Diese Website verwendet nur technisch notwendige Cookies. In der Datenschutzerklärung können Sie mehr dazu erfahren.

Zum Hauptinhalt springen
Logo, Startseite der Hochschule der Medien

Ars ex machina – Kunst aus der Maschine

Eine Online-Ausstellung mit KI-generierten Kunstwerken zur Digitalen Ethik

Es ist einer der ältesten Träume der Menschheit: der deus ex machina, der „Gott aus der Maschine“, in der antiken Tragödie eine Figur, die mithilfe einer eigens eingerichteten Theatermaschine plötzlich von oben auf die Bühne schwebt und der Handlung so eine dramatische Wendung verleiht. Viele, beispielsweise der israelische Historiker Yuval Noah Harari, behaupten, dass die Entwicklung einer menschenähnlichen, sogenannten „starken“ Künstlichen Intelligenz und damit die Erschaffung eines künstlichen Menschen in der Menschheitsgeschichte zu einer ähnlich dramatischen Wendung führen wird. Kritiker konnten dagegen jahrelang einführen, es gäbe Bereiche, die niemals automatisiert, niemals von einer Maschine übernommen werden könnten, allen voran: die Kunst.

 

Und jetzt das: Ars ex machina, die Kunst aus der Maschine. Moderne Bildgeneratoren – die drei bekanntesten sind Midjourney, DALL-E und StableDiffusion – ermöglichen es, aus einer kurzen textuellen Beschreibung, dem sogenannten „Prompt“, mit wenigen Mausklicks ein (mehr oder weniger) täuschend echt aussehendes Bild zu generieren. Wie wird diese neue Technologie Medienproduktion und -wirtschaft verändern? Welche ethischen Herausforderungen sind mit ihr verbunden? Und wie können wir zukünftige Medienschaffende zu einem mündigen Umgang mit dieser neuen Technologie befähigen?

 

Diesen Fragen ist ein Lehrforschungsprojektseminar im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsprojekts IKID unter der Leitung von Prof. Dr. Petra Grimm und Jan Doria am Institut für Digitale Ethik (IDE) der Hochschule der Medien (HdM) Stuttgart im Sommersemester 2023 nachgegangen.

 

Die Idee: Mit Microsoft Bings frei verfügbarem Image Generator, der auf DALL-E basiert, kleine Kunstwerke zu erschaffen, die sich mit ausgewählten Themengebieten der Digitalen Ethik beschäftigen. Die Auswahl der Themen orientierte sich dabei an unserem Standardwerk „Digitale Ethik: Leben in vernetzten Welten“, erschienen im Reklam-Verlag. Heraus kam eine Zusammenstellung aus zwölf aktuellen Fragen, auf die unsere Werke eine künstlerische Antwort versuchen.

 

Die Umsetzung: Ursprünglich wollten wir den Herstellungsprozess der Bildgenerierung komplett der KI überlassen und auch die Prompts für den Bing Image Generator von einer KI erstellen lassen – von ChatGPT, natürlich. Doch ChatGPT einfach nur die zwölf Fragen zu übermitteln und daraus eigene Prompts generieren zu lassen erwies sich als zu einfallslos. Die so generierten Bilder sahen sich zu ähnlich, waren alle in demselben blau-schwarz-leuchtenden Cyber-Look gehalten und das Motiv in den seltensten Fällen klar erkennbar. Schnell wurde uns klar: Nur wir Menschen selbst können Antworten auf die von uns aufgeworfenen digitalethischen Fragen geben. Der Bildgenerierungsprompt musste daher ebenfalls von einem Menschen stammen. Und da der Bing Image Generator zu jedem Prompt gleich vier verschiedene Bilder ausgibt und jedes Seminarmitglied zu jeder Frage ein Bild generierte, blieb die menschliche Kreativität auch in einem zweiten Schritt entscheidend: bei der Auswahl derjenigen Bilder, die es schließlich in die hier vorliegende Online-Ausstellung schaffen sollten. Mensch und Maschine wurden so in einem co-kreativen Prozess vereint, der Mensch zum Kurator der KI-generierten Inhalte.

