Mittelstand-Digital Zentrum Fokus Mensch
Forschungsleuchtturm
Titel: Information Experience and Design Research Group (IXD)
Kurzbeschreibung:
Die Forschungsgruppe IXD setzt mit ihrer Forschungsausrichtung auf das Erleben von Informationen für das klassische Informationsdesign neue Forschungsprioritäten. Ziel ist es, die Prinzipien einer erlebnisorientierten Nutzung von Informationsmedien zu erforschen und die hierbei gewonnenen Erkenntnisse zur Anwendung zu bringen. Dabei stehen interaktive Medien für den Informationsabruf und die Informationsmanipulation (Benutzungsschnittstellen von Softwareapplikationen für Offline-, Online- oder mobilen Medien) im Vordergrund; untersucht werden aber auch dynamische Medien (z.B. Informations- und Wissenssendungen im Fernsehen) sowie statische Medien (Informationsbroschüren, Bedienungsanleitungen, Beipackzettel). Die aktuellen Forschungsprojekte der Forschungsgruppe setzen einen Fokus auf Gestaltung für Wohlbefinden Arbeits- und Freizeitkontexten, menschzentrierter Digitalisierung sowie Co-Design. Dabei stehen neben anderen Technologien Künstliche Intelligenz und Extended Reality im Vordergrund.
URL: https://www.hdm-stuttgart.de/hochschule/forschung/forschungsschwerpunkte/information_experience
Forschungsprojekt
Titel: Mittelstand-Digital Zentrum Fokus Mensch
Projektbeschreibung (Forschungsfragen, Vorgehen, erwartete Ergebnisse):
Das Mittelstand-Digital Zentrum Fokus Mensch startete am 1. Mai 2023 und integriert neue und spannende Schwerpunktthemen in die Menschzentrierte Digitalisierung. Menschzentrierte Digitalisierung ist ein Schnittstellen- und Querschnittsthema, das im Umfeld der digitalen Transformation alle Unternehmen betrifft. Sie bezieht Nutzende und relevante Interessensgruppen in den Gestaltungsprozess aktiv ein, um ein tiefergehendes Verständnis der Menschen in Privat- und Geschäftsleben zu erreichen. Dieser Ansatz soll als Motor eines digitalen Innovationsprozesses weiterentwickelt werden bei dem Themen in die Gestaltung einbezogen werden, die zu einem guten und wünschenswerten Leben in Arbeit und Freitzeit beitragen. Mögliche positive und negative Wirkungen der Technologien werden von Beginn an reflektiert und in Gestaltungsentscheidungen einbezogen. Das Digital Zentrum arbeitet direkt mit Start-ups, kleinen und mittleren Unternehmen, um Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Nutzenden, KonsumentInnen und Unternehmenskunden zu erkennen, die eigene Produktstrategie erfolgreicher zu gestalten, passende Kooperationspartner zu finden sowie die Methoden und Ansätze der Menschzentrierten Digitalisierung im eigenen Unternehmen zu probieren, weiter zu entwickeln und zu etablieren, um sich so nachhaltig aufzustellen. Dies geschieht mit fünf Themenschwerpunkten sowie einem Angebotsschwerpunkt zur menschzentrierten Gestaltung der Mensch-KI-Interaktion im Rahmen des KI-Trainer Programms:
- Menschzentrierte Innovation und Gestaltung
- Fairness und Diversität
- Wellbeing und Resilienz (Schwerpunkt der HdM)
- Digitale Souveränität
- Nachhaltige Transformation
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Menschzentrierte Künstliche Intelligenz als Angebot des KI-Trainer-Programms (Schwerpunkt der HdM)
Das Mittelstand-Digital Zentrums Fokus Mensch wird von folgenden Organisationen getragen:
- Hochschule der Medien (Koordination)
- Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation
- Hochschule Bonn-Rhein-Sieg mit Ergosign und NORDAKADEMIE
- Technische Universität Chemnitz mit BITMi Bundesverband IT-Mittelstand e. V. und TU Berlin
- Universität Hamburg mit Hochschule Kaiserslautern, Karlsruher Institut für Technologie und Usability und User Experience in Germany e.V.
