Was bedeutet '1968'?
Der revolutionäre Gestus in Medientheorie, Aktivismus und Musik
Am 17. Juli 2018 hielt HdM-Professor Oliver Zöllner an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg einen Vortrag rund um das Thema "50 Jahre 1968". Eingeladen zur Vortragsreihe "Lunch Time Talks" hatte ihn sein Kollege Prof. Dr. Holger Lund vom Fachbereich Mediendesign. Im Fokus: der Beitrag der Medientheorie zum Verständnis des bisweilen ja doch verzerrt wahrgenommenen Wandeljahres 1968. Wie ist der epistemologische Wandel, den "1968" ausgelöst hat, in die Welt gekommen?
Der Vortrag zeichnete nach, wie um 1968 ein Narrativ des "revolutionären" Wandels popularisiert wurde, sehr prominent etwa in den Schriften des kanadischen Medientheoretikers Marshall McLuhan, die wiederum die Bücher der Bürgerrechts-Aktivisten Abbie Hoffman und Jerry Rubin wie auch die Musikproduktion der Beatles beeinflusst haben (bei letzteren am augenfälligsten wohl in deren Song-Trias "Revolution"). Dieses Narrativ prägt bis heute die Wahrnehmung der Chiffre "1968" - gewissermaßen unsere "Weltanschauung" - und fand ab den 1980er-Jahren seinen Niederschlag in den digitalen Innovations- bzw. Disruptions-Ideologemen des Silicon Valley. Die Erzählung, die "1968" in die Welt gesetzt hat und die man schon bei McLuhan, Hoffman, Rubin und den Beatles herauslesen bzw. -hören kann, kreist im Kern um die Topoi der Vernetzung und Tribalisierung, hinter dem die Frage nach Visionen von Kollektivierung versus Individualisierung steht. Die Hippies lassen grüßen! Es geht bei dem "1968"-Narrativ aber auch um den technologischen Wandel, der sich um 1968 vollzog und der uns 50 Jahre später so nicht mehr ohne weiteres zugänglich ist: Satelliten-Übertragungen im TV schufen das Bewusstsein für ein "global village"; die auditive Wahrnehmung wurde durch den Übergang zur Stereo-Technik erweitert; neue Formen der Individualisierung führten zu verstärktem Ich-Bezug; die einsetzende Digitalisierung schuf ein neues Bewustsein für Vernetzung, Geschwindigkeit und Normierung. All das ist aber teilweise genauso paradox wie widersprüchlich: Wir nennen es heute "postmodern". Zöllner führte in seinem Ansatz, den Habitus von "1968" nachzuzeichnen, ebenso aus, wie leicht der Gestus einer "Revolution" kommerziell ausgebeutet werden konnte und kann und wie unverbindlich uns heute daher oft dieses Fanaljahr erscheint.
In einer ursprünglichen Fassung hatte Zöllner den Vortrag bereits Anfang des Jahres auf dem "Popkongress" in Hamburg gehalten.
Vortrag auf Veranstaltung: Lunch Time Talks
Veranstaltungsort: DHBW Ravensburg
Datum: 17.07.2018
Weiterführende Links:
Oliver Zöllners Blogartikel zu Marshall McLuhan
Die Reihe 'Lunch Time Talks' des FB Mediendesign an der DHBW Ravensburg
Autoren
- Name:
-
Prof.
Dr. Oliver Zöllner
- Forschungsgebiet:
- Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
- Funktion:
- Professor
- Lehrgebiet:
- Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
- Studiengang:
- Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
- Fakultät:
- Fakultät Electronic Media
- Raum:
- 216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
- Telefon:
- 0711 8923-2281
- Telefax:
- 0711 8923-2206
- E-Mail:
- zoellner@hdm-stuttgart.de
- Homepage:
- https://www.oliverzoellner.de
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