 

Das Fazit: Ernüchternd. Von einer „ars ex machina“, einer Kunst aus der Maschine, kann keine Rede sein. Denn am Ende stellt uns eine Ausstellung wie diese auch die Frage „Was ist Kunst?“. Ist Kunst spätestens seit Andy Warhol nicht weniger das Kunstwerk an sich als der soziale Prozess seiner Entstehung und die soziale Praxis ihres Gebrauchs? Ist Kunst nicht das, was wir Menschen erst zu Kunst machen, und kann eine KI Kunst überhaupt als solche schätzen lernen? Jedes der Bilder dieser Ausstellung könnte für sich alleine stehen, einen Nachrichtenartikel illustrieren oder einen Social-Media-Post. Erst in der Zusammenstellung werden sie zu dem Kunstwerk, als das wir sie an dieser Stelle präsentieren.

 

Aufgabe einer Medienhochschule kann es also nicht sein, die Studierenden von dieser neuen Technologie fernzuhalten. Im Gegenteil, die Aufgabe muss darin bestehen, den Studierenden zu vermitteln, dass diese Technologie auch nichts anderes ist als eine neue Medientechnologie, die zwar viele Umbrüche auslösen wird, die aber, wie schon Photoshop, das Internet und der Buchdruck nicht dazu führen wird, dass Fotografen, Zeitungen und handgeschriebene Texte komplett aussterben werden. Wer auf diese Weise KI-Kompetenz erwirbt, sei es im Rahmen des neuen IKID-Lehrprogramms zu Künstlicher Intelligenz an der HdM oder durch frei verfügbaren Online-Angebote wie dem KI-Campus oder „Elements of AI“, der muss sich vor dem Gott aus der Maschine nicht fürchten.

 

Jan Doria

 

Durch Klick auf die einzelnen Bilder können Sie gewissermaßen "näher" an die virtuellen Ausstellungsstücke herantreten und die menschengenerierten Begleittexte zu unseren Kunstwerken lesen.

1) Wie schützt man seine Privatsphäre in einer digitalisierten Welt?

Ein KI-Kunstwerk von Marina Gaubatz

Der „Überwachungskapitalismus“ (Shoshana Zuboff) hat uns fest im Griff, und Künstliche Intelligenz ist ein Teil davon. Was passiert mit den Daten, die wir bei ChatGPT und Midjourney eingeben? Darf der Staat die Chatnachrichten meiner Uni-Lerngruppe mitlesen? Und ist Alexa auch wirklich ausgeschaltet, wenn ich sie ausschalte, oder sollte ich nicht besser, wie wohl Edward Snowden empfehlen würde, den KI-Sprachassistenten ganz vom Netz trennen und die Batterie herausnehmen?

Bemerkenswerterweise bleiben die Gesichter hier abgebildeten Personen im Halbschatten unsichtbar oder gar unter einer Art Gummimaske verborgen. Es scheint also doch möglich zu sein, seine Privatsphäre in der Digitalität zu bewahren, sich – wie im zweiten Bild zu sehen – mit Schild und Schwert zu verteidigen. Welche Technologien können wir nutzen, um uns vor Überwachung zu schützen? Und wo ist algorithmische Datenauswertung doch sinnvoll, um sich trotzdem, wie das erste Bild andeutet, mit der ganzen Welt zu vernetzen?

Ein KI-Kunstwerk von Yannik Schürrle

Der „Überwachungskapitalismus“ (Shoshana Zuboff) hat uns fest im Griff, und Künstliche Intelligenz ist ein Teil davon. Was passiert mit den Daten, die wir bei ChatGPT und Midjourney eingeben? Darf der Staat die Chatnachrichten meiner Uni-Lerngruppe mitlesen? Und ist Alexa auch wirklich ausgeschaltet, wenn ich sie ausschalte, oder sollte ich nicht besser, wie wohl Edward Snowden empfehlen würde, den KI-Sprachassistenten ganz vom Netz trennen und die Batterie herausnehmen?