Thematische Ausrichtung der Forschung
„User Experience“ wird häufig als Synonym für Usability verstanden (Hassenzahl et al., 2021). Damit wird man aber dem Potenzial von Positiver User Experience oder dem Design for Wellbeing nicht gerecht. User Experience markiert einen Wandel von einer am Handeln von Menschen ausgerichteten Gestaltung hin zu einer am Erleben orientierten Gestaltung. Die Forschung zu User Experience zeigt klar, dass Erlebnisse mit und durch Technologie durch Emotionen geprägt werden, die während der Nutzung erlebt werden (Hassenzahl, 2008; Hassenzahl, Diefenbach, & Göritz, 2010). Dies spiegelt sich auch in der DIN EN ISO 9241-210 (2020). Der größte Teil negativer Emotionen entsteht durch schlechte Usability und kann somit durch Usability-Maßnahmen behoben werden (Tuch, Trusell, & Hornbæk, 2013; Tuch, van Schaik, & Hornbæk, 2016). Positive Erlebnisse stellen sich jedoch nicht durch gute Usability ein, sondern durch die Erfüllung psychologischer Bedürfnisse (Desmet & Fokkinga, 2020; Diefenbach & Hassenzahl, 2017; Hassenzahl, 2008). Dies aber erfordert völlig neue Formen von Methoden und Gestaltungsmaßnahmen (Burmester, Laib, & Zeiner, 2017). Zudem führt die Orientierung am positiven Erleben auch zu einem neuen Blick auf Ethik im Umgang mit digitalen Technologien. Es geht nicht mehr nur um die Verhinderung negativer Auswirkung von Technologien, sondern auch um die Gestaltung von Technologien für ein „gutes Leben“ zur Steigerung von Wohlbefinden in Freizeit und Arbeit (Burmester et al., 2017; Desmet & Hassenzahl, 2012; Desmet & Pohlmeyer, 2013; Diefenbach & Hassenzahl, 2017; Zeiner, Haasler, Henschel, Laib, & Burmester, 2018) in einer nachhaltig gestalteten Welt. Dieses Potenzial Positiver User Experience wird derzeit noch nicht hinreichend umgesetzt (Laib et al., 2015; Väänänen-Vainio-Mattila, Olsson, & Häkkilä, 2015), da dies nicht nur zusätzliche Kompetenzen erfordert, sondern auch eine neue Sicht auf die Gestaltung von digitalen Technologien erforderlich macht (Burmester & Laib, 2019; Hermosa-Perrino et al., 2021; Peters et al., 2020).
Eckpunkte des Projektes
Laufzeit: 05.2017 bis 03.2026
Fördervolumen: 1.120.000,- EUR HdM, Fördergeber: BMWK
Anzahl Mitarbeiter: 6
URL: www.kompetenzzentrum-usability.digital
Hintergrundbild von Ben White auf Unsplash.com
Titel des Forschungsthemas I: Digitale Arbeitsplätze der Zukunft – Design für erlebte Selbstwirksamkeit, positive Zusammenarbeit und Bedeutsamkeit
Bisher wird weitgehend verkannt, dass durch die gezielte erlebniszentrierte Gestaltung digitaler Systeme die Arbeit der Zukunft für die arbeitenden Menschen durch positive Erlebnisse zu einer Steigerung des Wohlbefindens sowie einer Verstärkung des Erlebens von Sinn in der Arbeit möglich wird. In diesem Themenfeld stellen sich eine Reihe von Fragen, die bearbeitet in eigenen Projekten bearbeitet werden können:
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Gestaltung der Mensch-KI-Zusammenarbeit
Bei Künstlicher Intelligenz verändert sich in vielen Fällen die Interaktion mit Software hin zu einer Zusammenarbeit. So tragen die Nutzenden und die KI gemeinsam zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels bei. Die übergreifende Frage dabei ist, wie eine positiv erlebte Zusammenarbeit gestaltet sein muss? - Einige Studien konnten zeigen, dass die Arbeit an digitalisierten Arbeitsplätzen so gestaltet werden kann, dass diese positiv erlebt werden kann. Verschiedene Studien (z.B. Kohler et al., 2007)und Theorien (z.B. Fredrickson, 2004)deuten darauf hin, dass es weitere positive Effekte geben kann. Die Frage ist also, wie wirken sich für positive User Experience gestaltete Technologien auf die Arbeitenden aus? Welche Effekte gibt es in Bezug auf das Erleben oder das Verhalten?
