Vortrag

(Warum) Brauchen wir eine Digitale Ethik?

Am 14. Februar 2022 war HdM-Professor Oliver Zöllner zu Gast in der Ring­vorlesung des Zentrums für Konflikt­for­schung der Philipps-Univer­sität Mar­burg. Den Titel seines Vor­trags hatten ihm die Konflikt­forscher:innen vorge­geben: Brauchen wir eine "Digitale Ethik"? Oder noch poin­tierter voran­gestellt: warum eigent­lich? Zöllner gab in seinen Ausführungen einen Über­blick über den gegen­wärtigen "Umbau der Welt", in dessen Zuge sich das Bild des Menschen von sich selbst zu wandeln scheint. Die Digitale Ethik umriss Zöllner als eine Reflexions­instanz, mit deren Hilfe Menschen Werte und Hand­lungs­orien­tierungen aus­handeln können. Aber wie? Es gab reich­lich Stoff zur Diskussion.

Zöllner argumentierte, dass das Mensch-Sein auf Verantwortung gründet und damit letztlich auf Nachdenken. Die derzeitige oft unreflek­tierte Nutzung von digitalen Anwendungen, verbunden mit ihrer hohen Bequemlichkeit und einem meist unhinterfragten Innovations­druck ("der nächste Update"), führe oft dazu, dass neue Anwendungen implementiert würden, die den Menschen und seine Bedürf­nisse und Werte hintan­stellen. Die Neigung, die Frage der Folgen von Technikanwendungen und -implementierungen weitgehend zu ignorieren und kaum zu hinterfragen, charakterisierte Zöllner als "technologischen Nihilismus" im Sinne von Nolen Gertz (2018). Zöllner plädierte im Sinne einer humanistischen Ethik dafür, trotz aller Versprechungen der "künstlichen Intelligenz" weiterhin den Menschen in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen: als höchsten Zweck und niemals bloß als Mittel, so sein deutlicher Rückgriff auf Immanuel Kant. Angesichts des rasanten, digital getriebenen Umbaus der Gesell­schaft und vieler ihrer Werte­systeme sei dies eine wichtige Maxime. Zahlreiche Konflikte kamen in dem Vortrag zur Sprache, die natürlich nicht gänzlich neu sind, aber in der Digitalität oft sehr groß skaliert werden und enormes Erregungspotenzial haben: Beleidigungen, Diffamierungen, Hate Speech, Mobbing, Fake News, Propaganda und anderes mehr. Diese Phäno­mene sind in der digitalen Gegenwart Heraus­forderungen für den Zusammen­halt der Gesell­schaft und das Gelingen der Demokratie.

Am Ende trug Zöllner seine ethisch fundierten Überlegungen zur "Digitalität­sbürgerschaft" vor. Dieses Konzept sieht den Menschen als Bürgerin und Bürger (und nicht nur als Konsumenten), nimmt den Menschen aber zugleich in die Verant­wortung, seinen Einsatz von digitalen Anwendungen kompetent selbst zu bestimmen. Hierfür müssten die Bildungs­grundlagen − eine Art Digital­kompetenz − bereits ab dem Kinder­garten­alter geschaffen werden. Aber auch im Rahmen der schulischen Ausbildung und der Hochschul­lehre müssten ethische Grundlagen vermittelt werden, um die Digitalität und ihre Geräte und Programme menschen­zentriert auszugestalten und hinter die Benutzeroberfläche des technischen front end zu blicken. Der Mensch ist eben nicht bloß Daten­produzent für die Technologie­unternehmen.

Moderiert wurde der Vortrag von der Politikwissenschaftlerin, Philosophin und Konfliktforscherin Saskia Rößner, die bei der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. " webcare+" betreut, ein Projekt rund um exzessive Mediennutzung, Mediensucht und Selbsthilfe. Für webcare+ hatte sie 2020 ein Interview mit Oliver Zöllner geführt. Die Ringvorlesung des Zentrums für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg besteht seit 1982 und wurde von PD Dr. Johannes Maria Becker initiiert, der bis 2017 Koordinator und Geschäftsführer der Einrichtung war. Die Ringvorlesung ist eine feste Größe in der Marburger Stadtgesellschaft.

 

Vortrag auf Veranstaltung: Ringvorlesung des Zentrums für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg
Veranstaltungsort: Marburg (online)
Datum: 14.02.2022

Weiterführende Links:
Ankündigungstext zur Ringvorlesung
Website des Zentrums für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg
Digitale Ethik: Wie können wir im Internet gut miteinander leben? Interview von Saskia Rößner mit Oliver Zöllner


Autoren

Name:
Prof. Dr. Oliver Zöllner  Elektronische Visitenkarte
Forschungsgebiet:
Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
Funktion:
Professor
Lehrgebiet:
Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
Studiengang:
Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
Fakultät:
Fakultät Electronic Media
Raum:
216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
Telefon:
0711 8923-2281
Telefax:
0711 8923-2206
E-Mail:
zoellner@hdm-stuttgart.de
Homepage:
https://www.oliverzoellner.de
Oliver Zöllner

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