Bemerkenswerterweise bleiben die Gesichter hier abgebildeten Personen im Halbschatten unsichtbar oder gar unter einer Art Gummimaske verborgen. Es scheint also doch möglich zu sein, seine Privatsphäre in der Digitalität zu bewahren, sich – wie im zweiten Bild zu sehen – mit Schild und Schwert zu verteidigen. Welche Technologien können wir nutzen, um uns vor Überwachung zu schützen? Und wo ist algorithmische Datenauswertung doch sinnvoll, um sich trotzdem, wie das erste Bild andeutet, mit der ganzen Welt zu vernetzen?

2) Wer übernimmt die Verantwortung für KI-Entscheidungen?

Ein KI-Kunstwerk von Lena Beuchler

Eine aufgebrachte Menge hat sich im Gerichtssaal versammelt, denn es geht um viel: Ein Pflegeroboter hat in der Notaufnahme beim automatisierten medizinischen Check-Up den akuten Notfall nicht erkannt, und nun ist der Patient verstorben. Ein Arzt war an der Entscheidung nicht beteiligt. Wer trägt jetzt die Verantwortung?

Das Szenario ist fiktiv, die Frage jedoch berechtigt. Der Streit vor Gericht erinnert an den Streit darum, wer schuldig ist, wenn Minderjährige ein Verbrechen begehen: War es die Schule, das Elternhaus, das unmündige Kind selbst? Kann man den Roboter haftbar machen (aber braucht er dann nicht auch ein Vermögen, das einzuziehen wäre?), den Programmierer, das Krankenhaus – und warum war da eigentlich kein Arzt? Vor Gericht werden die großen Fragen verhandelt. Wir sollten uns dieser Debatte als gesamte Gesellschaft stellen.

Ein KI-Kunstwerk von Sophia Preitsameter

Ein Kunstwerk, zusammengesetzt aus altbekannten Symbolen, die in dieser Konstellation eine völlig neue Bedeutung erfahren. Eine unverkennbar menschenähnliche Figur in der Mitte – der Mensch steht im Mittelpunkt, doch wird er das auch weiterhin tun, sobald KI autonome Entscheidungen trifft? Rechts daneben ein kleiner Android, genauso aufrecht und stolz, doch noch kleiner als die menschenähnliche Figur. Links daneben der Richterhammer – wer hat ihn dort abgelegt? Im Hintergrund Teile einer Waage, das Symbol der Gerechtigkeit. Doch warum ist sie zerbrochen, und warum schwebt die linke Waagschale in der Luft – weil die Bildgenerierungs-KI es nicht besser darstellen kann? Oder weil sie längst besser darstellt, was das menschliche Auge noch gar nicht zu erkennen vermag?

3) Entscheidet KI, wer Karriere macht?

Ein KI-Kunstwerk von Jana Grams

Er bekommt den Job – und du nicht. Der Android (es ist immer ein Android…) blickt uns mit offenen Augen direkt an, als würde er sich nochmal bei uns rückversichern wollen, doch in Wirklichkeit hat er sich schon längst entschieden – für den Bewerber, der rechts im Dunkeln sitzt und den wir daher gar nicht erkennen können. Aber das brauchen wir auch nicht, schließlich hat die KI alle Bewertungsunterlagen automatisiert und objektiv ausgewertet, sich ein besseres Bild von ihm gemacht, als es das menschliche Auge je könnte, und am Ende mit unbestechlicher Klarheit ihre Entscheidung getroffen. Wen interessieren da noch ihre Gründe? Dich vielleicht, der du den Job nicht bekommst?

Ein KI-Kunstwerk von Monika Lamparter

Immer schön lächeln – Human Resources is watching you, und Human Resources lässt gar nicht erkennen, was es denkt, denn es ist eine Maschine. Entscheidet zukünftig KI, wer Karriere macht? Wer genau hinschaut, erkennt hinter der androiden Maske doch den Haaransatz und ein menschliches Gesicht. Auch der Schreibtisch bildet einen Kontrast: Papierbewerbung und Hologramm, analog und digital, hier kommt beides zusammen. Vielleicht treffen Mensch und KI gemeinsam eine bessere Entscheidung, als es jeder für sich allein könnte? Und vielleicht ist es der größte Fehler, zu glauben, hinter dem hellblau leuchtenden Hologramm verberge sich keine menschliche Person, die ihre Entscheidung trifft.

