Vortrag

Führt Künstliche Intelligenz zu einem intelligenteren (und glücklicheren) Leben?

Digitalisierung und Digitale Ethik

Auf der Biennale Sindelfingen (Foto: Oliver Zöllner)
Auf der Biennale Sindelfingen (Foto: Oliver Zöllner)

Am 1. Juli 2019 hielt HdM-Professor Oliver Zöllner einen öffentlichen Vortrag zum Spannungsverhältnis von Künstlicher Intelligenz und Digitaler Ethik. Ort des Geschehens war die Biennale in Sindelfingen, eine Veranstaltungsreihe, die sich u.a. Zukunftsthemen in der Gesellschaft widmet. In seinem Vortrag führte Zöllner in zentrale Fragestellungen der Digitalisierung ein. Was machen wir gegenwärtig mit digitalen Anwendungen, was machen sie mit uns - und was erwartet uns in der näheren Zukunft unter dem Schlagwort "Künstliche Intelligenz" (KI)?

Was ist unter KI zu verstehen, wofür wird sie eingesetzt, was kann sie leisten und was nicht? Und vor allem: Wie wollen wir Menschen mit ihr umgehen? Welche neuen Fragestellungen sind mit der KI verbunden? Führt künstliche Intelligenz zu einem intelligenteren (und glücklicheren) Leben? KI basiert im Kern auf Variablen, die auf Basis einer bestimmten Wahrscheinlichkeit und einer bestimmten statistischen Signifikanz miteinander in Bezug gesetzt werden. Sie ist eine Form statistischer Mustererkennung und wird als Kette von Rechenbefehlen (Algorithmen) programmiert. KI nutzt auf Basis mathematischer Modelle automatisierte Entscheidungen zur Problemösung. Wir neigen dazu, sie vorschnell zu vermenschlichen. Ist KI überhaupt eine Form von "Intelligenz"? Kann sie "verstehen" oder "handeln"?

KI scheint - bislang jedenfalls - ein "Parasit der menschlichen Intelligenz" zu sein, wie Daniel C. Dennet meint. "Jedes KI-System verfügt nur über eine Inselbegabung und kann keine Probleme lösen, auf die es nicht vorbereitet wurde", schreibt Steven Pinker (2019). Es erfordert auf jeden Fall menschliche Intelligenz, die sicherstellen muss, dass der Mensch Herr über die Maschinen bleibt. Aber auch dies ist kein leichtes Ding, denn: "Natürliche Dummheit kann weit mehr Schaden anrichten als künstliche Intelligenz" (Alison Gopnik 2019). In der Tat. Der Vortrag legte dar, dass wir zur Formulierung und Beantwortung solcher und weiterer Fragestellungen ein Konzept jenseits eines denkfaulen technologischen Nihilismus (Gertz 2018) brauchen und stellte in diesem Zuge als Analyse- und Denkkonzept die Digitale Ethik vor.

Dabei wurde deutlich, dass konsequentialistische bzw. utilitaristische Ansätze der Ethik (Modell der algorithmischen Folgenkaskaden) für eine KI quasi der natürliche Bündnispartner sind. Künstliche Intelligenzen werden aber wohl niemals deontologisch oder tugendethisch orientiert handeln können, da ihnen für die Erkenntnis und Akzeptanz von Pflichten, Rechten, Maximen oder von Glück und Erfüllung schlicht das Konzept fehlt. Eudaimonia ist nicht programmierbar. Künstliche Intelligenzen "handeln" also nicht, ihnen fehlt das "Sein" im ontologischen Sinne – und damit ist höchst fraglich, ob sie überhaupt als "intelligent" einzustufen sind. Wir sind uns kaum im Klaren darüber, was überhaupt Intelligenz beim Menschen bedeutet und wie sie abbildbar ist. Neben kalkulatorischer, automatisierbarer Intelligenz, die wir bei KI finden, gibt es ja auch noch Dimensionen sozialer und emotionaler Intelligenz. Letztere sind auch bei Menschen keineswegs immer voll ausgeprägt, aber sie scheinen bisher zumindest eine exklusive Domäne der menschlichen Existenz zu sein. Wir setzen sie bei der KI beinahe als mit gegeben voraus. Das ist paradox – oder vielleicht auch nur eine sehr clevere, menschlich fabrizierte PR-Strategie. Werden wir damit glücklich?

 

Vortrag auf Veranstaltung: Biennale Sindelfingen
Veranstaltungsort: Sindelfingen
Datum: 01.07.2019

Weiterführende Links:
Die "Dialog"-Vorträge im Rahmen der Biennale Sindelfingen 2019
"Das Gehirn hat nicht ausgedient": Artikel von Bernd Heiden in SZBZ.de (Sindelfinger/Böblinger Zeitung) vom 2. Juli 2019


Autoren

Name:
Prof. Dr. Oliver Zöllner  Elektronische Visitenkarte
Forschungsgebiet:
Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
Funktion:
Professor
Lehrgebiet:
Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
Studiengang:
Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
Fakultät:
Fakultät Electronic Media
Raum:
216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
Telefon:
0711 8923-2281
Telefax:
0711 8923-2206
E-Mail:
zoellner@hdm-stuttgart.de
Homepage:
https://www.oliverzoellner.de
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