- Gestaltung für positives Erleben erweckt recht viel Interesse (Hermosa-Perrino et al., 2021). Gerade professionell Gestaltende, die Interaktionen mit digitalen Technologien entwerfen, sind hier recht aufgeschlossen. In Gestaltungsworkshops oder konkreten Projekten wird dann aber doch oft eher für einfache Nutzung oder zur Entlastung der Nutzenden gestaltet. Es findet also keine Gestaltung für positives Erleben statt (Burmester & Laib, 2019). Was sind die Gründe dafür und wie kann das positive „Design Mindset“ langfristig gefördert werden?
- Weitere Ideen zu verwandten Fragestellungen können mit Prof. Dr. Michael Burmester besprochen werden.
Titel des Forschungsthemas II: „The Awe Experience“ – positive und tiefgehende Erlebnisse fördern
In der positiven Psychologie gibt es recht umfangreiche Forschungen zu einem sehr speziellen Emotionserlebnis, dass sehr positiv und gleichzeitig sehr tiefgehend erlebt werden kann (Allen, 2018; Keltner & Haidt, 2003). Dabei handelt es sich um das „Awe“-Erlebnis bzw. das Ehrfurchtserlebnis. Solche Erlebnisse stellen sich in der Natur ein, z.B. an Stellen an denen die Weite und Größe der Natur erlebt werden kann. Dieses Erlebnis kann sich aber auch in Bezug auf besondere Menschen (z.B. respektierte Personen in Politik, Wissenschaft oder Spiritualität) oder bei großen Ideen (wie z.B. wissenschaftliche Leistungen) zeigen. Das Erlebnis besteht in einem Spannungsfeld von starker Positivität und Tiefe, aber auch von Furcht. Dies zeigt die deutsche Übersetzung als „Ehrfurchtserlebnisse“. Grund dafür ist das mit dem Erlebnis eine Änderung der Selbstwahrnehmung einhergeht. So kann bei starken Naturerlebnissen die Sicht zur Stellung in der Natur verändert werden. Diese Erlebnisse haben einen nachhaltigen positiven Einfluss auf die, die sie erlebt haben. Allen (2018)beschreibt, dass solche Erlebnisse physiologische Erregungszustände (z.B. Gänsehaut) auslösen, eine Verkleinerung des eigenen Selbst und ein Wachsen einer demütigen Einstellung (z.B. gegenüber der Natur) ermöglichen, die Zeit als weiter und langsamer vergehend wahrnehmen lassen und ein Gefühl der Verbundenheit zu anderen verstärkt (Seo et al., 2022).
Im Mittelstand-Digital Zentrum Fokus Mensch möchten wir Awe-Erlebnisse im Rahmen im Rahmen touristischer Erlebnisse (Curtin, 2009)und die Möglichkeiten digitaler Technologien zur Förderung von Awe-Erlebnissen im Tourismus untersuchen. Im Rahmen eines Masterprojektes sollen touristische Auslöser für Awe-Erlebnisse ermittelt und Ideen für digitale Technologien entwickelt werden, die Awe-Erlebnisse im Rahmen touristischer Erlebnisse wahrscheinlicher machen können. Bei Interesse an diesem Thema bitte Rücksprache mit Prof. Dr. Michael Burmester halten.