4) Wie kann KI inklusiv sein?

Ein KI-Kunstwerk von Lena Beuchler

Aus diesen beiden Bildern leuchtet uns eine strahlend helle Zukunft entgegen: Mensch und Roboter sind gleichberechtigt und gemeinsam auf dem Weg in ein neues Leben, in dem alle gleiche Chancen haben. Wozu noch sich vor Cyborgs ängstigen, wenn der Mensch mit Brille, Rollstuhl, Hörgerät und Herzkatheder doch schon seit Jahrhunderten die Schwächen seines Körpers mit technischen Mitteln zu überwinden sucht?

Doch bei genauerem Hinsehen lassen sich Unterschiede erkennen. Auf dem zweiten Bild scheint die Person im Rollstuhl die ihr dargebotene Roboterhand eher abzuweisen. Ängstigt sie sich vor der namenlosen Maschine, die an einen Industrieroboter erinnert? Wird sie gleich die Räder ihres Rollstuhls ergreifen und versuchen, so schnell wie möglich davonzurollen? Oder wird sie sich doch noch dem Pflegeroboter zuwenden und seine Unterstützung in Anspruch nehmen? Wir wissen es nicht.

Ein KI-Kunstwerk von Lucas Laier

Aus diesen beiden Bildern leuchtet uns eine strahlend helle Zukunft entgegen: Mensch und Roboter sind gleichberechtigt und gemeinsam auf dem Weg in ein neues Leben, in dem alle gleiche Chancen haben. Wozu noch sich vor Cyborgs ängstigen, wenn der Mensch mit Brille, Rollstuhl, Hörgerät und Herzkatheder doch schon seit Jahrhunderten die Schwächen seines Körpers mit technischen Mitteln zu überwinden sucht?

Doch bei genauerem Hinsehen lassen sich Unterschiede erkennen. Auf dem zweiten Bild scheint die Person im Rollstuhl die ihr dargebotene Roboterhand eher abzuweisen. Ängstigt sie sich vor der namenlosen Maschine, die an einen Industrieroboter erinnert? Wird sie gleich die Räder ihres Rollstuhls ergreifen und versuchen, so schnell wie möglich davonzurollen? Oder wird sie sich doch noch dem Pflegeroboter zuwenden und seine Unterstützung in Anspruch nehmen? Wir wissen es nicht.

5) Wie kann man Autonomie im Digitalen wahren?

Ein KI-Kunstwerk von Lucas Laier

Es sind die Geister, die wir riefen, und es die alte Frage danach, wer hier wen beherrscht: der Mensch die Technik – oder die Technik den Menschen. Dieses Bild gibt uns eine eindeutige Antwort: Wie ein Puppenspieler zieht ein übergroßer Mann im weißen Businesshemd an unsichtbaren Fäden seine digitalen Helferlein. Doch halt: Blickt er nicht recht grimmig und entschlossen auf uns zu? Laufen nicht seine Roboter mit bedrohliche erhobenen Armen genau in unsere Richtung, führt er gar am Ende seine Roboterarmee direkt gegen uns in den Kampf? Es sind immer noch wir Menschen, die zwischen Gut und Böse unterscheiden und sich entscheiden müssen – und so bestimmen, was wir aus der Technologie machen, die uns zur Verfügung gestellt ist.

Ein KI-Kunstwerk von Yannik Schürrle

Ist unsere Welt nicht längst schon zum Barcode geworden? Dröhnt das Piep-piep-piep der Supermarktkassen nicht auch schon bis in Schule und Hochschule, in Arbeitswelt und Freizeit hinein? Oder gibt es da etwa doch noch etwas, was sich nicht in Nullen und Einsen, in Bits und Bytes ausdrücken lässt?

