Politische Landschaft (mit Burgruine)
Diskurse regionaler Identität in Belgien

In einem Vortrag im Rahmen der Ringvorlesungsreihe an der HdM Stuttgart hat Oliver Zöllner die "dokumentarische Methode" nach Bohnsack vorgestellt und an einem exemplarischen Bilddokument zur Anwendung gebracht. Bei dem analysierten Bild einer jungen Frau vor einer Burgruine handelt es sich um ein inszeniertes Foto aus einer Selbstdarstellungsbroschüre der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, das den "Habitus" dieser Bevölkerungsgruppe einfängt.
Zöllner ging in seinem Vortrag von der Arbeitshypothese aus, dass sich die kollektive(n) Identität(en) der deutschsprachigen Ostbelgier in einem Diskurs um Fremd- und Selbstbilder ausdrücken, die zum einen auf teils konfliktbehaftete und unklare Aushandlungen von Vergangenheit bzw. Zukunft zurückgreifen und zum anderen auf die vor allem innerbelgisch geführte Debatte um Zugehörigkeit bzw. Abgrenzung. Das exemplarisch analysierte Foto ist, um mit Warnke (1992) zu sprechen, ein politisches Bild – und nicht zuletzt auch ein sprechendes. Es drückt aus, dass die Frage nach Vergangenheit und Zukunft der Ostbelgier nunmehr zumindest ausgesprochen werden kann. Das Dunkle der Vergangenheit und nicht zuletzt seine Ungeordnetheit müssen nicht mehr im Mittelpunkt der Identitätsdiskurse der sprachlichen Minderheit stehen. Sie können Platz machen für die „Exploration, die andere Möglichkeiten zutage fördert" (Jullien 2018, S. 37) – eventuell gänzlich progressive, die dem „emanzipatorischen Prinzip interkultureller Toleranz und kosmopolitischer Offenheit" verpflichtet sind, das den Wesenskern der ‚Belgitude' ausmacht (Sepp 2010, S. 22). Gerade hierin liegt die Chance, das Konzept von ‚Heimat' für die ostbelgische Region entspannt neu zu konstruieren (Penné 2017, S. 248).
Literatur (Auswahl):
Bohnsack, Ralf (2010): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. 8. Aufl. Opladen, Farmington Hills: Budrich.
Bohnsack, Ralf (2011): Qualitative Bild- und Videointerpretation. Die dokumentarische Methode. 2. Aufl. Opladen, Farmington Hills: Budrich.
Jullien, François (2018): Es gibt keine kulturelle Identität. Wir verteidigen die Ressourcen einer Kultur. 4. Aufl. Berlin: Suhrkamp.
Penné, Lesley (2017): Land ohne Heimat? Heimatbegriff in der deutschsprachigen belgischen Gegenwartsliteratur. In: G. Iztueta, M. Saalbach, I. Talvera, C. Bescansa & J. Standke (Hrsg.): Raum - Gefühl - Heimat. Literarische Repräsentationen nach 1945. Marburg: LiteraturWissenschaft.de, S. 235-251.
Sepp, Arvi (2010): Grenzübergänge. Transkulturalität und belgische Identität in der aktuellen deutschsprachigen Literatur in Belgien. In: Aussiger Beiträge. Germanistische Schriftenreihe aus Forschung und Lehre, 4, S. 13-26.
Warnke, Martin (1992): Politische Landschaft. Zur Kunstgeschichte der Natur. München, Wien: Hanser.
Vortrag auf Veranstaltung: Ringvorlesung an der HdM Stuttgart
Veranstaltungsort: Stuttgart
Datum: 13.11.2019
Autoren
- Name:
-
Prof.
Dr. Oliver Zöllner
- Forschungsgebiet:
- Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
- Funktion:
- Professor
- Lehrgebiet:
- Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
- Studiengang:
- Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
- Fakultät:
- Fakultät Electronic Media
- Raum:
- 216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
- Telefon:
- 0711 8923-2281
- Telefax:
- 0711 8923-2206
- E-Mail:
- zoellner@hdm-stuttgart.de
- Homepage:
- https://www.oliverzoellner.de
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