'Man weiß nie, wer die Bilder mal in die Hände kriegt'
Medienethiker Oliver Zöllner über Eltern, die Fotos von ihren Kindern auf Facebook veröffentlichen und den Versuch der Hagener Polizei, sie davon abzubringen
Als die Hagener Polizeibehörde am 13. Oktober 2015 im sozialen Online-Netzwerk Facebook einen Aufruf publizierte, Fotos der eigenen Kinder bei - genau - Facebook und Co. zu posten, konnte sie wohl kaum ahnen, auf welche Resonanz diese Initiative stoßen würde. Bis Jahresende waren es mehr als 267.000 Nutzer, die den Aufruf weiterverbreitet haben. Ein toller viraler Erfolg für die Hagener Polizei. Aber was ist so problematisch daran, Fotos der eigenen Kinder in der virtuellen Öffentlichkeit zu posten, mögen sich viele Eltern gefragt haben?
Dies war ein Grund für die Süddeutsche Zeitung, einen der Leiter des Instituts für Digitale Ethik (IDE), HdM-Professor Oliver Zöllner, zu diesem Thema zu interviewen. Zöllner macht in seinen Statements klar, dass Bilder im Netz im Prinzip Ewigkeitswert haben: Sie bleiben online - und das ist für Kinder, die ja auch einmal größer und erwachsen werden, vielleicht einmal unangenehm, wenn sie für immer in einer peinlichen Pose oder einem albernen Kostüm abgebildet gefunden werden können. Aber Peinlichkeit sei noch "das geringste Problem", meint Oliver Zöllner im Interview. "Es kann sehr viel weiter gehen, von Mobbing über Stalking bis hin zu Pädophilen, die solche Bilder privat sammeln und versuchen, Kontakt zu den Kindern aufzunehmen." Beispiele dafür gibt es zuhauf. Natürlich kann man einwenden, dass man ja bloß die entsprechenden Privatsphäre-Einstellungen vornehmen müsse. Doch "viele Menschen kennen sich mit den Privatsphäre-Einstellungen nicht aus - und viele soziale Netzwerke geben sich viel Mühe, den Schutz privater Inhalte möglichst kompliziert zu gestalten", wie der Medienforscher feststellt.
Letztlich geht es nicht nur um mögliche Verletzungen der Privatsphäre, sondern auch um Persönlichkeitsrechte, die auch Kinder bereits haben, worüber sich Eltern oft nicht so bewusst sind. Insofern sieht Zöllner den Aufruf der Hagener Polizei einen "sehr weisen Schritt, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, nicht so viel zu posten." Denn als Mensch "hat man die Verantwortung nachzudenken, welche Konsequenzen das eigene Handeln hat. Es ist wichtig, dass in der Gesellschaft eine breitere Debatte darüber geführt wird, was man im Internet macht - und was nicht." Das oft gehörte Argument, man habe doch nichts zu verbergen, will Zöllner nicht gelten lassen. Letztlich habe jeder etwas zu verbergen: viele sehr private Momente, die niemanden etwas angingen. Aber es bestehe die Gefahr, sich an das permanente "Teilen" solcher privaten Details zu gewöhnen: Irgendwann vielleicht sogar daran, ausgespäht zu werden. Man sollte sich daher, so Zöllner weiter "immer überlegen: Könnten meine Daten nicht doch mal relevant werden - für einen Kontext, den ich jetzt noch gar nicht abschätzen kann? Wenn ich die Daten einmal freigelassen habe, ist das auch eine Form des Kontrollverlusts."
Weiterführende Links:
Zur Online-Version des Interviews (15.10.2015)
Autoren
- Name:
- Prof. Dr. Oliver Zöllner
- Forschungsgebiet:
- Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
- Funktion:
- Professor
- Lehrgebiet:
- Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
- Studiengang:
- Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
- Fakultät:
- Fakultät Electronic Media
- Raum:
- 216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
- Telefon:
- 0711 8923-2281
- Telefax:
- 0711 8923-2206
- E-Mail:
- zoellner@hdm-stuttgart.de
- Homepage:
- https://www.oliverzoellner.de
Eingetragen von
Mehr zu diesem Autor