Vortrag

Der Konsument als Botschafter

Wahrnehmung und Einfluss sozialer Markenkontakte

Die alltäglichen Erfahrungen, die Menschen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis mit Marken machen, haben entscheidenden Einfluss auf das Markenerleben.

„Consumers acquire much of their knowledge about products, product users, and their own preferences from the world around them, especially the social context.“ (Puntoni/ Tavassoli 2005, S. 280)

 

So weist die Theorie des Bezugsgruppeneinflusses nach, dass sich Individuen an Gruppen und Personen orientieren, denen sie angehören oder angehören möchten. Eine Orientierung findet dabei auch in Bezug auf Konsumentscheidungen und Markenpräferenzen statt. Die Information, welche Marken andere Menschen nutzen, ist somit für den Konsumenten von hoher Relevanz. (vgl. Bourne 1972; Kroeber-Riel et.al. 2009; Ligas/Cotte 1999)

Die Marketing-Kommunikation versucht, diese Bezugsgruppeneinflüsse für sich nutzbar zu machen, insbesondere durch den Einsatz von Online Communities und Social Media (Facebook, twitter, youtube). Auch innovative Ansätze wie das Word-of-Mouth-, Meinungsführer- und Empfehlungsmarketing nutzen diese Bezugsgruppeneinflüsse. Der Kunde, so die übergreifende Strategie, soll zu einem Botschafter der Marke werden – online wie offline.

Es gibt zahlreiche Studien, die sich mit dem verbalen Austausch von Menschen über Marken befassen (u.a. Defacto Gruppe GMI Global Market Institute 2008; De Bruyn/Lilien 2004; Bowman/Narayandas, 2001; Samson 2006; Nielsen Company U.S. Digital Consumer Report 2011). Zum nonverbalen Einfluss innerhalb von Bezugsgruppen gibt es bislang hingegen keine empirischen Erkenntnisse. Lediglich die implizite Wirkung visuell und unbewusst wahrgenommener Marken-Stimuli, die aus beiläufigen Begegnungen mit fremden Markennutzern entstehen, wurde vor dem Hintergrund der Mere-Exposure-Hypothese untersucht (vgl. Ferraro et.al. 2009; vgl. Kroeber-Riel et.al. 2009, S. 110).

Ausgangspunkt unserer Studie ist darum die Frage, inwieweit Menschen in ihrer näheren sozialen Umwelt Marken an anderen Personen wahrnehmen und von welchen Faktoren ihre Wahrnehmung beeinflusst wird. Hierfür wurden u.a. folgende Hypothesen formuliert:


H1: Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Kontaktintensität zu einer Person und der Anzahl der an ihr erinnerten Marken. Je stärker die Kotaktintensität, umso mehr Marken werden gestützt/ungestützt erinnert.


H2: Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Marken, die ein Proband selbst nutzt und Marken, die er ungestützt für eine andere Person erinnern kann. Marken, die selbst genutzt werden, werden bei anderen Personen eher wahrgenommen und ungestützt erinnert, als Marken, die nicht selbst genutzt werden.

H3: Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Erinnerungsleistung und Markenpassung. Es werden Marken eher gestützt erinnert, bei denen der Verwender dem Bild des typischen Markennutzers entspricht.


Außerdem sollte in der Studie untersucht werden, aus welchen Produktbereichen Marken erinnert werden und auf welcher Art von Erfahrungen diese Erinnerungen gründen (Gespräche, Beobachtungen, Social Media, Empfehlungen).

Zur Untersuchung der angenommenen Beziehungen haben wir im Januar/Februar 2012 eine zweistufige Online-Befragung unter Studierenden durchgeführt. Es wurden hierfür fünf Semesterstufen aus zwei Studiengängen ausgewählt. In der 1. Erhebungsphase wurden die Probanden gebeten, die Namen dreier Marken anzugeben, die sie im Alltag verwenden. Daraus wurde für die 2. Erhebungsphase eine Datenbank generiert. In dieser wurde jeder Proband für je zwei zufällig ausgewählte Kommilitonen aus seinem Studiengang und seiner Semesterstufe befragt nach:

·       Kontaktintensität zum jeweiligen Kommilitonen

·       maximal drei Marken, die dem Probanden am Kommilitonen aufgefallen sind (freie Reproduktion)

·       eigene Verwendung der ungestützt erinnerten Marken

·       erinnerte Kontaktart (Gespräch, Beobachtung, Social Media, Empfehlung)

·       gestützte Erinnerung von drei Marken, die der Kommilitone angegeben hat, zu nutzen

·       Passung zwischen Kommilitone und typischem Markenverwender

Die Datenbank konnte nach der ersten Erhebungsphase aus 156 Studierenden generiert werden. An der zweiten Erhebungsphase nahmen 213 Probanden teil.

Auf Basis der Daten kann die Annahme bestätigt werden, dass Menschen in ihrem sozialen Umfeld als Verwender von Marken bewusst wahrgenommen werden und somit Einfluss auf unser Markenerleben haben. In 60% der Fälle konnten die Probanden für ihren Kommilitonen mindestens eine Marke ungestützt erinnern (gestützt: 75% der Fälle). Zwei oder mehr Marken reproduzierte jeder dritte Proband.

