Freiheit der Medien - Freiheit der Rede
'Tischrede' im Ökumenischen Zentrum Stuttgart
Medien sind in modernen Gesellschaften allgegenwärtig. Rede-, Meinungs- und Informationsfreiheit sowie die Freiheit der Medien von Gängelung und Zensur genießen als Menschenrechte höchsten Verfassungsrang. 2016 verfügen Westeuropäer und Nordamerikaner über ungeahnte Freiheiten wie wahrscheinlich nie zuvor - und jedermann kann über soziale Online-Netzwerke nahezu alles frei äußern. Die Menschen machen reichlich Gebrauch davon. Und dennoch ist diese Rede- und Medienfreiheit paradoxerweise in Gefahr. HdM-Professor Oliver Zöllner vom Institut für Digitale Ethik (IDE) der Hochschule der Medien hielt am 28. November 2016 auf Einladung des Ökumenischen Zentrums Stuttgart eine "Tischrede" zu diesem Thema.
In seinen Ausführungen ging Zöllner darauf ein, dass in westlich-liberalen Gesellschaften zunehmend eine Sehnsucht bestehe nach der ordnenden Hand einer starken Führungsfigur und nach einfachen Botschaften - siehe etwa USA, Österreich, Polen, Niederlande, Ungarn (und man darf hier auch auf das eigene Land schauen). Bemerkenswert sei, so Zöllner, wie sich bestimmte Meinungen und Behauptungen insbesondere in den Social Media durch permanente Widerholung (Liken, Sharen) zu "Wahrheiten" ganz eigener Art verfestigten. Nicht zuletzt sind es Algorithmen, die entscheiden, was der einzelne Nutzer an Botschaften serviert bekommt. Die informationellen "Filterblasen", in denen sich der Einzelne oftmals bewegt, werden zu regelrechten "Echokammern", in denen man quasi nur noch seiner eigenen Meinung lauscht und den Eindruck hat, diese seien die alleinige, alternativlose "öffentliche Meinung". Gegenmeinungen oder alternative Haltungen werden so von vornherein ausgeblendet. Ein Prinzip, dass jüngst im US-Wahlkampf dem Kandidaten Trump sehr genützt habe, so Zöllner. Der Neologismus "Post-truth" wurde denn auch von den Oxford Dictionaries zum Wort des Jahres 2016 auserkoren. Aber kann es ohne Wahrheit überhaupt freies Reden geben?
Gutes Regieren gelingt durch gutes Argumentieren, meinte Oliver Zöllner mit einem Verweis auf Timothy Garton Ashs Buch "Free Speech" (2016), in dem der britische Historiker betont, dass wir mit der Redefreiheit sorgsam(er) umgehen müssten. "Wir sprechen offen mit robuster Zivilität über alle Arten von Unterschieden zwischen Menschen", so Garton Ash. Diese Form von wehrhafter Toleranz sei allerdings anstrengend, so Zöllner: Sie erfordere Kenntnisse und die Fähigkeit zum Abwägen und Parieren von Argumenten und Gegenargumenten. Einfacher und bequemer sei es, in der besagten eigenen Filterblase zu verharren. Doch man dürfe das Internet gerade nicht den Spinnern und Fanatikern, den Hasspredigern und den Beleidigten überlassen. Wichtig sei es, sich wieder auf die Gesellschaft zu beziehen und neu zu lernen, Diskurse zu führen - kurz gesagt: sich zu vergesellschaften. Eine Online-Petition für oder gegen irgendetwas zu unterzeichnen reiche im Sinne eines gesellschaftlichen Engagements nachgerade nicht aus. Wir brauchen gewissermaßen einen gesellschaftlichen Vertrag, wie wir unsere demokratischen Freiheiten wertschätzen, wahrnehmen und auch verteidigen wollen (was beinahe schon seltsam altmodisch klingt, aber hochaktuell ist). Diese "robuste Zivilität" bedürfe einer Wertorientierung, schloss Zöllner - im digitalen Raum etwa durch eine "digitale Ethik". Das Publikum hat dieses weite Themenfeld anschließend sehr intensiv diskutiert.
Veranstaltungsort: Ökumenisches Zentrum (ÖZ) StuttgartDatum: 28.11.2016
Weiterführende Links:
Institut für Digitale Ethik (IDE)
Autoren
- Name:
- Prof. Dr. Oliver Zöllner
- Forschungsgebiet:
- Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
- Funktion:
- Professor
- Lehrgebiet:
- Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
- Studiengang:
- Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
- Fakultät:
- Fakultät Electronic Media
- Raum:
- 216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
- Telefon:
- 0711 8923-2281
- Telefax:
- 0711 8923-2206
- E-Mail:
- zoellner@hdm-stuttgart.de
- Homepage:
- https://www.oliverzoellner.de
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