stattfand. Ausrichter war der Studiengang Mediapublishing, dessen Studiendekan Prof. Ulrich Huse auch die Gesprächsrunde moderierte.

Hitler-Konjunktur oder: Die Zeit ist reif

Darf man einen Unterhaltungsroman über einen Massenmörder schreiben, dessen Lektüre die allermeisten Leser/innen zum Lachen bringt? Ist es wirklich »saukomisch« (so Christoph Maria Herbst, der das Hörbuch zu ›Er ist wieder da‹ eingesprochen hat), wenn Adolf Hitler aufersteht und die Menschen im heutigen Berlin seine selbstbewusste ›Führerrolle‹ erneut akzeptieren?

Diesen und anderen Fragen zum unglaublichen Erfolg seines Buchs - 2,7 Millionen verkaufte Exemplare, 600 000 Hörbücher und bald 2,5 Millionen Kinobesucher - stellte sich Autor Timur Vermes in der Diskussion: »Warum sollte man nicht darüber lachen dürfen?« Die Zeit sei reif, um endlich unverkrampft auch die lächerlichen Seiten des ›Führerkults‹ darzustellen - ohne erhobenen Zeigefinger und didaktische Zielsetzung.

Die Runde diskutierte auch die Bedeutung der Kritischen Edition von Hitlers ›Mein Kampf‹, die Anfang 2016 erschien und es im Frühjahr auf Platz 1 der ›Spiegel‹-Sachbuch-Bestsellerliste schaffte. Müssen wir damit leben, dass Adolf Hitlers Hetzschrift demnächst auch wieder in unkommentierten Ausgaben der Originalfassung frei zu kaufen ist? Oder gehört ein solches Machwerk nicht verboten, setzt das Grundgesetz dem in Artikel 5 garantierten Recht auf freie Meinungsäußerung nicht auch Grenzen? Eine brisante Diskussion, die auch das Auditorium zu kritischen Beiträgen anregte.

Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit

Insgesamt zehn Vorträge beleuchteten das Tagungsthema aus unterschiedlichsten Perspektiven: Sind Bibliotheken eher Garanten der Meinungs- und Informationsfreiheit oder Kontrollinstrumente? Bedeutet Selfpublishing eine Demokratisierung des Buchmarkts? Welche Rolle spielen ›Intermediäre‹ wie Google, Facebook & Co. in diesem Zusammenhang?

Fälle wie die Diskussion um die ›Schmähkritik‹ des TV-Journalisten Jan Böhmermann oder das andauernde Verbot des Romans ›Esra‹ von Maxim Biller zeigen: Das Thema ›Medienkontrolle‹ ist brandaktuell. Und auch wenn es in Deutschland keine Vorzensur gibt: Eine Nachzensur durch Gerichte und Selbstzensur aus Angst vor den wirtschaftlichen Konsequenzen kritisch-satirischer Meinungsäußerungen finden durchaus statt.

 

Das Programm der Tagung finden Sie hier.

(uhu)

12. Juli 2016