Interessanterweise sind es ja vor allem menschliche Hände und Gesichter, die darzustellen sich die Künstliche Intelligenz am schwersten tut. In diesem Bild tritt das Gesicht, der Ausweis der Identität, erneut in das Dunkel des Schattens zurück – und trotzdem strahlt diese weiblich konnotierte Figur mit ihren verschränkten Armen Selbstbewusstsein und Energie aus. Sie hat ihren Weg gefunden und weiß, was sie von der Logik des Barcodes bestimmen lassen möchte – und was nicht.

6) Wem gehören KI-generierte Bilder?

Ein KI-Kunstwerk von Jana Grams

Mama, Papa, seht her, was ich gemalt habe! Stolz reckt uns der Android in diesem Bild sein Kunstwerk entgegen (und ist doch selbst Teil eines Kunstwerks, nur gezeichnete Figur). Jedoch ein solches Werk wirft Frage-Zeichen auf: Wem gehört es, und wer darf es gegebenenfalls kommerziell verwerten? Das deutsche Urheberrechtsgesetz kennt bisher nur die „persönliche geistige Schöpfung“, und das kann nur ein Mensch sein. Der stolze Blick des Androiden jedoch spricht eine andere Sprache: Seht her, was ich gemalt habe!

Ein KI-Kunstwerk von Yannik Schürrle

Es ist ein intimer Moment: der Künstler in seinem Atelier, ganz in die Arbeit an seinem Werk versunken. In jedem Kunstwerk liegt ein Funke unserer einzigartigen Persönlichkeit. Deswegen genießt es urheberrechtlichen Schutz. Doch was passiert, wenn der Künstler gar keine – menschliche – Person ist? Die Darstellung des digitalen Roboters, der sich analoge Techniken zunutze macht, schafft eine kontrastreiche und unaufgelöste Spannung: Wenn KI schöpferisch tätig ist, ist sie dann auch Schöpfer, und sollte dann nicht gelten: Gleiches Recht für alle?

7) Wie kann KI Diskriminierung vermeiden?

Ein KI-Kunstwerk von Jarno Fischer

Kann der Zauber der KI wieder zusammenbinden, was die Mode der historischen Erfahrung streng geteilt hat? Oder wird vielmehr die KI, die ja mit der historischen Erfahrung trainiert wird, all die Vorurteile und diskriminierenden Machtstrukturen reproduzieren, die seit Jahrhunderten die Geißel der Menschheit sind? Diese Fragen stellen uns diese beiden Bilder. Was unsichtbar bleibt und trotzdem gesagt werden muss: KI kann nur einzelne Bildpunkte zu großen Bildern zusammenstellen, weil ihr zuvor jemand gesagt hat, was das einzelne Bild bedeutet. Und dieser Jemand sitzt allzu oft schlecht bezahlt und unter schwierigen Arbeitsbedingungen im Globalen Süden. Wiederholt sich hier also die Geschichte von Ausbeutung und Kolonialismus?

Ein KI-Kunstwerk von Sophia Preitsameter

Kann der Zauber der KI wieder zusammenbinden, was die Mode der historischen Erfahrung streng geteilt hat? Oder wird vielmehr die KI, die ja mit der historischen Erfahrung trainiert wird, all die Vorurteile und diskriminierenden Machtstrukturen reproduzieren, die seit Jahrhunderten die Geißel der Menschheit sind? Diese Fragen stellen uns diese beiden Bilder. Was unsichtbar bleibt und trotzdem gesagt werden muss: KI kann nur einzelne Bildpunkte zu großen Bildern zusammenstellen, weil ihr zuvor jemand gesagt hat, was das einzelne Bild bedeutet. Und dieser Jemand sitzt allzu oft schlecht bezahlt und unter schwierigen Arbeitsbedingungen im Globalen Süden. Wiederholt sich hier also die Geschichte von Ausbeutung und Kolonialismus?

8) Wie kann man Hand in Hand mit KI arbeiten?

