Coolness im Hörfunk
Eine empirische Studie zur Anwendbarkeit des 'Coolness'-Konzepts bei einem Hörfunksender am Beispiel des Hochschulradios horads 88,6
"Jeder weiß, was cool ist", schrieb der Kritiker Michael Althen 1994 in der Süddeutschen Zeitung. "Cool ist keine Temperatur und auch kein Gefühl. Wenn es überhaupt etwas ist, dann ist es eine Haltung." So weit scheint alles klar zu sein. Ist es das? Viele Mediennutzer, junge zumal, erwarten und verlangen eine Aura von Coolness von 'ihrem' Programm. Aber wie ist diese schwammige Erwartungshaltung einzulösen - vor allem, wenn es (wie beim Hörfunk) kaum visuelle Unterstützung gibt?
Die vorliegende Studie der Projektgruppe Campusmedien an der Hochschule der Medien Stuttgart befasst sich mit dem Thema "Coolness" und inwieweit dieses Konzept auch auf das Medium Radio, insbesondere auf das Stuttgarter Hochschulradio horads 88,6, anwendbar ist. Die Studie kann kostenlos heruntergeladen werden [PDF, ca. 3,7 MB].
Das empirische Forschungsprojekt wurde von 18 Studierenden des Masterstudiengangs Elektronische Medien im Sommersemester 2011 durchgeführt. Es knüpft inhaltlich an einen Projektbericht aus dem selben Jahr an: "Das Lernradio horads: Eine Studie zur Wahrnehmung und Akzeptanz des Hochschulradios Stuttgart sowie zum Rezeptionsverhalten seiner Zielgruppe" (Download hier). In dieser Vorstudie äußerten einige Rezipienten, horads müsse nach ihrem Geschmack "cooler" sein. Unklar blieb nur, wie dies zu verstehen ist. Weitere Forschung war also nötig.
Bei der nunmehr vorliegenden Folgestudie wurde zunächst der theoretische und empirische Forschungsstand zur Coolness überprüft. Im empirischen Teil der Projektarbeit wurde mittels einer persönlichen Befragung sowie mit Hilfe von Tiefeninterviews und Gruppendiskussionen der Fragestellung nachgegangen, wie Coolness zu definieren ist und was einen coolen Radiosender ausmacht. Auf Basis der Ergebnisse werden abschließend Handlungsempfehlungen für das Hochschulradio gegeben.
"Coolness" basiert im Kern auf Abgrenzung von der Mehrheit und auf der Antizipation von Trends: ein typischer Distinktionsprozess, in dessen Zuge Entfremdung und Verzweiflung über den zynischen Konsumismus von Jugendkulturen in Konsens verwandelt werden (Frank 1997, S. 235). Es ist schwierig, genau zu definieren, was "cool" ist, "but a simple explanation is 'appropriate activity within existing social circumstances.' To be quite frank", fährt ein Stil-Lexikon fort, "this whole definition is not cool; if it were, all it would say is, 'I am; you're not.'" (McCleary 2004, S. 113) Mit anderen Worten: Coolness enthält irgendwann immer ihren eigenen Abgesang: Was zu viele kennen, was Mainstream geworden ist, ist nicht mehr cool oder hip (vgl. Frank 1997). Längst leben wir im Zeitalter von post-cool und post-hip (Leland 2004). Und das heißt: "plötzlich ist Schluss mit cool, und das Wort wird nur noch von Jugendpfarrern im Kindergottesdienst verwendet" (von Schönburg 2006, S. 50). Für ein Campusradio, das nicht nur eine kleine In-group, sondern ein durchaus breiteres studentisches Zielpublikum bedienen möchte, ist "Coolness" also eine erhebliche Gratwanderung.
"Cool ist ein Stück Klarheit in undurchsichtigen Zeiten", schrieb Michael Althen. "Ein Blick. Eine Melodie." Also genau das Richtige für einen Radiosender.
Oliver Zöllner
Literatur:
Geiger, Annette; Schröder, Gerald; Söll, Änne (Hrsg.) (2010): Coolness. Zur Ästhetik einer kulturellen Strategie und Attitüde. Bielefeld: Transcript.
Greif, Mark; Ross, Kathleen; Tortorici, Dayna (eds.) (2010): What Was the Hipster? A Sociological Investigation. New York: n+1 Foundation (= n+1 Research Branch Small Books Series, No. 3). [Dt. Ausg.: Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Berlin: Suhrkamp, 2012]
Holert, Tom (2004): Cool. In: Ulrich Bröckling; Susanne Krasmann; Thomas Lemke (Hrsg.): Glossar der Gegenwart. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 42-48.
Leland, John (2004): Hip: The History. New York: HarperCollins-Ecco.
McCleary, John Bassett (2004): The Hippie Dictionary. A Cultural Encyclopedia (and Phraseicon) of the 1960s and 1970s. Revised and expanded edition. Berkeley, Toronto: Ten Speed Press.
von Schönburg, Alexander (2006): Coolness. In: ders.: Lexikon der überflüssigen Dinge. Berlin: Rowohlt, S. 49-50.
Autoren: Zöllner, Oliver
Hrsg.: Projektgruppe Campusmedien an der HdM Stuttgart; Leitung: Oliver Zöllner
Seiten: VI, 492
Erscheinungsjahr: 2012
Verlag: Hochschule der Medien
Ort: Stuttgart
Weiterführende Links:
Zum Download des Berichtbandes 'Coolness im Hörfunk'
Autoren
- Name:
- Prof. Dr. Oliver Zöllner
- Forschungsgebiet:
- Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
- Funktion:
- Professor
- Lehrgebiet:
- Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
- Studiengang:
- Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
- Fakultät:
- Fakultät Electronic Media
- Raum:
- 216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
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- E-Mail:
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- https://www.oliverzoellner.de
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