Vortrag

The Affordance of Technical Images

Humans as Shepherds of AI-based Image Production

Die Punkte, aus denen sich ein technisches Bild zusammensetzt. Was sagt KI-basierte Bildproduktion über die Rolle des Menschen in einem solchen technologischen Kontext aus? (Foto: Oliver Zöllner)
Die Punkte, aus denen sich ein technisches Bild zusammensetzt. Was sagt KI-basierte Bildproduktion über die Rolle des Menschen in einem solchen technologischen Kontext aus? (Foto: Oliver Zöllner)

In einem Vortrag hat HdM-Professor Oliver Zöllner im Rückgriff auf medien­wissen­schaft­liche und technik­philosophische Klassiker die sich wandelnde Rolle des Menschen als Schöpfer von Kunst im Kontext der zunehmenden Etablierung von KI-basierter Werk­produktion dargelegt. Er argumentierte anthropo­logisch, dass der Mensch zunehmend die Aufgabe der bloßen "Wartung" des technischen Produktions­systems von Bild­artefakten übernimmt.

Der Vortrag auf einer internationalen Fachtagung zu "Ästhetik, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz" legte eingangs dar, inwieweit KI-Bild­genera­toren ein "Medium" im Sinne McLuhans (1964) sind, also eine Auswei­tung mensch­licher Sinnes­organe und ihrer Funktionen. Die "Taktilität" digitaler, bild­schirm­basierter Medien lasse deren Produkte nicht mehr klassisch linear organisiert erscheinen, sondern als mosaik­haftes Geflecht, als Pixelwolke in modernerer Diktion, so eine der Haupt­hypo­thesen McLuhans. In einem zweiten Schritt klärte der Vortrag darauf auf­bauend die Art der "technischen Bilder" nach Flusser (1985; 1996). Ihmzufolge versucht der Mensch zu seiner Veran­kerung in der Welt mittels "technischer Bilder" zurück­zufinden, die allerdings "Bedeutungen auf trügerischen Oberflächen" kreieren: Sie sind Artefakte mit unklarem Wahrheits- bzw. Authenti­zitäts­bezug, je nachdem, wie man diese umkämpften Begriffe definiert.

Angesichts der zunehmenden Perfektion der Bild­artefakte und ihrer technischen automati­sierten Produktions­systeme hinter­fragte der Vortrag mit Günther Anders (1956/1980) den "promethei­schen Scham", den der Mensch angesichts seiner zunehmenden Reduktion erfährt. Aufgrund der akzelerierten Eigen­dynamik der Bild­generatoren und ihrer Technoimagination wird das Mensch-Sein mehr und mehr "antiquiert", wird der Mensch auf eine Rolle als "Wärter", als – in Anders' Rück­griff auf Heidegger (1949) – eine Art "Objekt­hirte" der Vor­lagen (d.h. der prä­existenten Bilder als Trainings­daten) reduziert, mit denen maschinelle Systeme bzw. Algorithmen neue technische Bilder taktil (und auf Basis von Prompts von Anwendern) zusammen­setzen. Es sind die automati­sierten Systeme, die die Modi ihres Gebrauchs festlegen und so eine Affordanz, einen Angebots- und Aufforderungs­charakter als Herr­schafts­gefüge eigener Art definieren.

Wenn der Mensch das System bloß noch "wartet", führt dies zur Entfremdung des Menschen von den Hervor­bringungen seines schöpferischen Geistes, die im Kern noch immer in den Programmen und Bildkorpora der Bild­generatoren stecken, nun aber zu neuartigen Produkten gerinnen, mit denen der Mensch nicht mehr Schritt hält. Die aus der Punkt­wolke der vielen Pixel produzierten Bild­artefakte erscheinen auf den ersten Blick plausibel, vielleicht sogar ästhetisch befriedigend, bei näherer Betrachtung allerdings oft als Kitsch, als trügerisches Phantom­bild eines algorithmisch basierten und von daher relativ normierten, standardisierten "Kunsthandwerks" mit, nach traditionellen Kriterien betrachtet, geringer Schöpfungshöhe.

In diesem Kontext wurde im Anschluss vom Publikum vor allem Zöllners (in einem Nachgedanken als Analogie formulierter) Rückbezug auf Verfahren musikalischer Improvisation, wie sie etwa für den Jazz oder die Avantgardemusik konstitutiv sind, intensiv in Frage gestellt: Inwieweit passt diese Analogie überhaupt für ein Verständnis der Bildgeneration algorithmischer Systeme? Fehlt bei einer Interaktion mit einem KI-Bildgenerator nicht ein genuin soziales Setting, wie es etwa bei einer humanen musikalischen Improvisationsleistung zwingend vorhanden ist? Oder simulieren KIs solche quasi-sozialen Beziehungen inzwischen, indem sie Prompts vorheriger User in ihren Outputs miteinbeziehen, wie Zöllner einwarf? Würde vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen musikalische Improvisation gar als Kitsch zu sehen sein? Aus Sicht der Jazz- oder Avantgardemusik wäre dies sicher eine äußerst unbefriedigende Hypothese. Aber inwieweit wäre die vorgebrachte musikalische Analogie für KI-generierte Bilderwelten brauchbar? An diesen Fragestellungen wird weiter zu arbeiten sein.

 

Vortrag auf Veranstaltung: Aesthetics, Digitalization and Artificial Intelligence (Philosophia Digitalis)
Veranstaltungsort: Online
Datum: 08.08.2024 bis 09.08.2024


Autoren

Name:
Prof. Dr. Oliver Zöllner  Elektronische Visitenkarte
Forschungsgebiet:
Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
Funktion:
Professor
Lehrgebiet:
Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
Studiengang:
Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
Fakultät:
Fakultät Electronic Media
Raum:
216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
Telefon:
0711 8923-2281
Telefax:
0711 8923-2206
E-Mail:
zoellner@hdm-stuttgart.de
Homepage:
https://www.oliverzoellner.de
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