Ein KI-Kunstwerk von Lena Beuchler

Wäre die Corona-Pandemie schneller überwunden worden, wenn uns die KI-Technologien, die uns heute zur Verfügung stehen, damals schon zur Verfügung gestanden hätten? Wahrscheinlich nicht. Aber die Frage, ob KI und Mensch Hand in Hand zusammenarbeiten können, stellt sich schon gar nicht mehr, denn sie ist längst gelebte Realität: für Programmierer, für Journalisten, für Künstler und auch, wie dieses sehr fotorealistisch dargestellte und daher gar nicht so weit entfernte Zukunftsszenario darstellen will, für Mediziner. Aber welchen Charakter wird diese Zusammenarbeit haben? Was wird passieren, wenn durch den flächendeckenden Einsatz von KI-Technologien massenweise Arbeitsplätze wegfallen sollten? Und: Kann ich dem Medicus ex machina, dem Arzt aus der Maschine, genauso vertrauen wie einem menschlichen Arzt?

Ein KI-Kunstwerk von Monika Lamparter

Das zweite Bild gibt auf diese Frage eine Antwort: Es zitiert <a data-cke-saved-href="https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Erschaffung_Adams target=" href="https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Erschaffung_Adams target=" _blank"="">Michelangelos „Erschaffung Adams“, eines der bekanntesten Werke der Kunstgeschichte, im Stil von Rodins Bildhauerei. Der Schlüssel zum Bild liegt in seiner Komposition: Die menschliche Hand unten rechts ist der Roboterhand oben links untergeordnet, der Roboter erschafft hier den Menschen – nach seinem Vorbild, denn seine Hand ist es, die offen sichtbar Adern und Gelenke aufweist, perfektioniert und unter der Haut verborgen in der kindlich-kleinen, um Hilfe bittenden Hand des Menschen. Doch die Schöpfungsgeschichte endet ja nicht mit diesem Motiv: der Mensch wird aus der Hand der Schlange den Apfel ergreifen und sich so gegen seinen Schöpfer erheben. Und frei sein.

9) Wie werden KI-Nachrichten transparent?

Ein KI-Kunstwerk von Marina Gaubatz

Wenn wir davon sprechen, dass wir „etwas unter die Lupe nehmen“, dann wollen wir es ganz genau wissen, verstehen, analysieren. Diese Mise-en-Abyme-artige Darstellung eine Schreibroboters greift das Sprichwort in zweifacher Weise auf: da ist der Roboter, der sein Werk ganz genau unter der Lupe betrachtet, und da sind wir, die wir ihn unter die Lupe nehmen: Können wir seiner Arbeit vertrauen? Wie können wir erkennen, welche Texte, Bilder, Videos KI-generiert sind und welche nicht? Und: Spielt das überhaupt noch eine Rolle?

Ein KI-Kunstwerk von Yannik Schürrle

Auch dieses Bild spielt mit einem doppelten, eigentlich sogar dreifachen Boden: Im Kopf der KI befindet sich – ein Mensch, doch dieser besteht wiederum aus – Platinen. Kohlenstoff und Silizium, die zwei Grundbausteine intelligenten Lebens. In jeder KI steckt ein Teil ihres Schöpfers. Doch steckt auch in uns ein Teil der KI?

10) Wie informiert KI wahrheitsgemäß?

Ein KI-Kunstwerk von Marina Gaubatz

Was lernen wir von Pinocchio? Dass Lügen kurze Beine haben, immer auffliegen, sich selbst entlarven – und sei es, indem dem Lügner eine lange Nase wächst. Was lernen wir von der KI? Dass wir dem, was uns die digitalen Vögelchen zuzwitschern, nicht bedingungslos Glauben schenken dürfen. KI macht in diesem Sinne das klassische humanistische Bildungsideal nicht überflüssig, sondern wertet es umso stärker auf: Nur wer weiß, dass es die Verbrechen der Shoa wirklich gegeben hat, wird sich nicht von der Pinocchio-KI das Gegenteil einflüstern lassen.