Ein verbaler Austausch ist nicht Voraussetzung dafür – so ein weiteres Ergebnis der Studie –dass soziale Markenkontaktpunkte eine Wirkung auf das Gedächtnis haben. Die meisten sozialen Markenerfahrungen sammelten die Probanden über Beobachtungen im Alltag. Markenerfahrungen in Online-Communities und auf Facebook wurden hingegen verhältnismäßig selten erinnert (s. Anlage), obwohl die Studierenden untereinander digital stark vernetzt sind. Auffällig häufig nannten die Probanden bei der ungestützten Erinnerungsabfrage Marken (Platz 1: Apple; Platz 2: H&M; Platz 3: adidas), die einem starken Bezugsgruppeneinfluss unterliegen (vgl. Bearden/Etzel 1982).

Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Erinnerungsleistung und Kontaktintensität (H1) bzw. Erinnerungsleistung und Selbstnutzung der Marke (H2) konnten bestätigt werden. Je stärker die Kontaktintensität zu einer Person, umso eher konnten Marken für diese Person erinnert werden. Zudem werden 74% aller Marken, an die sich die Probanden frei erinnern konnten, von diesen auch selbst genutzt. Eine Beziehung konnte ebenso zwischen der Wahrnehmung von Marken und dem eigenen Bild des typischen Markenverwenders bestätigt werden (H3): Bei 81% aller gestützt erinnerten Marken passte der Kommilitone gut bis voll und ganz zum Vorstellungsbild des typischen Markenverwenders. Erkannte ein Proband eine Marke nicht wieder, wurde der Kommilitone seltener als typischer Markenverwender bewertet (36% aller Fälle).

Die Studie legt offen, dass Individuen explizites Markenwissen aufgrund von sozialen Markenerfahrungen besitzen und gibt Hinweise darauf, dass diese mit den Vorstellungen über eine Marke, ihren typischen Verwendern und eigenen Markenpräferenzen in Beziehung stehen. Unternehmen sollten deshalb noch stärker den Konsumenten als Botschafter einer Marke und damit als ein „Instrument“ der Marketing-Kommunikation begreifen und nutzen.

 

Ausblick: Eine weitere Studie unter Schülern ist in Planung. Hierbei sollen verstärkt Einstellungen und Meinungsführereffekte untersucht werden.

 

Die vollständigen Studienergebnisse/Extended Abstract können Sie beim Autor unter baetzgen@hdm-stuttgart.de anfordern.

Quellen:

Bearden, W.O./Etzel, M.J. (1982): Reference Group Influence on Product and Brand Purchase Decisions. In: Journal of Consumer Research, Nr. 2. S. 183-194.

Bourne, F. S. (1972): Der Einfluss der Bezugsgruppen beim Marketing. In: Kroeber-Riel, W. (Hrg.): Marketingtheorie. Verhaltensorientierte Erklärungen von Marktreaktionen. Köln, S. 141-155.

Bowman, D. /Narayandas, D. (2001): Managing customer-initiated contacts with manufacturers: The impact on share of category requirements and word-of-mouth behavior. In: Journal of Marketing Research, Nr. 38. S. 291-297.

De Bruyn, A./Lilien, G. L. (2004): A Multi-Stage Model of Word of Mouth Through Electronic Referrals. eBusiness Research Center Working Paper.

Dijksterhuis, A./Smith, P. K. /Van Baaren, R.B. et al. (2005): The Unconscious Consumer: Effects of Environment on Consumer Behavior. In: Journal of Consumer Psychology, Nr. 15. S. 193-202.

Ferraro, R./Bettman, J., R./Chartrand, T., L. (2009): The Power of Strangers: The Effect of Incidental Consumer Brand Encounters on Brand Choice. In: Journal of Consumer Research, Nr. 35. S. 729-741.

Kroeber-Riel, W./Weinberg, P./Gröppel-Klein, A. (2009): Konsumentenverhalten. 9. überarb. Und erw. Aufl., München.

Ligas, M./Cotte, J. (1999): The Process of Negotiating Brand Meaning: A Symbolic Interactionist Perspective. In: Advances in Consumer Research, Nr. 26. S. 609-614.

Puntoni, S./Tavassoli, N. (2005): Motivational Influences of Social Context on Consumer Behavior. In: Advances in Consumer Research, Nr. 32. S. 280.

Samson, A. (2006): Understanding the buzz that matters: Negative vs. positive Word-of-Mouth.In: International Journal of Market Research, Nr. 48. S. 647-657


 

 

 

Mitvortragende: Andrea Klaus
Vortrag auf Veranstaltung: Innovation der Persuasion | Die Qualität der Werbe- und Markenkommunikation in neuen Medienwelten | Jahrestagung der Ad-hoc-Gruppe Werbekommunikation in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft DGPuK
Veranstaltungsort: Universität Würzburg
Datum: 22.11.2012 bis 23.11.2012

Weiterführende Links:
http://www.werbekommunikation.org/


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Andrea Klaus

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