Social Media zu sozialen Medien machen
Ein anderes Internet, dessen Angebote und Anwendungen nicht den Fokus auf die kommerzielle Ausbeutung von Daten legen, ist möglich. Ein Plädoyer für eine Ethik der Digitalisierung
In einem Beitrag für die Zeitschrift "Böll.Thema" zeichnet HdM-Professor Oliver Zöllner die Vision nach, Social Media zu wahrhaft "sozialen Medien" zu machen, die dem Gemeinwohl dienen und öffentliche Diskurse befördern. Was bedeutet es für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, wenn unsere Vernetzung, unsere "sozialen Netzwerke" in traditioneller Offline-Bedeutung, von kalifornischen Datenfirmen als Geschäftsmodell ausgebeutet wird? "Ein anderes Internet ist möglich", meint Zöllner. "Wir haben noch nicht das Internet oder die Social Media, die wir verdient haben."
Die besonders populären Anwendungen des Internets seien in der Hand weniger großer Datenfirmen, wie der Leiter des Instituts für Digitale Ethik ausführt. Sie kontrollierten die Daten, die ihre Kundinnen und Kunden sehr freigiebig bereitstellen. Die Utopie eines selbstbestimmten Umgangs mit dem eigenen Online-Leben sei der Realität eines sehr weitgehenden "people-farming" gewichen, also einer systematischen Bewirtschaftung menschlicher Daten. Viele Menschen stünden diesem gegenwärtigen Zustand der Social-Media-Ökonomie recht kritiklos gegenüber, so Zöllner, weil er ihnen "völlig normal und natürlich" erscheine.
Wir müssten aber Haltungen einnehmen, die uns nicht vergessen machen lassen, dass ein "anderes Internet" denkbar und wünschbar sein könnte - etwa eines, "dessen Angebote und Anwendungen nicht den Fokus auf die kommerzielle Ausbeutung von Daten und damit die Grundlage für eine sehr detailreiche Protokollierung unseres Lebens legen, sondern eines, das etwa Vernetzung und Kommunikation ermöglicht, ohne Überwachungsagentur zu sein." Die Social Media müssten "zu im wahrsten Sinne des Wortes sozialen Medien einer freien, diskursiven Öffentlichkeit werden, die nicht bloß unter den Vorgaben und Bedingungen mächtiger Datenmonopolisten kommuniziert", meint Zöllner. Voraussetzung für einen Wandel sei aber mindestens, dass sich mehr Menschen als bisher des gegenwärtigen Status quo des Internets bewusst würden und ihre weit verbreitete "Alles egal"-Haltung aufgäben. Keine leichte Aufgabe, aber vielleicht ein Anfang. Wir müssen reden.
Zöllner, Oliver: Social Media zu sozialen Medien machen. Ein anderes Internet, dessen Angebote und Anwendungen nicht den Fokus auf die kommerzielle Ausbeutung von Daten legen, ist möglich. Ein Plädoyer für eine Ethik der Digitalisierung. In: Böll.Thema, Heft 1/2018, S. 25-26.
Die Zeitschrift "Böll.Thema" wird von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben. Das Heft 1/2018 [PDF-Download; Web-Version] widmet sich vielfältigen Aspekten der Digitalisierung. Namenspatron ist der Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll (1917-1985), der seine Bücher mutmaßlich noch mit der Schreibmaschine tippte, aber wichtige bundesrepublikanische Debatten beflügelte. Man stelle sich vor, Heinrich Böll würde noch leben und heute bei Facebook... Aber Böll hätte beim Stichwort "diskursive Öffentlichkeit" sicher an etwas anderes gedacht.
Weiterführende Links:
Zur Online-Version des Artikels in Böll.Thema 1/2018
Autoren
- Name:
- Prof. Dr. Oliver Zöllner
- Forschungsgebiet:
- Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
- Funktion:
- Professor
- Lehrgebiet:
- Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
- Studiengang:
- Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
- Fakultät:
- Fakultät Electronic Media
- Raum:
- 216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
- Telefon:
- 0711 8923-2281
- Telefax:
- 0711 8923-2206
- E-Mail:
- zoellner@hdm-stuttgart.de
- Homepage:
- https://www.oliverzoellner.de
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