Yannik Schürrle

Es ist eine Art Offenbarungseid: Dieser Roboter ist unfähig, trotz zahlreicher Iterationen mit unterschiedlichen Prompts das schlichte Wörtchen „Wahrheit“ bildlich auszusprechen. KI-Bildgeneratoren scheitern bisher noch an der verlässlichen Darstellung von Schrift. Fünf Buchstaben nur, und doch sind sie für den Algorithmus zu komplex. Was ist Wahrheit überhaupt? Wir Menschen können zwar schneller und leichter Comics schreiben. Aber woher wissen wir, dass das, was wir da lesen, auch wirklich der Wahrheit entspricht?

11) Kann man eine KI lieben?

Ein KI-Kunstwerk von Marina Gaubatz

Ist das nicht der perfekte Partner? Er hat immer Zeit, ist immer nett und freundlich. Er ist liebevoll und zärtlich, weiß genau, was ich fühle und brauche – und beschwert sich nicht über die unausgeräumte Geschirrspülmaschine. Ein echter Honeymoon.

Ein KI-Kunstwerk von Monika Lamparter

Die Liebe zur Maschine stellt uns die Frage nach der Perfektion und die Frage danach, was wir eigentlich meinen, wenn wir sagen: „Ich liebe dich“. Die Maschine kann mir das zwar sagen – aber kann sie mich dann auch wirklich lieben? Der Computerbildschirm, den der Roboter in diesem Bild auf dem Kopf trägt, macht es schwer, seine Emotionen zu erkennen. Die Körpersprache seiner Braut hingegen ist eindeutig: Sie richtet ihren Blick nach unten, bedrängt, gedemütigt, beschämt. Ihr Bräutigam schenkt ihr einen Blumenstrauß – doch schenkt er ihr auch wirklich Liebe?

12) Wie erklärt man KI-Entscheidungen?

Ein KI-Kunstwerk von Jana Grams

Eine Lupe ermöglicht uns den Blick in den Kopf eines Androiden. Wir erkennen, was sich dort drin befindet – Schaltkreise und Platinen – und erkennen eigentlich doch nichts. Denn was verstehen wir schon von den komplexen Prozessen, die im Inneren eines Neuronalen Netzwerks ablaufen? Selbst Experten tun sich damit schwer. Auf der anderen Seite: Was verstehen wir schon von den komplexen Prozessen, die im Inneren unseres Gehirns ablaufen? Am Ende wird es nicht darum gehen, dass KI komplett fehlerfrei entscheidet, sondern vielmehr darum, wie wir die Auswirkungen dieser Fehler minimieren können.

Ein KI-Kunstwerk von Sophia Preitsameter

Wohin soll ich gehen, welchen Weg soll ich einschlagen? Soll ich das Studium abbrechen, den Job annehmen, meinen Partner verlassen? Wie verlockend wäre es doch, all diese Entscheidungen einer KI zu überlassen. Paradoxerweise führt der Weg, der sich gegabelt hat, im Horizont dieses Bildes am Ende wieder zusammen. Ist vielleicht nicht auch der Weg das Ziel?

Credits

Die Ausstellung "Ars ex machina – Kunst aus der Maschine" des Instituts für Digitale Ethik (IDE) an der Hochschule der Medien Stuttgart steht als Gesamtkunstwerk unter einer CC BY-NC-ND 4.0-Lizenz.

Sie entstand im Sommersemester 2023 im Rahmen eines Lehrforschungsprojektseminars im Studiengang Digital- und Medienwirtschaft unter der Leitung von Prof. Dr. Petra Grimm und Jan Doria im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekts IKID.

 

Idee: Prof. Dr. Petra Grimm

Konzeption, Begleittexte, Realisation: Jan Doria

Beteiligte Studierende: Jarno Fischer, Marina Gaubatz, Jana Grams, Michelle Hienz, Lucas Laier, Monika Lamparter, Johannes Menzel, Sophia Preitsameter, Yannik Schürrle, Laura Siemonsen, Julia Sklarenko, Michelle Stegner, Lena Beuchler