Vortrag

Die kommunikative Aneignung polizeilicher Social-Media-Kampagnen

Teilergebnisse aus einem Forschungsprojekt zur präventiven digitalen Sicherheitskommunikation (PräDiSiKo)

Nicht immer ist die polizeiliche Social-Media-Kommunikation so locker. Manche Bürger treten im Netz sehr provokant, aggressiv oder einfach nur rätselhaft auf - eine echte Herausforderung für angemessene Repliken. (Collage: Tobias Schleifer/HdM)
Nicht immer ist die polizeiliche Social-Media-Kommunikation so locker. Manche Bürger treten im Netz sehr provokant, aggressiv oder einfach nur rätselhaft auf - eine echte Herausforderung für angemessene Repliken. (Collage: Tobias Schleifer/HdM)

Wie können Polizei­behörden mit Bür­gerinnen und Bürgern ange­messen im digitalen Raum kommuni­zieren? Wie kann in Social Media ein Beitrag zur Kriminal­prä­vention und zur Zivil­courage ge­schaffen werden? Inwie­weit trägt dies zur zivilen Sicher­heit bei? Dies sind Leit­fragen des For­schungs­projekts "Präventive digitale Sicher­heits­kommuni­kation" (PräDiSiKo), an dem die Hoch­schule der Medien zusammen mit anderen Ver­bund­part­nern maßgeblich betei­ligt ist. Am 20. Dezember 2017 trugen die HdM-Professoren Burkard Michel und Oliver Zöllner zusammen mit ihrem früheren Projekt­mitar­beiter Tobias Schleifer erste Ergeb­nisse aus ihrem Teil-Arbeitspaket vor, das konkrete Inter­aktionen in Social Media zwischen Polizei und Bürgern netnografisch analysierte.

Michel, Zöllner und Schleifer untersuchten Repräsen­tanzen von Präventions­kampagnen in Social Media wie auch polizeiliche Social-Media-Kommunikation mit einem Fokus auf die Anschlusskommunikation. Diesen Kommunika­tions­prozess zeichneten sie mit Stuart Halls Encoding/Decoding-Modell nach. Aus dieser analytischen Rahmung leiteten die Forscher ihre beiden Unter­suchungs­perspektiven ab und näherten sich ihnen netno­grafisch. Die intendierten Botschaften, Sinn­strukturen und das Zustande­kommen von Präventiv­kommunikation auf Seiten des Absenders wurden durch Experten­interviews mit Social-Media-Verantwortlichen verschiedener Polizei­behörden erschlossen. Den Diskurs zwischen Polizei und Rezipienten untersuchten Michel, Zöllner und Schleifer anhand der Anschluss­kommunikationen in Social Media, wodurch sie die Aneignung der Botschaften durch die Rezipienten rekonstruieren konnten. Dabei konnten sie die drei von Stuart Hall diskutierten Lesarten (intendiert, oppositionell und ausgehandelt) differenzieren und v.a. unterschiedliche Formen der ironischen Brechung durch die User aufzeigen.

Ein grundsätzliches Problem der Social-Media-Kommunikation der Polizei mit Bürgern ist das letztlich stets vorherrschende Gefälle zwischen der Staatsmacht, deren Verlautbarungen amtlichen Charakter haben, und dem eher lockeren, teils auch anarchischen Ton, der in privaten Facebook- oder Twitter-Posts vorherrscht. Aus diesem Konflikt kann sich die Gefahr einer strukturell bedingten Störung der Social-Media-Kommunikation zwischen Polizei und Bürgern konstituieren. Ein allzu lockerer Auftritt kann Bürger in ihrem Legitimitätsglauben irritieren, während ein Auftritt, der dem Herrschafts­verhältnis zu stark Ausdruck verleiht, im anarchischen Raum der Social Media schnell deplatziert wirkt und einer permanenten Bedrohung der Invertierung ausgesetzt ist. Michel, Zöllner und Schleifer zeigten dies in ihrem Vortrag an zahlreichen Beispielen auf. Als besonders erfolgversprechend im Sinne einer Kriminal­prävention erwiesen sich überraschender­weise nicht Kommunikations­prozesse, die auf eine schlichte Akzeptanz der polizeilichen Botschaften durch die User setzten, sondern solche, die ein gewissen Maß an kritischer Reibung erzeugten ohne dabei in oppositionelle Ablehnung umzuschlagen. Letzten Endes, so machten die HdM-Forscher deutlich, ist eine grundsätzlich dialogische Haltung für die Social-Media-Interaktion zwischen Polizei und Bürgern besonders zielführend. Diese sollte nicht nach "fertigen Rezepten" vorgehen. Vielmehr könne durch Fragen an die User Stück für Stück gemeinsam mit diesen ein Best-Practice-Ansatz über angemessenes Handeln im Netz erarbeitet werden. Dies sei in der Tat ein Stück Risikokommunikation für eine diskursiv-demokratisch verfasste Netzöffentlichkeit.

 

Mitvortragende: Prof. Dr. Burkard Michel, Tobias Schleifer, M.A., Prof. Dr. Oliver Zöllner
Vortrag auf Veranstaltung: Ringvorlesung an der HdM
Veranstaltungsort: Stuttgart
Datum: 20.12.2017

Weiterführende Links:
Website des PräDiSiKo-Projektverbunds


Autoren

Name:
Prof. Dr. Burkard Michel  Elektronische Visitenkarte
Forschungsgebiet:
Mitglied im Forschungsleuchtturm „Creative Industries and Media Society“; Qualitative Sozialforschung (insbes. Dokumentarische Methode): Gruppendiskussionsverfahren, Bild- und Videoanalyse, Konsum- und Rezeptionsforschung.
Funktion:
Professor
Lehrgebiet:
Werbung in AV-Medien, Konsumforschung, Mediaplanung, Qualitative Sozialforschung, Bildkommunikation, Creative Industries.
Studiengang:
Werbung und Marktkommunikation (Bachelor, 7 Semester)
Fakultät:
Fakultät Electronic Media
Raum:
216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
Telefon:
0711 8923-2230
Burkard Michel

Name:
Tobias Schleifer
Name:
Prof. Dr. Oliver Zöllner  Elektronische Visitenkarte
Forschungsgebiet:
Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
Funktion:
Professor
Lehrgebiet:
Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
Studiengang:
Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
Fakultät:
Fakultät Electronic Media
Raum:
216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
Telefon:
0711 8923-2281
Telefax:
0711 8923-2206
E-Mail:
zoellner@hdm-stuttgart.de
Homepage:
https://www.oliverzoellner.de
Oliver Zöllner

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Prof. Dr. Oliver Zöllner  Elektronische Visitenkarte


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