Vortrag

Fake News, Bots und digitaler Wahlkampf

It's complicated. Fake News in der Filterblase mit Echokammer-Effekt: Wie kann man damit umgehen? Ein Vortrag an der VHS Bochum (Illustration: Oliver Zöllner).
It's complicated. Fake News in der Filterblase mit Echokammer-Effekt: Wie kann man damit umgehen? Ein Vortrag an der VHS Bochum (Illustration: Oliver Zöllner).

Spätestens seit dem letzten US-Wahlkampf ist die Debatte um "Fake News" in aller Ohren: Wie kommen gefälschte Nachrichten in die Welt? Wer stellt sie her, zu welchem Zweck, mit welchen Funktionen? Und wie kann man als Mediennutzer mit dieser neuen Unsicherheit umgehen? HdM-Professor Oliver Zöllner hat zum Thema "Fake News, Bots und digitaler Wahlkampf" am 6. März 2017 einen Vortrag an der Volkshochschule Bochum gehalten und mit seinen Zuhörern diskutiert.

Zöllner wies eingangs darauf hin, wie sich im Zuge des sehr umfassenden Prozesses der Digitalisierung etliche Muster der Mediennutzung und der Weltwahrnehmung verändert haben. Viele althergebrachte Werte und Orientierungen seien dabei verloren gegangen, so Zöllner. Die fortschreitende "Netzwerkisierung" der Gesellschaft (Facebook, Instagram und Twitter sind hier lediglich exemplarisch  zu nennen) und eine enorme Vergößerung des Angebotes an Informationsquellen (die öfter auch pseudo-journalistisch oder gar propagandistisch aufträten) hätten dazu geführt, dass Falschinformationen eine zunehmend größere Verbreitung und Resonanz erführen. Besonders bedenklich sei, dass auch Staaten bzw. Regierungen solche Aktivitäten zunehmend befeuerten, etwa Russland mit seiner Plattform "RT" (Russia Today, auch mit einem populären deutschsprachigen Angebot im Netz präsent) oder die neue US-Regierung unter Präsident Trump mit ihrem Einsatz von "alternative Fakten" und mit einem Chefstrategen namens Stephen Bannon, der zuvor Chefredakteur der Rechtsaußen-Website "Breitbart News" war.

Zöllner machte diese neue Gemengelage an einem aktuellen Beispiel deutlich: Wenn Präsident Trump am Samstagmorgen, 4. März 2017, um 5.35 Uhr eine Serie von Tweets verschickt, in denen er seinem Amtsvorgänger Obama vorwirft, ihn abgehört zu haben, gehen diese quasi regierungsamtlichen Mitteilungen auf lange zuvor schon kursierende unwahre Geschichten zurück, wie sie von "Breitbart News" und anderen verschwörungstheoretisch orientierten Websites verbreitet worden sind. Das affine Publikum bekommt diese Stories, die teilweise auch von Social Bots verfasst bzw. massiv verbreitet werden, über soziale Online-Netzwerke - algorithmisch gesteuert - immer wieder vorgesetzt. In dieser eigenen Filterblase erlebt der Rezipient eine Art Echokammer-Effekt. Irgendetwas von derartigen Anschuldigungen bleibt hängen, egal ob wahr oder falsch. Indem Trump sie nun erneut aufkocht, werden solche Behauptungen zur regulären Nachricht, in alle Richtungen kommentiert und in großem Maßstab weiterverbreitet - auf allen Medienkanälen. Die Fake News werden so zu News geadelt. Und tragen so oft weiter dazu bei, an der Wahrheit zu zweifeln. Dies sind im Prinzip keine neuen Mechanismen; auch die Nationalsozialisten und die Sowjets haben sie in ihrer Propaganda angewandt. Das übergeordnete Ziel solcher Aktivitäten ist letztlich, gegnerische Gesellschaften zu destabilisieren. Im Falle Russlands ist dieser Gegner explizit der "Westen", im Falle der Trump-Administration scheint es - noch relativ diffus - die liberale Gesellschaftsordnung zu sein, die bekämpft werden soll. Es deuten sich hier fundamentale Veränderungen und Verschiebungen an, die weiter beobachtet und analysiert werden müssten, so Zöllner.

In der abschließenden engagierten Diskussion hat das Publikum Möglichkeiten erörtert, mit diesen neuen Herausforderungen umzugehen. Nicht zuletzt für anstehende Wahlkämpfe, darüber waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig, sind Kenntnisse von den Mechanismen des Mediensystems, der Netzwerkeffekte und von Big Data enorm wichtig. "Lügen sind (...) auf eine ganz reale Weise dazu bestimmt, uns verrückt zu machen", schrieb der amerikanische Moralphilosoph Harry G. Frankfurt in seinem Traktat "Über die Wahrheit" 2009. Daraus ergibt sich aus ethischer Perspektive die Aufforderung, eine kritische Haltung zu entwickeln - und sich dezidiert nicht verrückt machen zu lassen.

Veranstaltungsort: Volkshochschule Bochum
Datum: 06.03.2017

Weiterführende Links:
Institut für Digitale Ethik an der HdM Stuttgart


Autoren

Name:
Prof. Dr. Oliver Zöllner  Elektronische Visitenkarte
Forschungsgebiet:
Digitale Ethik, Empirische Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Public Diplomacy
Funktion:
Professor
Lehrgebiet:
Medienforschung, Soziologie der Medienkommunikation, Digitale Ethik, Public Diplomacy, Nation Branding, Hörfunkjournalismus
Studiengang:
Medienwirtschaft (Bachelor, 7 Semester)
Fakultät:
Fakultät Electronic Media
Raum:
216, Nobelstraße 10 (Hörsaalbau)
Telefon:
0711 8923-2281
Telefax:
0711 8923-2206
E-Mail:
zoellner@hdm-stuttgart.de
Homepage:
https://www.oliverzoellner.de
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