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International Broadcasting in the Social Network Era

HdM-Professor Oliver Zöllner über die Zukunft von Auslandsrundfunk und Public Diplomacy

Themenheft
Themenheft "International Broadcasting" des Public Diplomacy Magazine. Copyright USC Center on Public Diplomacy 2011

Die jüngsten Unruhen in Iran und in der arabischen Welt haben es deutlich vor Augen geführt: Informierten sich Informationshungrige in Diktaturen früher bei Radiosendern wie Voice of America, BBC World Service oder Deutsche Welle, nutzen sie heute eher Web-2.0-Anwendungen wie Facebook oder Twitter, um die neuesten Nachrichten zu erfahren oder sich zu vernetzen (sofern das jeweilige Regime denn das Internet nicht sperrt oder zensiert). Der Auslandsrundfunk hat (auf den ersten Blick) ausgedient. Und es sind deswegen gerade auch Sender wie VOA, BBC und DW, die immer weniger auf die Kurzwelle, dafür in zunehmendem Maße auf digitale Ausspielwege wie das Internet setzen - alleine schon aus Kostengründen. Egal, ob Auslandsrundfunk ganz klassisch als Hörfunk daherkommt oder wie seit den 1990er-Jahren auch als Fernsehangebot (BBC World News, DW-TV, France 24, Russia Today u.v.a.): Diese Plattformen sind teuer und bleiben - technisch bedingt - im Prinzip eine kommunikative Einbahnstraße.

Kein gutes Bild für ein Werkzeug, mit dem Staaten kulturpolitische Öffentlichkeitsarbeit (Public Diplomacy) für sich betreiben. Kritiker sehen im Auslandsrundfunk - und in Public Diplomacy generell - etwas verengt ohnehin bloße Propaganda (was er auf Seiten diktatorischer Regime wie etwa der Volksrepublik China auch zweifelsohne ist). Aber auch in seiner westlich-demokratischen Form bleibt der Auslandsrundfunk monologisch: Die Rezipienten können zuhören und zusehen, vielleicht einen Hörerbrief schreiben oder per E-Mail oder Blogkommentar Feedback geben (dies gelegentlich unter Lebensgefahr), aber ein echter, "symmetrischer" Dialog kommt so kaum zustande - es ist der Public-Diplomacy-Akteur, der die Interaktion bestimmt. Doch die 'digital natives' sind längst anderes gewohnt: Nachrichten auszutauschen "auf Augenhöhe", selbst zu schreiben, zu empfangen, über Landesgrenzen hinweg, spontan, direkt und vielfältig vernetzt. Facebook & Co. als kommerzielle Unternehmen mit einem Hang zur Datensammlung mögen nicht die perfekte Alternative zu traditionellen Medien sein. Aber für viele Menschen setzt die Dialogfähigkeit der Sozialen Netzwerke den Standard.

Wie kann der klassische Auslandsrundfunk im Zeitalter von Web 2.0 überleben? In seinem Essay "International Broadcasting in the Social Network Era: New Allegiances in Deterritorialized Space Call for New Public Diplomacy" skizziert HdM-Professor Oliver Zöllner die Zukunft dieses wesentlichen strategischen Werkzeugs der Public Diplomacy. Er macht deutlich, dass die alten nationalstaatlichen Verbundenheiten in der heute zunehmend deterritorialisierten Online-Welt teilweise nicht mehr so bedeutsam sind wie früher - und dass daher auch die von Nationalstaaten für Zielgruppen in anderen Ländern produzierten Rundfunkangebote oftmals nicht mehr zeitgemäß erscheinen (wiewohl man hier eines nahen Tages natürlich durchaus auch eine Renaissance des so einfach zu handhabenden Analogrundfunks erwarten könnte). Aber überlebensfähig wird der westliche Auslandsrundfunk nur sein, wenn er es schafft, in guter demokratischer Tradition dialogfähiger zu werden und eine neue globale Öffentlichkeit zu schaffen, eine weltweite Zivilgesellschaft, in der "vielfältige Stimmen gehört werden können trotz ihrer vielfältigen Herkünfte, unterschiedlichen Werte und oftmals widersprüchlichen Interessen", wie es der Kommunikationsforscher Manuel Castells einmal formuliert hat. Was jetzt noch wie euphorischer Sozialkitsch klingen mag, könnte ein Ansatzpunkt dialogischer Public Diplomacy jenseits rein nationalstaatlich-hegemonialer Selbstdarstellung sein. Dafür wird es nicht ausreichen, lediglich eine Facebook-, Twitter- oder Blog-Plattform an das Programm anzukoppeln.

Erschienen ist Oliver Zöllners Essay in der jüngsten Ausgabe (#6, summer 2011) des "Public Diplomacy Magazine", einer Fachzeitschrift des Center on Public Diplomacy der University of Southern California (USA). Zöllner hat sich in den letzten Jahren mehrfach mit dem Thema "Public Diplomacy" befasst, so etwa 2006 in einem Aufsatz mit dem Titel "A Quest for Dialogue in International Broadcasting: Germany's Public Diplomacy Targeting Arab Audiences" (erschienen in "Global Media and Communication", Vol. 2[2]: 160-182) und im Handbuchartikel "German Public Diplomacy: The Dialogue of Cultures" (in Nancy Snow/Philip M. Taylor, eds.: Routledge Handbook of Public Diplomacy. New York, London 2009). Auch in einigen Lehrveranstaltungen an der HdM Stuttgart stand dieses Thema im Mittelpunkt ("Public Diplomacy and Nation Branding"). Zum Thema "Auslandsrundfunk" stammt von ihm der Übersichtsartikel im "Internationalen Handbuch Medien" (28. Aufl. 2009, hrsg. v. Hans-Bredow-Institut). Zöllner war von 1997 bis 2004 Leiter der Abteilung Markt- und Medienforschung der Deutschen Welle. 1996 war er mit einer Studie über den britischen Militärrundfunk "British Forces Broadcasting Service" (BFBS) promoviert worden - auch dies ein Auslandsrundfunksender ganz eigener Art.

 

Zöllner, Oliver:
"International Broadcasting in the Social Network Era: New Allegiances in Deterritorialized Space Call for New Public Diplomacy". In: Public Diplomacy Magazine, No. 6 (Summer 2011): 29-33.


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