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Virtuelle Influencer

Perfekte Multiplikatoren von Morgen?

Sie versorgen ihre Follower mit Content auf Social Media, kooperieren mit namenhaften Marken und verdienen damit ihr Geld. Doch Influencer wie Miquela, Shudu und Co. unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt zu anderen Social-Media-Stars: Sie alle wurden am Computer erstellt und gehören damit zu den virtuellen Influencern.

Das Instagram-Profil von Miquela Sousa sieht aus wie das einer realen Person. | © lilmiquela via Instagram
Das Instagram-Profil von Miquela Sousa sieht aus wie das einer realen Person. | © lilmiquela via Instagram
Das Phänomen der virtuellen Influencer auf Social Media begann ungefähr im Jahr 2016, als in einem Post auf dem Instagram-Account @lilmiquela die virtuelle Influencerin Miquela Sousa das erste Mal zu sehen war. Auf den ersten Blick wirkt sie fast echt, doch bei genauerem Hinschauen erkennt man, dass sie mithilfe von CGI (Computer Generated Imagery) erstellt wurde. Stöbert man auf ihrem Instagram-Account, wirkt sie wie eine ihrer realen Influencer-Kollegen. Sie spricht in den Stories zu ihren 2,9 Millionen Followern, produziert eigene Musikvideos, macht sich aber auch politisch stark, z.B. für die #BlackLivesMatterBewegung oder die Wahlen. Darüber hinaus entwickelt sie auch Beziehungen zu anderen virtuellen Influencern oder postet Fotos mit Freunden - wie normale Menschen eben auch.

Die parasoziale Interaktion mit Influencern

Die virtuelle Influcerin Miquela Sousa zeigt sich auch oft mit echten Menschen auf ihren Fotos. | © lilmiquela via Instagram
Die virtuelle Influcerin Miquela Sousa zeigt sich auch oft mit echten Menschen auf ihren Fotos. | © lilmiquela via Instagram
Die Ergebnisse einer Studie von Hype Auditor aus November 2020 haben gezeigt, dass virtuelle Influencer eine dreimal so hohe Interaktionsrate wie reale Influencer haben. Das scheint nicht verwunderlich zu sein, da wir uns in einem Zeitalter befinden, indem wir uns an Bots und virtuelle Existenzen gewöhnen würden, meint Medienprofessor Oliver Zöllner, Professor an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart und Leiter des Instituts für digitale Ethik (IDE). "Im virtuellen Raum funktioniert das, weil Nutzer anfangen, eine Beziehung zu diesen virtuellen Figuren aufzubauen. Klassisch nennt man das parasoziale Interaktion. Der Unterschied ist nur, dass es keine echten Menschen sind." Denn bei Influencern wie Miquela, Shudu und Co. steckt meist ein ganzes Team dahinter, um die Figur und deren Inhalte zu erstellen.

Grenzenlose Möglichkeiten für zielgruppengerechtes Influencer Marketing

Mit Margot (links) und Zhi (rechts) zählt Shudu Gram (mittig) zur "Virtual Army" der Marke Balmain. | © shudu.gram via Instagram
Mit Margot (links) und Zhi (rechts) zählt Shudu Gram (mittig) zur "Virtual Army" der Marke Balmain. | © shudu.gram via Instagram
"Oft ist das von manchen realen Menschen auch kaum noch zu unterscheiden," meint Prof. Oliver Zöllner. Ein Beispiel dafür ist die virtuelle Influencerin und das Model Shudu Gram. Bei ihrem ersten Instagram-Post war nicht klar, ob es sich um eine echte oder digitale Person handelte. Bei der Foto-Bearbeitung kombiniert ihr Ersteller, der Fotograf Cameron-James Wilson das digitale Model mit echten Klamotten (z.B. aus Kooperationen mit Balmain oder Ellesse). Da dies sehr aufwendig ist, braucht er für einen Instagrampost in der Regel drei Tage, um das virtuelle Model in das beste Licht zu rücken. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es sich bei computergenerierten Influencern im Vergleich zu normalen Menschen um animierte Persönlichkeiten handelt. Für Unternehmen ist das sehr attraktiv, da man einen Roboter programmiert, den man perfekt gestalten und kontrollieren kann. "Virtuelle Personä sind eben noch schöner, haben eine noch bessere Stimme. Sie machen nichts falsch, geben keine Widerworte und sagen meist auch nichts, das anstößig oder rassistisch ist", verdeutlicht Prof. Oliver Zöllner. Zusätzlich dazu können Eigenschaften wie das Geschlecht, Aussehen, die Interessen und Stimme im Voraus festgelegt werden. Mithilfe eines virtuellen Influencers kann man sich so besser an die eigene Zielgruppe und deren Vorlieben anpassen.