Betreuender Professor:
Prof. Dr. Michael Burmester
burmester@hdm-stuttgart.de
0711 / 8923 3101
I221, Nobelstraße 8
Fachrichtung: Usability Engineering, Human-Computer-Interaction, Human-Robot Interaction, Benutzerzentrierte Gestaltung, User Experience Research
Studiengänge: Informationsdesign, Master of Media Research
Notwendiges Vorwissen: Human-Computer Interaction, Usability, User Experience, Human-centered Design, empirische Forschungsmethoden
Literatur / weiterführende Links:
Allen, S. (2018). The Science of Awe. Greater Good Science Center at UC Berkeley, September, 1–45. https://ggsc.berkeley.edu/images/uploads/GGSC-JTF_White_Paper-Awe_FINAL.pdf
Burmester, M., & Laib, M. (2019). Warum fällt das Positive so schwer? Beschreibung von Herausforderungen bei der Gestaltung einer positiven User Experience. Mensch Und Computer 2019 – Workshopband, 269–273. https://doi.org/10.18420/muc2019-ws-287-01
Curtin, S. (2009). Wildlife tourism: The intangible, psychological benefits of human-wildlife encounters. Current Issues in Tourism, 12(5–6), 451–474. https://doi.org/10.1080/13683500903042857
Desmet, P. M. A., & Fokkinga, S. F. (2020). Beyond Maslow ’ s Pyramid : Introducing a Typology of Thirteen Fundamental Needs for Human-Centered Design. Multimodal Technology Interaktion, 38(4), 16–22.
Diefenbach, S., & Hassenzahl, M. (2017). Psychologie in der nutzerzentrierten Produktgestaltung. Springer.
Fredrickson, B. L. (2004). The broaden-and-build theory of positive emotions. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Series B, Biological Sciences, 359(1449), 1367–1378. https://doi.org/10.1098/rstb.2004.1512
Hassenzahl, M. (2008). User experience (UX): towards an experiential perspective on product quality. Proceedings of the 20th International Conference of the Association Francophone d’Interaction Homme-Machine, 11–15. http://portal.acm.org/citation.cfm?id=1512717
Hassenzahl, M., Burmester, M., & Koller, F. (2021). User Experience Is All There Is - Twenty years of designing positive experiences and meaningful technology. Journal of Interactive Media I-Com, 20(3), 197–213. https://doi.org/10.1515/icom-2021-0034
Hermosa-Perrino, C., Burmester, M., Spohrer, A., Fink, V., & Zeiner, K. M. (2021). The Positive X-Warum klappt das eigentlich nicht? Über die Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Integration von Positive UX im. In E. Ludewig & T. Jackstädt (Eds.), Mensch und Computer 2021 – Usability Professionals. Gesellschaft für Informatik e.V. und die German UPA e.V. https://doi.org/10.18420/muc2021-up-157
Keltner, D., & Haidt, J. (2003). Approaching awe, a moral, spiritual, and aesthetic emotion. Cognition and Emotion, 17(2), 297–314. http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.385.2081&rep=rep1&type=pdf
Kohler, K., Niebuhr, S., & Hassenzahl, M. (2007). Stay on the ball! An interaction pattern approach to the engineering of motivation. Lecture Notes in Computer Science (Including Subseries Lecture Notes in Artificial Intelligence and Lecture Notes in Bioinformatics), 4662 LNCS(PART 1), 519–522. https://doi.org/10.1007/978-3-540-74796-3_51
Peters, D., Ahmadpour, N., & Calvo, R. A. (2020). Tools for wellbeing-supportive design: Features, characteristics, and prototypes. Multimodal Technologies and Interaction, 4(3), 1–19. https://doi.org/10.3390/mti4030040
Seo, M., Yang, S., & Laurent, S. M. (2022). No One Is an Island: Awe Encourages Global Citizenship Identification. Emotion. https://doi.org/10.1037/emo0001160