Public Diplomacy in einer post-pandemischen Welt
Wie will sich die globale Gesellschaft nach COVID-19 verständigen?
Am 27. November 2020 war HdM-Professor Oliver Zöllner auf Einladung der Korean Association for Public Diplomacy (KAPD) zu Gast auf deren Jahrestagung, auf der es um ein drängendes Thema ging: Public Diplomacy und das Zeitalter der großen Transformation – Visionen für eine post-pandemische Welt, so der thematische Aufhänger der KAPD-Tagung. Zöllner kommentierte als discussant zwei Vorträge und entwickelte mit den Referent*innen und dem Auditorium die Idee der Tagung weiter. Ort des Geschehens war die südkoreanische Hauptstadt Seoul; der Pandemielage geschuldet war Zöllner, wie die meisten ausländischen Vortragenden, virtuell zugeschaltet.
Die COVID-19-Pandemie legt seit Anfang 2020 weite Teile der Welt lahm. Nicht nur scheinen die Menschen in ihrem Alltag vor Ort angesichts der Corona-Gefahr ihre Verhaltensweisen zu ändern. Auch auf der kollektiven, zwischenstaatlichen und interkulturellen Ebene lassen sich Veränderungen erahnen. Wie werden Staaten in Zukunft miteinander umgehen? Wie frei wird der internationale Austausch sein? Welche Folgen werden Propaganda, Verschwörungsmythen und Fake News langfristig haben? Werden wir uns nach Aufhebung der Reisebeschränkungen wieder besuchen und in die Augen sehen, uns gegenseitig vertrauen können? Das ist nicht zuletzt auch eine Fragestellung für die Public Diplomacy, die öffentliche kulturpolitische Diplomatie.
Als geladener discussant kommentierte Oliver Zöllner zwei Vorträge im Abschlusspanel. James Pamment (Professor an der Universität Lund, Schweden) stellte seinen Vortrag unter den Titel "Can Public Diplomacy Reduce the Impact of Foreign Interference?" und zeigte Perspektiven auf, wie Staaten mit Hilfe von öffentlicher Diplomatie den Herausforderungen der Unwahrheit begenen können, nicht zuletzt auch den Zumutungen durch strategische Desinformations- und Destabilisierungskampagnen. Jie-Ae Sohn (Visiting Professor an der Ewha Woman's University, Seoul) betrachtete "Post-pandemic Media and Democracy"; sie ging hier vor allem auf medienpolitische und demokratietheoretische Sichtweisen ein.
Neuer 'kalter Informationskrieg'?
Zöllner stellte im Kontext dieser Vorträge die Frage, inwieweit die ja völlig richtige und wichtige Vision einer dialogischen Weltgesellschaft überhaupt funktionieren würde. Schließlich müssten zunächst der Wille und die Fähigkeit zum Führen dialogischer Kommunikation auf beiden Seiten vorhanden sein – beides keine Selbstverständlichkeit. Zöllner war auch eher skeptisch, inwieweit der von James Pamment dargelegte Ansatz, Fake- und Propaganda-Inhalte (als Konkurrenz zu wahrheitsorientierten Public-Diplomacy-Informationen) in den Algorithmen der Intermediäre in ihrer Relevanz herunterzuranken, realistisch ist. Nicht zuletzt zeichnet die Algorithmen der Tech-Giganten ja aus, black boxes zu sein – die Gestaltungsfähigkeit durch Dritte ist da eher gering. Hinzu komme eine allgemeine Gleichgültigkeit, vielleicht sogar Nihilismus, auf Seiten der Rezipientinnen und Rezipienten, die es den Verächtern der Wahrheit leicht mache, mit ihren Botschaften durchzudringen. Landen wir derzeit nicht sogar in der Ära eines neuerlichen 'kalten Informationskriegs', einer Auseinandersetzung gegenläufiger Gesellschaftskonzepte und Ideologien, allerdings noch weitaus komplexer als ehedem der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion und ihren jeweiligen Satelliten? Zöllner plädierte aus ethischer Sicht für ein längerfristiges Bildungsprogramm, das Menschen befähigt, Dialoge zu führen, Unwahrheit zu erkennen und Kompetenz im Umgang mit Medien zu erlangen – eine fürwahr breite Aufgabenstellung. Interessanterweise ist in Südkorea unlängst just solch ein Programm im Kontext der Public Diplomacy begonnen worden, das sich bereits an Kinder im Vorschulalter richtet. Denkbare Vorstellungen und Konzepte für eine post-pandemische Welt können sich also in viele Richtungen entwickeln.
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Oliver Zöllner lehrt an der HdM Stuttgart den Masterkurs „Public Diplomacy and Nation Branding".
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Zuletzt zum Thema erschienen:
Zöllner, Oliver (2020): Germany's Public Diplomacy: Translating Domestic Discourses of Modernity and Culture, Past and Present. In: Nancy Snow & Nicholas J. Cull (eds.): Routledge Handbook of Public Diplomacy. 2nd ed. New York, London: Routledge, S. 254-263. ISBN 978-1-138-61086-6 (hardback); 978-1-138-61087-3 (paperback); 978-0-429-46554-3 (E-Book).
Zöllner, Oliver (2020): Klebrige Falschheit. Desinformation als nihilistischer Kitsch der Digitalität. In: Petra Grimm & Oliver Zöllner (Hrsg.): Digitalisierung und Demokratie. Ethische Perspektiven (= Reihe Medienethik, Band 18). Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S. 65-104. ISBN 978-3-515-12826-1 (Print), ISBN 978-3-515-12827-8 (E-Book).
Mitvortragende: James Pamment; Jie-Ae Sohn
Vortrag auf Veranstaltung: KAPD International Conference 2020. Public Diplomacy in the Age of Great Transformation: a Post-Pandemic World
Veranstaltungsort: Seoul, Südkorea
Datum: 27.11.2020
Weiterführende Links:
Website der Korean Association for Public Diplomacy (KAPD)
Die KAPD-Konferenz 2020 auf YouTube
Autoren
- Name:
- Prof. Dr. Oliver Zöllner
- Forschungsgebiet:
- Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
- Funktion:
- Professor
- Lehrgebiet:
- Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
- Studiengang:
- Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
- Fakultät:
- Fakultät Electronic Media
- Raum:
- 216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
- Telefon:
- 0711 8923-2281
- Telefax:
- 0711 8923-2206
- E-Mail:
- zoellner@hdm-stuttgart.de
- Homepage:
- https://www.oliverzoellner.de
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