Überdimensionaler Perfektionismus

Auch in anderen Branchen werden virtuelle Persönlichkeiten immer mehr eingesetzt. Die ANZ Bank aus Neuseeland hat bereits die digitale Beraterin Amie eingestellt. | © ANZ Bank
Auch in anderen Branchen werden virtuelle Persönlichkeiten immer mehr eingesetzt. Die ANZ Bank aus Neuseeland hat bereits die digitale Beraterin Amie eingestellt. | © ANZ Bank
Neben der Tatsache, dass virtuelle Influencer teilweise fast so aussehen wie reale Influencer, stehen sie ihnen in der Nähe zum Publikum und im Perfektionismus in nichts nach. "Zu den meisten echten Musikern oder Prominenten stehen wir auch nur in einer virtuellen oder parasozialen Interaktion. Wir kennen diese echten Personen gar nicht, wir hören oft gar nicht mehr deren echte Stimmen, sondern Autotune und ähnliche Programme, und die Videos sind auch alle perfekt bearbeitet. Also sehen wir eigentlich auch bei realen Menschen bereits solche Übermenschen: perfekte Körper, perfekte Stimmen. Und das setzt sich dann bei diesen virtuellen Influencern nur noch fort", erklärt Prof. Oliver Zöllner. Allerdings stoßen Menschen bei der "Anpassung" und "Optimierung" ihrer selbst irgendwann an Grenzen, die bei der CGI nicht existieren. Und genau in diesen Möglichkeiten liegen auch die Probleme. Besonders bei jüngeren Menschen, die noch in der Identitätsfindungsphase sind, kann sich der unerreichbare Perfektionismus von virtuellen Influencern negativ darauf auswirken, klärt Prof. Oliver Zöllner auf. "Indem uns diese Perfektion vorgespielt und vorgelebt wird, kann das speziell bei jüngeren Menschen dazu führen, dass sie ein falsches Selbstbild, ein falsches Körperbild bekommen. Eine weitere Folge kann sein, dass Nutzerinnen und Nutzer nicht angemessenen Körperidealen und Verhaltensnormen nachstreben. Solche Normen kann ein Algorithmus bestenfalls vorspielen", findet Prof. Oliver Zöllner.

Sind virtuelle Influencer nur gefühlslose Roboter, die unser Geld wollen?

Viele virtuelle Influencer bewerben auf ihren Social Media-Plattformen verschiedene Produkte, wie auch die berühmteste unter ihnen, Lu do Magalu. | © magazineluiza via Instagram
Viele virtuelle Influencer bewerben auf ihren Social Media-Plattformen verschiedene Produkte, wie auch die berühmteste unter ihnen, Lu do Magalu. | © magazineluiza via Instagram
Miquela, Shudu und Co. können in Videos zwar mit ihren Followern reden, auf sie eingehen und von ihrem Tag erzählen, allerdings können sie keine Emotionen zeigen. "Virtuelle Influencer sind bestenfalls so programmiert, dass sie bestimmte emotionale Reaktionen äußern können. Das sind natürlich keine echten Emotionen, aber die Programme spielen diese Rolle, sie machen eine Performance." Das kann sich negativ auf die Authentizität auswirken, was jedoch auch bei realen Influencern zum Problem werden kann, wie Prof. Zöllner meint: "Wie authentisch sind denn die realen Stars oder Promis, mit denen wir zu tun haben? Alle folgen ja quasi einem Skript. Diese virtuellen Influencern folgen einem virtuellen Skript, also einem Programm und bewegen sich annähernd genauso perfekt." Darüber hinaus verfolgen die Ersteller dieser computergenerierten Persönlichkeiten ein klares Ziel: eine Reichweite aufbauen, Kooperationspartner gewinnen und damit Geld verdienen. Auch das sieht Prof. Oliver Zöllner kritisch: "Die Frage ist immer: Was macht das dann mit uns, wenn wir mit Personä interagieren, die uns permanent etwas 'verkaufen' wollen? Wo bleibt das Nicht-Kommerzielle, wo bleibt das Unperfekte? Mit dem Unperfekten fehlt ein bedeutender Aspekt der menschlichen Existenz und Welterfahrung."

Das Potential von virtuellen Persönlichkeiten

Im Gegensatz zu virtuellen Influencern finden virtuelle Avatare und Charaktere bereits seit Jahrzehnten in Videospielen, Filmen oder Musik statt und sind längst schon etabliert. Ein Beispiel dafür ist der bekannte Vocaloid-Charakter Hatsune Miku, eine Anime-Musikerin, die bereits 2007 durchgestartet und mittlerweile ein großer Pop-Star in Japan ist. Aber auch die Zahl der virtuellen Influencer steigt immer mehr, so hat Ikea erst letztens für eine neue Filiale in Japan die viertgrößte virtuelle Influencerin Imma engagiert. Doch wie schätzt Prof. Oliver Zöllner das Zukunftspotential um Miquela, Shudu und Co. ein? "Ich glaube, im Moment sind diese virtuellen Influencer eine gewisse Spielerei und natürlich auch ein Marketing-Tool. Es wird sich jetzt zeigen, ob Menschen wirklich gerne mit ihnen interagieren oder ob es ihnen lästig wird. Sobald diese monetäre Ebene nicht funktioniert, wird das auch wieder einschlafen. Vielleicht merken aber auch die werbetreibenden und produzierenden Unternehmen, dass das eine sehr kostengünstige Möglichkeit ist, um mit Menschen in Kontakt zu treten. Und dass man darüber seine Werbebotschaften platzieren und auch Profite erzielen kann. Wenn das funktioniert und wir uns weiter daran gewöhnen und das weiter nutzen, dann könnte es ein Weg in die Zukunft sein."

Quellen:
Digital Marketing Expo
Hype Auditor
Medium
Meedia
Online-Marketing
Reachbird
Watson

Jennifer Kögel

VERÖFFENTLICHT AM

21. Dezember 2020

KONTAKT

Prof. Dr. Oliver Zöllner

Professor

Medienwirtschaft

Telefon: 0711 8923-2281

E-Mail: zoellner@hdm-stuttgart.de

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